Ein starkes Team – Verdammt lang her

Stappenbeck, Martens, Hennicke, Bauer, Ard, Zrenner. Alte Freunde, alte Rechnungen

Foto: ZDF / Katrin Knoke
Foto Tilmann P. Gangloff

Wenn alte Freunde aufeinander treffen, werden oft auch alte Rechnungen beglichen; erst recht, wenn es sich bei der Clique um eine Gruppe handelt, die vor langer Zeit gemeinsam ein Verbrechen begangen hat. Büßen musste jedoch nur einer – und der hat dreißig Jahre nichts verraten, und damit das auch so bleibt, soll er, kaum aus dem Gefängnis entlassen, sterben. Leo P. Ards Buch erfreut durch eine Komplexität, die sich nicht nur auf die historischen Abstecher beschränkt. Gegenwart und Vergangenheit sind geschickt miteinander verwoben, zumal die Mitglieder des „Starken Teams“ allerlei Kindheits- und Jugend-erinnerungen austauschen. Der Titel „Verdammt lang her“ (ZDF / UFA) weckt im Westen Erinnerungen an einen BAP-Evergreen, aber im Film erklingen vor allem Klassiker aus dem Osten.

Wer seine Jugend in der alten Bundesrepublik verbracht hat, mag bei „Verdammt lang her“ an einen BAP-Evergreen denken, aber die Musik in der 86. Folge der ZDF-Reihe „Ein starkes Team“ weckt keine Nostalgie, sondern Ostalgie. Tragische Hauptfigur der Handlung ist ein Mann, für den kurz nach dem Mauerfall die Zeit stehen geblieben ist: Peter Kniesbeck (André M. Hennicke) hat die letzten drei Jahrzehnte als verurteilter Raubmörder im Gefängnis verbracht, und weil er einst in der DDR staatlich geprüfter Schallplattenunterhalter war, erklingen vor allem Klassiker von Gundermann und den Puhdys. Es ist zwar erst mal befremdlich, dass der Film einem Verbrecher auf diese Weise zu einer gewissen Sympathie verhilft, aber natürlich hat auch ein Mörder, der seine Strafe verbüßt hat, das Recht auf eine zweite Chance. Außerdem versichert der Mann nach seiner Entlassung, dass er den Mord gar nicht begangen habe, und deshalb wird aus der Geschichte ein Krimi: Kaum steht er vor dem Gefängnistor, versucht ein Motorradfahrer, ihn zu erschießen.

Kniesbeck hat nie verraten, wer seine Mittäter waren: Im Sommer 1990 haben fünf Maskierte einen Geldtransport überfallen und sechs Millionen Mark erbeutet. Garber (Florian Martens) war bereits damals an den Ermittlungen beteiligt. Kniesbeck ist ihm ins Netz gegangen, weil er den Fehler begangen hat, sich mit Geld aus der Beute ein neues Auto zu kaufen: Die erbeuteten Scheine waren für den Währungsumtausch bestimmt und kamen frisch aus der Druckerpresse, deshalb waren die Nummern bekannt. Offenbar haben die einstigen Komplizen keine Lust, Kniesbeck den Rest seines Anteils auszuzahlen. Andererseits könnte es auch sein, dass er tatsächlich kein Mörder ist, und deshalb will der wahre Täter nun dafür sorgen, dass er nie wieder den Mund aufmacht. Aber warum hat er die Tat überhaupt auf sich genommen?

