Wie spielt man als heterosexueller Mann einen Homosexuellen? Selbst für einen Profi wie Hans-Werner Meyer war das keine leichte Aufgabe. Das erste Mal in seiner Karriere habe er “eine undefinierbare Angst vor einer Rolle verspürt“. Meyer: “Ich habe gemerkt, dass diese Angst vor einer anderen Sexualität tief sitzt.“ In “Marlene” war er der große Josef von Sternberg, in “Vera Brühne“ glänzte er als ausdauernder Verteidiger, und in der Krimi-Serie “Die Cleveren“ überzeugt er als smarter Psychopathen-Jäger. Die Rolle des Lehrers und glücklichen Familienvaters, der sein Coming out erlebt und sich in einen Kollegen verliebt, wollte er anfangs gar nicht spielen. “Ich hatte eine Art Widerwillen“, sagt er. Mittlerweile sei er froh, dass er sich von seiner Frau zu “Eine außergewöhnliche Affäre” überreden ließ.
Als Jochen Wenzel das erste Mal dem bekennenden Schwulen Tom Leuthner begegnet, dauert das Händeschütteln schon einen kleinen Moment zu lang. “Wie ein Lehrer sehen Sie nicht aus”, sagt er. Ein betretener Moment der Befangenheit. Die Gefühle steigern sich langsam, die Irritionen aber verstärken sich sichtlich. “Wenzel wird lange nicht aktiv, weil er vollkommen gelähmt ist“, sagt Meyer über seinen Helden. “Mir war es wichtig, diese Lähmung zu zeigen und spüren zu lassen, was mit der Figur passiert.” Bei einer Klassenfahrt kommt es zur ersten sexuellen Annäherung. “Du musst dich entlieben”, rät Wenzel seiner Tochter, als sie erfährt, dass ihr angehimmelter Lehrer homosexuell ist. Er meint damit auch sich selbst. Doch so einfach ist das trotz Familie und Verantwortung für seine Kinder mit dem Entlieben nicht.
“Eine außergewöhnliche Affäre” ist ein für einen kommerziellen Sender wie Sat 1 außergewöhnlicher Film. Das Spiel mit der Fallhöhe triumphiert nie über die Psychologie. Der Alltag gibt den Rhythmus der Geschichte vor, beiläufig wird die Entfremdung einer Familie ins Bild gerückt. Mama tanzt, Papa joggt und im Bett tote Hose. Der Held träumt vom Familien-glück, doch er kann es nicht leben. Im Bewusstsein dessen überkommt ihn der Schmerz – Tränen fließen. In solchen Momenten gelingt Hans-Werner Meyer großes Spiel mit kleinen Nuancen. Emotionalität als Spiegel des wahren Inneren, das ist die besondere Qualität dieses Films von Maris Pfeiffer (“Küss‘ mich!”). Gefühle werden nicht behauptet, sie werden erfahren. Und der Zuschauer kann ihnen beim Entstehen zuschauen. Selbst wenn die großartige Tatjana Blacher zwischen Selbstzweifel, Tobsucht, Lachanfall und Hysterie wechselt, dann ist das kein Drama mit Ausrufezeichen, sondern Verzweiflung pur.
“Anders als die anderen” – bei dem Sat-1-Movie bezieht sich der viel zitierte Titel eines Hollywood-Schwulenklassikers auch auf die Dramaturgie. “Es gibt Filme, die lullen einen fast ein bisschen ein, weil man sich mit deren Hauptfigur von Anfang bis Ende identifizieren kann”, so Meyer. Der wirkt zwar in seiner Rolle äußerst sympathisch, aber den klassischen Helden, der den Zuschauer in einer dramaturgiegestützten Sicherheit wiegt, lässt er dabei nie heraushängen. Für Meyer selbst auch ein Verdienst der Autor-Regisseurin Maris Pfeiffer. Ihm gefiel besonders ihre Art, Gefühle zwischen den Worten zu inszenieren. “Weibliche Filme-macher nehmen Gefühle oft mehr als Realität an als ihre männlichen Kollegen”, glaubt er.