Ein starkes Team – Erntedank

Florian Martens, Stefanie Stappenbeck, Rotter, Grieser. Zum Jubiläum gehobener Durchschnitt

Foto: ZDF / Katrin Knoke
Foto Tilmann P. Gangloff

Seine Bitte ist erhört worden: Angesichts zu vieler Revierszenen hat sich Florian Martens in den letzten Folgen des ZDF-Klassikers „Ein starkes Team“ (UFA Fiction) unterfordert gefühlt. Zum Jubiläum der im März 1994 gestarteten Reihe darf sich Otto Garber endlich wieder unters Volk mischen: Nach dem Mord am Vorsitzenden eines Kleingartenvereins soll der Kommissar verdeckt ermitteln. „Erntedank” ist Episode 78 des Dauerbrenners und wirkt mitunter wie eine Verbeugung vor Martens, dem letzten verbliebenen Darsteller aus der Anfangszeit. Aber selbst wenn viele Dialoge großen Spaß machen: Gerade in den Ensemble-Szenen hat Regisseur Grieser zu wenig aus dem Potenzial der Gastdarsteller gemacht.

Es ist nicht überliefert, wie Florian Martens nach der Lektüre des Drehbuchs reagiert hat, aber vermutlich hat er sich in diesem Moment sehr auf die Dreharbeiten zur 78. Episode des ZDF-Dauerbrenners „Ein starkes Team“ gefreut. „Erntedank“ ist ein Jubiläumsfilm, die Reihe ist im März 1994 gestartet, weshalb sich gewisse Vergleiche zu den Anfangsjahren aufdrängen. Damals, als „Political correctness“ hierzulande in jeder Hinsicht noch ein Fremdwort war, durfte Martens seinen Kommissar Otto Garber als Rohdiamanten verkörpern, der seine Zigaretten, wie sich der Schauspieler erinnert, „beim Vietnamesen unter der Brücke gekauft und im Verhör auch mal zugeschlagen hat, wenn ihm der Kragen geplatzt ist.“ Im Lauf der Jahre habe die Figur immer mehr Ecken und Kanten verloren. In „Erntedank“ ist wieder alte Otto unterwegs, rauchend und saufend, und das sogar auf Spesen, denn das Drehbuch (Johannes Rotter) schickt ihn als Undercover-Ermittler unter die Schrebergärtner.

Ein starkes Team – ErntedankFoto: ZDF / Katrin Knoke
Katrin (Samia Chancrin) und Eva (Pina Kühr) – das Ehepaar verhält sich gegenüber der Polizei merkwürdig.

Schon Garbers erste Szene wirkt, als hätten Produktion und Redaktion Martens anlässlich des Jubiläums etwas Gutes tun wollen: Der Kommissar hat Urlaub, ist beim Angeln und darf ein paar amüsante Slapstickeinlagen zum Besten geben. Die Idylle endet abrupt, als das Telefon klingelt: Ein ehemaliger Kollege ist ermordet worden. Albert Kramm, schon früher als Stinkstiefel und Kollegenschreck verschrien, hat offenbar auch als Rentner weiter den Blockwart gegeben und seinen Kleingartenverein Berolina als Vorsitzender mit harter Hand geführt. Wer gegen die Regeln verstieß, musste eine saftige Zwangsspende entrichten. Die Konstellation erinnert an Folge 72, die in einer Vorortsiedlung spielte, und auch der Titel „Wespennest“ würde wieder passen: Der Schauplatz ist übersichtlich, weshalb die Zahl der Verdächtigen überschaubar ist, und da fast alle Beteiligten etwas zu verheimlichen haben, tun sich hinter der idyllischen Fassade alsbald Abgründe auf; alle Vereinsmitglieder hatten gute Gründe, sauer auf Kramm zu sein, zumal der Mann offenbar auch vor Erpressung nicht zurückschreckte. Weil die Schrebergärtner eine verschworene Gemeinschaft sind, hat Teamchef Reddemann (Arnfried Lerche) die Idee, Garber verdeckt ermitteln zu lassen, was dem Film gut tut: Es gibt nicht mehr ganz so viele Revierszenen, und Martens hat eine Menge Spielmaterial. Das reicht zwar noch nicht, um aus „Erntedank“ eine innerhalb der Reihe überdurchschnittlich gute Episode zu machen, sorgt aber für eine gewisse Kurzweiligkeit.

