Reihenkrimis beginnen seit einiger Zeit gern mit dem Höhepunkt und blenden dann zurück. Schon allein deshalb unterscheidet sich „Geld wie Heu“ von vergleichbaren Filmen: Die Einblendung nach dem Prolog lautet nicht „Vier Tage vorher“, sondern „Vier Jahre später“. Die Handlung beginnt mit einem SEK-Einsatz: Zwei Männer haben eine Auseinandersetzung. Plötzlich bricht einer der beiden tödlich getroffen zusammen: finaler Rettungsschuss. Später stellt sich raus, dass die vermutete „besondere Bedrohungslage“ bloß ein Streit unter Brüdern war, aber das konnte Kommissar Tarik Duman nicht ahnen. Er hat nur das Messer gesehen, mit dem der andere Mann vor dem Gesicht seines Partners herumgefuchtelt hat. Eine Psychologin bietet dem durch das Ereignis traumatisierten Eric Seeler an, in den Innendienst zu wechseln, doch der Polizist zieht einen Schlussstrich.
Mit dieser Vorgeschichte führen Mike Bäuml und Koautor Alexander Dierbach (auch Regie) eine Figur ein, die das Genre um eine interessante Variante bereichert. Ein Streetworker, der nebenbei ermittelt: Das ist in der Tat originell. Seeler (Sebastian Ströbel) hat aus der vom Bruder heruntergewirtschafteten elterlichen Werft ein Sozialprojekt gemacht, in dem Teenager als Alternative zur Haftstrafe ein altes Schiff restaurieren. Vor allem der junge Paul ist auf einem guten Weg. Der Junge soll in wenigen Tagen eine Leerstelle antreten, aber daraus wird nichts: Am Yachthafen ist ein Mann erdrosselt worden, Paul steht unter dringendem Mordverdacht; die Indizienlage scheint eindeutig. Seeler will das nicht glauben und mischt sich ein.
Foto: RTL / Sandra Hoever
Natürlich sorgt das für Ärger, weil die zuständige Kommissarin verständlicherweise keine Lust hat, sich ausgerechnet von einem Sozialarbeiter ins Handwerk pfuschen zu lassen; auch wenn es sich um einen ehemaligen Kollegen handelt. Dass Seeler ihr außerdem ständig einen Schritt voraus ist, macht die Sache nicht besser. Selbstverständlich entwickelt Hannah Vogt (Friederike Linke), die ebenfalls ein Päckchen zu tragen hat, widerwillig eine gewisse Sympathie für den Streetworker, und dass Seeler im Verlauf der Ereignisse ein weiteres Mal mit seinem Trauma konfrontiert wird, ist ebenfalls keine Überraschung. Die darstellerisch interessantere Ebene ist allerdings die Beziehung zu seinem Ex-Partner (Özgür Karadeniz): Seeler hat damals jeden Kontakt abgebrochen, obwohl die beiden weit mehr als bloß Kollegen waren. Entsprechend frostig ist das Wiedersehen, zumal der Vorfall Tarik die anstehende Beförderung gekostet hat; Vogt ist nun seine Chefin.
Dierbach hat mit einigen vorzüglichen „Helen Dorn“-Episoden gezeigt, wie gut er das Thriller-Metier beherrscht. Seine erste RTL-Arbeit seit der Fitzek-Verfilmung „Passagier 23 – Verschwunden auf hoher See“ (2018) setzt abgesehen vom fesselnd inszenierten Auftakt allerdings vergleichsweise wenig auf vordergründige Spannung: Da Seelers Ermittlungen untrennbar mit seiner Arbeit verbunden sind, ist „Geld wie Heu“ über weite Strecken ein Sozialdrama. Der Titel bezieht sich auf ein Detail, das der Mörder im Mund des Opfers hinterlassen hat: ein gut zwei Zentimeter langer Heuhalm, zusammen mit einigen Fasern von Kunstharz umhüllt. Der Tote hat für einen Chemiekonzern gearbeitet, der solche Fasern herstellt und sich vor einigen Jahren erfolgreich gegen den Vorwurf gewehrt hat, Giftstoffe illegal zu sorgen. Dank seiner Beharrlichkeit kommt Seeler schließlich einem Umweltskandal auf die Spur, der die Geschichte um gleich mehrere tragische Elemente ergänzt.
Hybridstoffe scheinen Dierbach besonders zu reizen: Sein letzter Film, „Tödliche Schatten“ mit Walter Sittler, war eine ungewöhnliche Kombination aus Psycho-Krimi und Demenzdrama. Die Bildgestaltung (stets Ian Blumers) ist immer besonders und auch diesmal hochwertig, allerdings ist die gesamte Inszenierung – passend zur Geschichte – eher zurückhaltend. Die Aufnahmen zeichnen sich vor allem durch ihren konsequenten Verzicht auf Farbigkeit aus, Kleidung und Ausstattung sind betont unbunt. Sehenswert ist dieser „Lübeck-Krimi“ daher neben der Handlung – den Schlüssel zur Lösung liefert schließlich das Triptychon „Der Heuwagen“ von Hieronymus Bosch – vor allem darstellerisch. Sebastian Ströbel versieht seinen Seeler mit großer innerer Ruhe und kommt daher ohne große Gesten aus, Özgür Karadeniz ist ohnehin eine Bereicherung für jeden Film, und auch die jugendlichen Mitwirkenden (Tristan Witzel, Katharina Kron, Julias Gause) sind durchweg gut geführt.
Foto: RTL / Sandra Hoever