Das Drehbuch von Jürgen Pomorin, der unter seinem Künstlernamen Leo P. Ard mit Abstand die meisten Vorlagen für „Ein starkes Team“ geliefert hat, erfreut durch eine Komplexität, die sich nicht nur auf die historischen Abstecher beschränkt. Gegenwart und Vergangenheit sind geschickt miteinander verwoben; Garber, Wachow (Stefanie Stappenbeck) und Kollege Klöckner (Matthi Faust) graben zudem allerlei Kindheits- und Jugenderinnerungen aus. Selbst das Reihenmaskottchen Sputnik (Jaecki Schwarz), seit geraumer Zeit meist bloß noch eine witzlose Lachnummer, ist diesmal sinnvoll in die Handlung integriert, allerdings weniger wegen seines vergeblichen Handels mit handgemachten Nussknackern aus dem Erzgebirge. Sehenswert ist auch die Umsetzung durch Ulrich Zrenner. Kameramann Wolf Siegelmann hat den Innenaufnahmen ein heimeliges Herbstlicht gegeben, das einen reizvollen Gegensatz zur zumindest aus Kniesbecks Perspektive eher unerfreulichen Handlung bildet: Er ist zwar nun ein freier Mann, hat aber weder Geld noch Bleibe und wird außerdem von der Polizei überwacht, zumal es einen zweiten Mordversuch gegeben hat. Die Rückblenden mit dem Überfall auf den Geldtransport sind in fahles Sepia getaucht; die Farbgebung unterstreicht, wie lange das alles schon her ist. Das wird auch Kniesbeck klar, als er Laureen (Sarina Radomski) besucht: Viel schlimmer als die Mordversuche trifft ihn die Reaktion seiner Tochter, deren Begeisterung über das erste Wiedersehen nach dreißig Jahren sehr überschaubar ist.

Ein starkes Team – Verdammt lang herFoto: ZDF / Katrin Knoke
Butter bei die Fische! Garber (Martens) und Wachow (Stefanie Stappenbeck) stellen die mutmaßlichen Komplizen von einst, Nicole Eberwald (Annika Kuhl), Peter Kniesbeck (André Hennicke) und Martin Eberwald (Thomas Schmuckert) zur Rede.

Der Krimi kommt zwar trotz der Attentate weitgehend ohne Nervenkitzel aus, ist aber hintergründig spannend, denn es schweben gleich mehrere Fragen über der Geschichte: Wer trachtet Kniesbeck, den André M. Hennicke mit einer reizvollen Mischung aus Verbitterung und heroischem Trotz verkörpert, nach dem Leben? Wer hat damals den Mord begangen? Und welche Rolle spielen die verschiedenen weiteren Personen, die Pomorin nach und nach einführt, darunter eine Regisseurin (Annika Kuhl), die mit ihrem Ensemble das Stück „Bonzen & Banditen“ probt, während ihr Theater kurz vor der Insolvenz steht? Die interessanteste dieser Figuren ist ein Freund und ehemaliger Kollege Kniesbecks, Kalle Schwanek, der sich um Laureen gekümmert hat. Wie die beiden alten Haudegen Hennicke und Hans-Uwe Bauer das wortkarge Wiedersehen zelebrieren, ist großes Schauspiel. Auch Florian Martens ist ja ein Meister des verknappten Dialogs. Diesmal bestehen seine Einzeiler mitunter gar nur aus zwei Wörtern, wobei die lakonische Heiterkeit nicht zuletzt aus dem Kontrast zwischen Text und Bild resultiert: „Hält fit“, sagt Wachow, als in einem Wohnhaus der Fahrstuhl defekt ist. „Bin fit“, schnauft Garber, als sie endlich ihr Ziel erreicht haben. (Text-Stand: 21.11.2021)

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Reihe

ZDF

Mit Stefanie Stappenbeck, Florian Martens, Matthi Faust, André M. Hennicke, Hans-Uwe Bauer, Annika Kuhl, Arnfried Lerche, Sarina Radomski, Jaecki Schwarz, Thomas Schmuckert, Thomas Lawinky, Friderikke-Maria Hörbe, Eva Sixt

Kamera: Wolf Siegelmann

Szenenbild: Myriande Heller, Miodrag Nerandzic

Kostüm: Anneke Troost

Schnitt: Verena Neumann

Musik: Ludwig Eckmann

Soundtrack: Puhdys („Wenn ein Mensch lebt“, „Alt wie ein Baum“), Opus („Live Is Life“), Gundermann & Seilschaft („Leine los“)

Redaktion: Matthias Pfeifer, Günther van Endert

Produktionsfirma: UFA Fiction

Produktion: Lena Kraeber, Simon Müller-Elmau

Drehbuch: Leo P. Ard

Regie: Ulrich Zrenner

Quote: 6,61 Mio. Zuschauer (22,5% MA)

EA: 27.11.2021 20:15 Uhr | ZDF

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach