Manchmal steht man vor einem Apfelbaum, kommt aber nicht an die Äpfel ran. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Man kann warten, bis eine Frucht herunterfällt; oder man kann den Baum packen und kräftig schütteln. Der von Florian Martens seit 14 Jahren unnachahmlich verkörperte Otto Garber nutzt dieses Bild, um seinen Unmut zu dokumentieren: Kollegin Verena (Maja Maranow) ist in Prag von skrupellosen Gangstern entführt worden, aber die Kollegen von der tschechischen Polizei scheinen keinen Finger rühren zu wollen. Thorsten Näter hat das Drehbuch zu diesem Film geschrieben, und weil es der vierzigste Fall des „Starken Teams“ ist, durfte er als Regisseur ein bisschen mehr Geld ausgeben als sonst. Deshalb gilt Ottos Gleichnis auch für die Inszenierung: Näter hatte offensichtlich keine Lust zu warten, bis ihm der Apfel in den Schoß fiel, und lieber kräftig Gas gegeben. Der Krimi beginnt daher mit einer auch noch in Zeitlupe gefilmten Ballerei, die fast wie eine (wenn auch etwas unbeholfene) Hommage an die Western von Sam Peckinpah („The Wild Bunch“) wirkt.
Das Massaker ist Auftakt zu einem Werk, dem in beinahe jeder Einstellung das Bemühen um ein Ausrufzeichen anzusehen ist. Zum Jubiläum wollten Redaktion und Produktion anscheinend eine andere Farbe in die Samstagskrimis bringen. Der Schuss geht allerdings nach hinten los. Beziehen die Geschichten über die Berliner Ermittler ihren Reiz in der Regel aus sorgfältigen Drehbüchern, in denen gerade der Zwischenton die Musik macht, so gerät Näters Film zu einer Räuberpistole über den illegalen internationalen Kunsthandel, in der für Zwischentöne weder Platz noch Zeit ist: Nach dem Gemetzel im böhmisch-mährischen Spezialitätenrestaurant des Ex-Kollegen Sputnik (Schwarz), in dessen Verlauf Team-Chef Reddemann (Lerche) schwer verletzt wird, führt die Spur nach Prag. Otto hat einen der Killer demaskiert. Der Mann (Lott) ist rasch gefasst, kann aber dank eines Maulwurfs in den Reihen der Prager Polizei wieder entwischen. Als die Gangster bei der Gelegenheit auch Verena kidnappen, beginnt Otto, den Baum zu schütteln. Herunter purzelt nicht nur ein Mitglied der tschechischen High-Society, sondern auch Logik, Plausibilität und Sorgfalt (wie von Geisterhand hat sich Ottos wütend weggeworfene Strickmütze um drei Meter über den Boden des Polizeireviers bewegt). Es passt daher ins Bild, dass die Polizisten beim Finale plötzlich mit leeren Magazinen dastehen; der Film hat sein Pulver bis dahin längst verschossen.
Man kann’s auch anders sehen: „Die plakative deutsche Beamtenüberheblichkeit gegenüber den Prager Kollegen nervt, aber sonst ist der 40. Fall der Berliner Ermittler kurzweilig, packend und angenehm verzwickt.“ (TV-Spielfilm)
Wenn man dem Geschehen zwar immer wieder kopfschüttelnd, aber trotzdem einigermaßen gefesselt folgt, liegt das in erster Linie an den (lieb gewonnenen) deutschen Darstellern. Die Tschechen hingegen beeindrucken vor allem durch ein zwar mit schwerem Akzent, aber grammatisch vorbildliches Deutsch, das sie mitunter auch untereinander sprechen. Das ergibt zwar keinen Sinn, aber vielleicht wollte man den Zuschauern nicht dauernd Untertitel zumuten. Freundlicherweise finden viele Gespräche unter freiem Himmel statt, so dass sämtliche Prager Sehenswürdigkeiten zur Geltung kommen. Schade nur, dass man viel früher als die Ermittler ahnt, wer der Maulwurf ist.