In einem Interview hat Florian Martens kürzlich bemängelt, dass beim „Starken Team“ früher „mehr los“ gewesen sei: „In letzter Zeit gibt es zu viele Szenen mit vier Beamten in ihrer Dienststube, die sich gegenseitig über den Stand der Ermittlungen informieren.“ Das mag eine Frage der Kosten sein, denn eine Vernehmung ist preiswerter zu inszenieren als eine Verfolgungs-Jagd, aber wenn Martens feststellt, dass die Filme heute anders als in den Anfangsjahren „ein bisschen glattgebügelt wirken“, gilt die Kritik auch der Redaktion. Einige Episoden hatten zuletzt über acht Millionen Zuschauer, und der Hauptdarsteller, dank des manchmal mürrischen, aber dennoch liebenswerten Hauptkommissars Otto Garber sicherlich einer der populärsten Berliner, hat das Gefühl, „der Sender möchte jetzt am liebsten die schöne Quote pflegen und kein Risiko eingehen.“
„Eiskalt“ ist die 77. Folge des Dauerbrenners. Das Drehbuch stammt von Jürgen Pomorin, der unter seinem Autorenpseudonym Leo P. Ard bereits rund dreißig mal für die Reihe gearbeitet hat. Das hat zwar den Vorteil, dass er die Figuren in- und auswendig kennt, aber wenn sich Martens darüber beschwert, dass sein Otto zu brav geworden sei, ist dies ein deutlicher Hinweis auf die Stagnation der Rolle. Die einstige Kantigkeit des Polizisten, der einem Verdächtigen auch schon mal an den Kragen ging, wenn ihm der eigene platzte, äußert sich im Grunde nur noch in gelegentlichen Zigaretten. Immerhin macht sich Pomorin zunutze, dass Garber etwas eigenbrötlerisch ist, denn der Film handelt von der Einsamkeit alter Menschen in der Großstadt, deren Verschwinden mitunter monatelang niemandem auffällt. Deshalb spielt auch der sogenannte Enkeltrick eine zentrale Rolle: Ein Mann ruft bei Senioren an und gibt sich als Enkel aus, der dringend Geld braucht, weil ihm Schuldeneintreiber im Nacken sitzen. Natürlich kann er die Summe nicht persönlich in Empfang nehmen, sonst flöge der Schwindel ja auf, deshalb schickt er zur Übergabe einen Freund. Garber und Kollegin Wachow (Stefanie Stappenbeck) kommen einem dieser Betrüger auf die Schliche, als sie einen Mörder suchen: Ein Rentner ist von seinem Balkon in die Tiefe gestürzt. Auch ohne die Fasern in seinen Atemwegen wüsste die Polizei, dass der Mann nicht freiwillig in den Tod gesprungen ist, denn auf einem zufälligen Smartphone-Video ist der Schein einer Taschenlampe in der Wohnung zu sehen. Das Opfer, ein aus der Bahn geworfener früherer Busfahrer, war ein notorischer Denunziant, der viele Feinde hatte. In seiner Wohnung entdecken die Ermittler eine ganze Wand voll mit Fotos und Beschuldigungen. Eins der Bilder zeigt einen alten Nachbarn und den Enkeltrickbetrüger Schäfer (Johannes Klaußner).
Foto: ZDF / Katrin Knoke
Natürlich hat das von Regisseur Jörg Lühdorff bearbeitete Drehbuch noch andere Verdächtige zu bieten, darunter einen weiteren Busfahrer (Oliver Bröcker), der dem Opfer eine Droh-Mail geschrieben hat, weil der Mann auch seine Kollegen angeschwärzt hat, aber dieser Nebenstrang ist früh als obligate Sackgasse erkennbar, und der Betrüger entpuppt sich als positiver Kollateralschaden. Eine viel interessantere Figur ist ohnehin eine rothaarige Nachbarin (Marleen Lohse), die ein großes Herz für die alten Menschen in dem Mietshaus hat. Ebenfalls zu den Guten gehört allem Anschein nach ein Mann (Florian Lukas), der die Rentner mit Essen auf Rädern versorgt und die Polizei überhaupt erst auf Schäfer aufmerksam gemacht hat. Während sich die Geschichte also mehr oder weniger am üblichen Schema orientiert, ist der Umsetzung anzumerken, dass Lühdorff keinen Krimi von der Stange wollte. Die Filmografie des Regisseurs ist vergleichsweise überschaubar, aber sie deckt ein bemerkenswertes Spektrum ab. Dazu zählen: der Horrorfilm „Ratten – Sie werden dich kriegen!“ (ProSieben 2001) plus Fortsetzung (2004), ein Krimi im Stil der Edgar-Wallace-Klassiker („Der Wannsee-Mörder“, Sat 1 2002), ein Medizin-Thriller („Die Pathologin“, ProSieben 2006), die düstere Doku-Fiction „2030 – Aufstand der Alten“ (ZDF 2007) plus Fortsetzung („Aufstand der Jungen“, 2011), ein Katastrophenfilm („Die Jahrhundertlawine“, RTL 2009) sowie einige wenige Reihenkrimis. Diese Werke mögen Lühdorff kein eigenes Kapitel in der Fernsehgeschichte bescheren, aber sehenswert waren sie auf ihre Weise alle.
Das gilt auch für „Eiskalt“, nach „Vergiftet“ (2017) die zweite Arbeit des Regisseurs für „Ein starkes Team“. Der Film bringt alles mit, was man von einem soliden Samstagskrimi erwarten darf. Aber Lühdorff muss eben auch die Erwartungen erfüllen, und dazu zählen unter anderem die kleinen Geplänkel zwischen Garber und seinem Freund Sputnik (Jaecki Schwarz), der diesmal in Sachen Herrenoberbekleidung unterwegs ist und Abteilungsleiter Reddemann (Arnfried Lerche) mit allerlei ausgefallenen Sakkos ausstattet; der Teamchef möchte sich gern zum bestgekleideten Polizisten der Stadt wählen lassen. Der Wettbewerb hat mit der Krimi-Ebene rein gar nichts zu tun und soll für die obligaten Schmunzler sorgen, wirkt aber bloß wie ein Vorwand, damit Schwarz und Lerche was zu tun haben. Viel amüsanter sind die kleinen Scharmützel zwischen Garber und Teampartner Klöckner (Matthi Faust), der dem älteren Kollegen unterstellt, er halte „Server“ für einen kalifornischen Wassersportler. Sympathisch sind auch die beiläufigen Dialoge zwischen Garber und Wachow, die nur vor dem Hintergrund ihrer ostdeutschen Vergangenheit zu verstehen sind. Als Kapiteltrenner nutzt Lühdorff ein bisschen zu oft Kameraflüge über die Dächer von Berlin, aber zum Ausgleich für die von Martens angesprochenen und anscheinend unvermeidlichen Informationsdialoge im Revier gibt es zwei Verfolgungsjagden sowie ein flott und clever geschnittenes fesselndes Finale. Jetzt ist endlich auch die Dramatik auf der Tonspur angebracht. Oli Biehler hat zwar eine interessante und aus dem Rahmen fallende Filmmusik komponiert, aber manchmal wirkt sie ähnlich „overdressed“ wie Reddemann. Die Schlussszene schließlich ist der unausgesprochene Appell ans Publikum, sich mehr um Freunde, Nachbarn und Kollegen zu kümmern.