„Aus den meisten Alpträumen wacht man irgendwann auf und bemerkt erleichtert: es ist vorbei. Mein Alptraum ist ein großer, blinder Fleck. Keine Erinnerung – nur das Wissen: Es war einer von uns.“ Johanna Schröder ist vergewaltigt worden. Nach einer Party bei ihrer besten Freundin – zehn, zwölf Gäste, gute Freunde. Jemand muss ihr „K.o.-Tropfen“ ins Glas geschüttet haben. Unfassbar. Für die junge Frau beginnen qualvolle Tage, Wochen, Monate. Sie steigert sich in die Suche nach ihrem Vergewaltiger, um ein Stück Kontrolle zurückzuerlangen. „Sie müssen lernen, damit zu leben“, sagt die Polizistin, die akribisch allen Spuren nachgegangen ist. Auch ein Privatdetektiv findet nicht mehr heraus. Wie soll aber Johanna zufrieden weiterleben, wenn sie nicht einmal mehr ihren Freunden trauen kann?! Und was sagen umgekehrt die Freunde, dass sie von ihr unter Generalverdacht gestellt werden?
Foto: ZDF / Arte / Gordon Timpen
„Glaubst du tatsächlich, dass Björn so etwas tut?“, fragt die Freundin. „Ich muss erst mal gar nichts glauben.“ Diese Haltung können sich Polizisten erlauben. Eine Privatperson aber, die in eigener Sache recherchiert, stößt an die Grundfeste der Freundschaft. Wenn eine gute Freundin einen Privatdetektiv engagiert und selbst Alibi-Diagramme an die Wand pinnt und ihre Freunde verdächtigt und ausspioniert, ist das doppelt tragisch. Verlust der Kontrolle oder Verlust der Freunde? Das Drama von „Es war einer von uns“ entzündet sich an dem Konflikt der Heldin, entweder dem eigenen Seelenheil oder der sozialen Gemeinschaft den Vorrang geben zu müssen. Beides geht nicht. Beides braucht sie aber, um langfristig glücklich zu sein.
Psychologisch wie dramaturgisch steht die Geschichte von Astrid Ströher, die sehr subjektiv aus der Perspektive der Hauptfigur erzählt ist, auf sicherem Fuß. Maria Simon verleiht ihr darüber hinaus die physische Glaubwürdigkeit, die eine solche Geschichte braucht. Regisseur Kai Wessel und Kameramann Klaus Eichhammer wählten eine suggestive Bildsprache und bleiben nah bei der Heldin. Auf der Party zu Beginn beäugt jeder jeden – und auch der Zuschauer beobachtet. Man weiß, was passieren wird. Und man schaut ganz genau hin – mit detektivischem Blick: Wer macht sich verdächtig? Wer könnte es sein? In diesen zwar wirkungsvollen, aber zugleich auch widerwärtigen kalten Blicken wird die Haltung vorweggenommen, die später Johanna übernehmen wird. Im Verlauf des Films richtet sich der Fokus zunehmend aufs Opfer – weg von den potenziellen Tätern, weg von der kriminalistischen Perspektive. Moralisch, (wahrnehmungs-)psychologisch und ästhetisch stimmt alles in diesem Psychodrama, das mit Anja Kling, Devid Striesow, Hans-Jochen Wagner und Johanna Gastdorf auch in den (tragenden) Nebenrollen großartig besetzt ist.