Das Drehbuch stammt von Johannes Rotter. Der Autor hat zuletzt einen guten Kölner „Tatort“ („Mitgehangen“, 2018) und zuvor unter anderem die Sozialkomödie „Wir sind die Rosinskis“ (2016, mit den Thalbachs) geschrieben. Für sein Drama „Kehrtwende“ (2011) ist er mit dem Robert Geisendörfer Preis ausgezeichnet worden. Die Familientragödie handelte von einem beliebten Lehrer, der zu Hause regelmäßig die Beherrschung verliert. Dieses Thema greift Rotter auch diesmal wieder auf, allerdings zunächst sehr subtil und nur anhand feiner Nuancen erkennbar, weshalb die Geschichte ansonsten dem erwartbaren Krimimuster folgt: Anfangs vergießen die Laubenpieper viele Krokodilstränen, aber dann kommt Garber nach und nach deren Geheimnissen auf die Schliche. Auf diese Weise wird jeder mal zum Hauptverdächtigen, allen voran der Sohn des Opfers (Sebastian Hülk). Der ist nach einem Einbruch vom eigenen Vater verhaftet und kürzlich aus dem Gefängnis entlassen worden.

Ein starkes Team – ErntedankFoto: ZDF / Katrin Knoke
Ein Mann mit einem angespannten Nervenkostüm, der immer wieder zuschlägt. Kai Scheve und Laura de Boer

Johannes Grieser hat neben rund einem Dutzend Folgen des „Starken Teams“ zuletzt unter anderem „Die Guten und die Bösen“ aus der ZDF-Reihe „Unter Verdacht“ gedreht, aber trotz seiner ansehnlichen Krimi-Erfahrung kommt selbst bei einer kurzen Verfolgungsjagd kaum Spannung auf. Angesichts des konventionellen Stils wirken die seltenen optischen Effekte wie etwa ein in Zeitlupe herabfallender Teller prompt aufgesetzt. Größeres Manko ist jedoch die Arbeit mit den Schauspielern. Obwohl einige der Episodengäste durchaus namhaft sind (Kukulies, Scheve, de Boer, Lodyga), sind die Kleingärtner typische Krimi-Nebenfiguren ohne nennenswerte Tiefe. Gerade in den Ensembleszenen passiert außerdem zwischen den Figuren viel zu wenig. Umso schöner sind einige auf verblüffende und sympathische Weise humorvolle Dialoge. Die komischen Momente sind Grieser ohnehin sehr gut gelungen.

Sehenswert ist „Erntedank“ daher vor allem wegen Martens, der das große Spektrum seiner Rolle sichtlich auskostet. Es wird kein Zufall sein, dass ihm auch der witzige Schluss gewidmet ist: Das liebevoll mit einer musikalischen Anlehnung an das berühmte Motiv aus „Der weiße Hai“ unterlegte Angelerlebnis wirkt wie ein Dankeschön an den letzten verbliebenen Darsteller aus der Anfangszeit der Reihe. Abgesehen davon vermittelt Martens gerade in den Schrebergartenszenen, wie sehr Garber hier in seinem Element ist, wenn auch nicht des Gärtnerns wegen, denn das misslingt ihm gründlich; ein frisch gepflanzter Baum kippt um wie vom Blitz getroffen. Es gibt nicht mehr viele Schauspieler, die den sogenannten kleinen Mann ähnlich glaubwürdig verkörpern können wie der Berliner, der in der Schrebergartenkolonie prompt authentischer wirkt als die anderen Kleingartendarsteller. Das gilt erst recht für ultrakurze Dialoge wie diesen: „Bier?“ „Immer.“ (Text-Stand: 6.3.2019)

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Reihe

ZDF

Mit Florian Martens, Stefanie Stappenbeck, Matthi Faust, Ronald Kukulies, Arnfried Lerche, Kai Scheve, Laura de Boer, Sebastian Hülk, Karolina Lodyga, Eva Sixt, Jaecki Schwarz, Michael Reim

Kamera: Aljoscha Hennig

Szenenbild: Myriande Heller

Kostüm: Anneke Troost

Schnitt: Simone Klier

Musik: Jens Langbein, Robert Schulte Hemming.

Soundtrack: Steve Fister („You Can’t Always Get What You Want“)

Redaktion: Günther van Endert

Produktionsfirma: UFA Fiction

Produktion: Lena Kraeber

Drehbuch: Johannes Rotter

Regie: Johannes Grieser

Quote: 7,04 Mio. Zuschauer (23,5% MA); Wh. (2022): 3,60 Mio. (16,4% MA)

EA: 16.03.2019 20:15 Uhr | ZDF

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