Mit den Berliner Krimis von „Ein starkes Team“ hat das ZDF Mitte der Neunziger das Genre „Crime-Comedy“ etabliert. Immer wieder kombinieren die Geschichten ernste Fälle mit den heiteren Momenten menschlichen Miteinanders, weil die Bücher gern die kleinen und großen Schwächen der Mitglieder des Teams aufspießen. Dieses Element spielt auch in „Hungrige Seelen“ eine Rolle, doch der Grundton des Films ist ungewohnt düster. Der Fall bleibt zwar stets präsent, aber im Grunde ist Katrin Bühligs Geschichte eine Moritat über großstädtische Einsamkeit. Gleich zu Beginn wird in einer Unterführung der Tod eines Obdachlosen entdeckt. Der Mann hat stundenlang tot da gesessen, Tausende sind achtlos an ihm vorübergegangen.
Prototypisch für die Gesamtstimmung ist Klaus Wagner (Kreye), ein Mann, der einst seine Frau im Affekt ermordete und nach der verbüßten Haft nur noch vor sich hin vegetiert. Arbeit findet er nicht, seine Kinder wollen nichts mehr von ihm wissen, und für alles andere fehlt ihm das Geld. Otto, diesmal ohnehin mit Grabesmiene, sieht Wagner als Spiegel seiner eigenen Zukunft. Trotzdem ist der Mann erst mal der Hauptverdächtige, als eine hübsche Studentin erschlagen in einer Grünfläche gefunden wird. Die junge Frau hatte ein reges Sexualleben, aber auch im Auftrag einer caritativen Organisation ein Mal pro Woche Wagner besucht. Der kommt für Otto als Täter zwar nicht in Frage, steht jedoch ebenso auf der Liste wie ein Student (Hesse), der der Toten offenbar obsessiv nachgestellt hat. Tatsächlich findet sich sein Sperma an ihrem Körper. Aber auch die Spuren eines zweiten Mannes: Physiotherapeut Buchholz (Besson) hatte anscheinend ein Verhältnis mit ihr; und seine Frau (Simon) wusste nicht nur davon, sondern ist angeblich auch in der Nähe des Tatorts gesehen worden.
Markus Imboden inszeniert den Krimi völlig unspektakulär und ohne den Hauch einer Abschweifung. Selbst der Comedy-Strang aus dem jüngsten Etablissement von Sputnik unterstreicht das Leitmotiv: Der Ex-Kollege hat eine Kneipe mit Hinterzimmer aufgemacht, in der sich einsame Herzen regelmäßig zur „Kuschelparty“ treffen. Aller von Sputnik beschworenen „emotionalen Bereicherung“ und der intimen Nähe zur Kollegin zum Trotz: Da geht der schlichte Otto schon instinktiv auf Distanz. Das ist ebenso erheiternd wie Ottos Gereiztheit, wenn Mitmenschen wie etwa der Rechtsmediziner über böhmische Dörfer reden. Ansonsten aber dominiert Tristesse. Sämtliche handelnden Personen fristen eine bemitleidenswerte Existenz; Wagners Freitod ist da nur konsequent. Ein ungewöhnlicher, aber nicht nur aus diesem Grund sehenswerter Beitrag zur Krimireihe. (Text-Stand: 19.1.2008)