Carola Weber saß zwei Jahre im berüchtigten DDR-Frauengefängnis Hoheneck. Ihr Vergehen: versuchte Republikflucht. Sie hatte die Ereignisse verdrängt. Jetzt stehen sie wieder vor ihrem inneren Auge. Auslöser ist eine Stimme von damals. Sie gehört Professor Dr. Limberg, dem neuen Chefarzt für Chirurgie in der Klinik, in der ihr Mann arbeitet. In ihm erkennt sie einen ihrer größten Peiniger. Die Frau, eine hoffnungsvolle Pianistin, der über die Maßen gefährliche Psychopharmaka verabreicht wurden, die dadurch zwei Finger verlor und keine Kinder mehr bekommen kann, konfrontiert Limberg direkt mit ihren Vorwürfen. Der streitet alles beharrlich ab. „Eine Verwechslung“, räumt Carola ein. In Wahrheit ist sie sich 100%ig sicher. „Und dann schauen wir einfach mal in Ihren Kopf hinein“. Derselbe Satz wie 1988 in Hoheneck!
Hauptfigur Carola Weber über ihre Zeit im Frauengefängnis Hoheneck:
„Ich hatte gedacht, der Westen kauft mich frei und habe einen Ausreiseantrag gestellt. Sie wollten mich nicht gehen lassen. Dann haben sie mir Spritzen gegeben – Psychopharmaka. Dann Verdunkelung, Einzelhaft, Redeverbot – bis ich nicht mehr wusste, wer ich bin und wie ich heiße.“
„Es ist nicht vorbei“ erzählt aus der Perspektive des Opfers. Die Erinnerungen kommen wieder zurück. Damit muss die Heldin erst einmal fertig werden. Und wieder steht der ehemalige Peiniger in überlegener Pose ihr gegenüber. Auch damit muss sie umgehen. Sie kämpft. Sie wälzt ihre Stasi-Akten und nimmt Kontakt zu dem ehemaligen Führungsoffizier des Hoheneck-Mediziners auf. Damit weckt sie schlafende Hunde. Darüberhinaus wächst die Distanz zu ihrem Mann. Es kränkt ihn, dass seine Frau ihm von ihrer traumatischen Lebensphase nie erzählt hat. Außerdem versucht sein Chef, ihn vom angeschlagenen Seelenzustand seiner Frau zu überzeugen. Es sind dieselben Strategien wie damals: Isolierung, eine falsche Diagnose aus der Position der Macht heraus, Stasi-Methoden. Dieser Limberg scheint ein Arzt gewesen zu sein, der die „Staatssicherheit“ über den hippokratischen Eid gestellt hat. Oder hat er doch Recht? Ist die Heldin gefangen in ihrem eigenen Gefängnis?
Foto: SWR / Gordon Muehle
Der Film von Franziska Meletzky nach dem Buch von Kristin Derfler und Clemens Murath arbeitet nur am Rande mit der aus Psychothrillern bekannten psychiatrischen Falle, aus der es für den von gut beleumundeten Ärzten als psychisch krank Erklärten kein Entrinnen gibt. Es ist eine besonders grausame Ironie des Schicksals, dass das, was man der Heldin damals mit der ständigen Verabreichung schwerster Psychopharmaka angetan hat, jetzt zu Lasten ihrer Glaubwürdigkeit geht. Mit diesem Muster steigt die „Identifizierung“ im Schlussdrittel fast ins Unerträgliche an. Da ergibt sich auch die eine oder andere dramaturgische Ungereimtheit. Doch wichtiger ist, dass die Fakten aus der Helden-Biographie, die aus verschiedenen Fällen zusammengesetzt wurde, geschickt in den Handlungsfluss integriert sind, dass sie so den seelisch gefolterten Frauen eine Stimme geben und dass das im Osten vergessene und im Westen weitgehend unbekannte Thema einem breiten Publikum zugänglich gemacht wird.
Autorin Kristin Derfler über die Opfer-Dramaturgie:
„Ich wollte dem allgemeinen Trend, die Täter in den Mittelpunkt einer Filmhandlung zu stellen, etwas entgegensetzen: Nazi-Täter, die RAF-Täter, den Vergewaltiger, den Amokläufer – sie erscheinen auf den ersten Blick wohl interessanter. Wer identifiziert sich schon freiwillig mit einem Täter? Es ist einfacher, einem Täter beim Morden zuzusehen und sich von ihm abzugrenzen, als einem Opfer bei seiner Ohnmacht zuzusehen und Empathie zu entwickeln.“
„Es ist nie vorbei“ gelingt es, einen politisch-thematischen Diskurs zu führen, und gleichzeitig zu zeigen, was diese Erfahrungen psychisch mit einem machen können. Die mit der hohen Subjektivität verbundene Emotionalisierung ist also kein Handikap. Im Gegenteil. Über die schlimmen Ereignisse nicht reden zu können, gehört mit zu dem erfahrenen Leid. Es ist eine Leidens-Geschichte. „Die Scham über das erlittene Unrecht hat viele der ehemals inhaftierten Frauen stumm gemacht“, so Autorin Derfler. „Für viele ist es ein jahrelanger Prozess, bis sie sich wieder öffnen können und beginnen, von ihrem Leid zu erzählen.“ Wer über seine traumatischen Erfahrungen nicht reden kann, für den gilt der Filmtitel in besonderem Maße.