Zwei Frauen, wie sie unterschiedlicher nicht sein können, verschlägt es nach Apulien. Die quirlige Mittdreißigerin Billie (Hanna Plaß) möchte ihre Cousine Ariane (Sarah Mahita Giese) bei ihrem neuen Reise-Influencer-Projekt unterstützen, die reife Hella (Corinna Kirchhoff), ebenso klug wie lebenshungrig, möchte eine alte Jugendliebe wiedersehen. Möglicherweise eine spätromantische Schnapsidee, aber besser, als sich von einer Verwandten ausbeuten zu lassen und vor lauter Arbeit das Leben zu verpassen, findet Hella. Billie ist indes ganz in ihrem Element. Mit dem Fotografen Raffaele (Jonathan Hutter) bereitet sie den Reiseblog vor, sucht attraktive Locations, modelt beim Foto-Shooting und muss zur Vorbereitung einer Schwimmwanderung sogar noch ihre Meer-Phobie „behandeln“ lassen. Dabei kommt ihr Rettungsschwimmer und Barkeeper Mateo (Valmir Krasniqi) näher als ihr lieb ist. Auch Raffale weiß Billie bald nicht nur als Kollegin, sondern auch als Frau zu schätzen. Innerhalb von 24 Stunden küsst sie beide Männer. Dennoch gilt für Billie weiterhin: An erster Stelle kommt die Arbeit. „Süßes Nichtstun“ ist hingegen Hellas Devise. Jugendliebe Angelo kann ihr dabei nicht mehr Gesellschaft leisten, dafür dessen Schwester Sophia (Teresa Harder), eine Fischerin mit poetischer Ader und dem Traum vom letzten großen Abenteuer.
Der Sonntagsfilm im ZDF hat seit Jahren feste Regeln. Traditionsreiche Labels wie „Inga Lindström“ und „Rosamunde Pilcher“ befolgen diese eisern, zeitgemäßere Varianten wie das ewige „Herzkino“-Highlight „Ella Schön“, „Dr. Nice“, „Familie Anders“ oder „Mit Herz und Holly“ erzählen etwas andere Geschichten. Die 45 „Ein Sommer“-Filme gehören zu den Reihen, die des Öfteren für eine positive Überraschung gut sind. Die „Verabredung mit dem Zuschauer“ unterliegt einem Wandel, so wie auch Kritiker-Urteile nicht immer zeitlos gültig sind: So wäre wohl vor zehn Jahren ein Film wie „Ein Sommer in Italien“ von mir noch gefeiert worden als ein Wohlfühlfilm, der die Möglichkeiten seines Sendeplatzes kreativ nutzt und im Rahmen des strengen „Herzkino“-Codes vieles richtig macht. Doch im Jahre 2025 ist ein Denken in Programmplätzen, dem sich auch viele t.tv-Kritiken verschrieben haben, nur noch bedingt sinnvoll. In Zeiten, in denen die fiktionalen (Konkurrenz-)Angebote dank der Streamer zunehmen, interessiert weniger, was der Film besser macht als andere eines Labels, sondern mehr: was er wirklich gut macht. Und so sind die letzten beiden „Ein Sommer“-Filme zwar abwechslungsreicher, diverser, auf- und abgeklärter als vergleichbare Produktionen vor zehn Jahren, doch die Qualität der deutschen Netflix-Produktion „Faraway“ beispielsweise, ein Film über eine wildromantische Liebe mit 50, von der sich die Macher offensichtlich haben inspirieren lassen, verfehlen „Ein Sommer an der Côte d’Azur“ und jetzt noch etwas deutlicher „Ein Sommer in Italien“.
Das ist schade, denn der Film von Stefanie Sycholt (Buch & Regie) hat immer wieder seine Momente, er ist gut und mit Corinna Kirchhoff dazu noch hochkarätig besetzt, hat einen ausgezeichneten Kameramann, der nicht nach Postkartenansichten giert, sondern dessen Fokus stets auf die Charaktere gerichtet ist. Und der Film ist in seiner Gesamtheit gut anzuschauen, was an den Reizen Apuliens und auch an der flüssigen Montage liegt. Und die Art und Weise, wie in diesem Film gesprochen und miteinander umgegangen wird, verliert seine urlaubsgemäße Leichtigkeit nur selten. Während allerdings bei Billie mit ihren Schmetterlingen im Bauch irgendwann der Verstand aussetzt, fungieren Kirchhoffs Hella und später auch Teresa Herders Sophia als Ruhepole, die den Aktionismus und den küchenpsychologisch untermauerten Altruismus („Kann ich irgendetwas für dich tun?“) der etwas verwirrten jungen Frau ausbremsen – und so die Geschichte ins Gleichgewicht bringen. Dass das Rennen zwischen Männern um die Gunst der Heldin absolut offenbleibt, ist ein großer Pluspunkt des Romanzen-Plots. So passend die vom Helfersyndrom befallene Hauptfigur auch mit Hanna Plaß besetzt ist, mit der Zeit kann einem diese Billie ganz schön auf die Nerven gehen. Da kann das vergnügte Augenspiel noch so sympathisch sein. Schön, dass es die lebenserfahrene Freundin früh ansprechen darf: „Du bist ein wandelndes Klischee; Frauen in ihren frühen Dreißigern, die helfen einfach ständig.“ Über das Helfersyndrom und die Unfähigkeit, nein zu sagen, wird auf der Zielgeraden noch ausführlich gesprochen. Doch bis dahin ist es ein langer Weg. Klar, eine Filmromanze ist etwas anderes als die Liebe im wahren Leben: Doch mit mehr Selbstreflexion, weniger Blauäugigkeit und überdeutlich ausgestellten Verhaltensweisen ließen sich psychologisch nuancierte Geschichten erzählen, anstatt die immergleichen offenen Türen einzurennen.
Die erwachsene (Liebes-)Geschichte hat deutlich mehr Klasse, weil die Figuren Stil besitzen und ein schönes Understatement an den Tag legen. Trotz ihrer Lebenserfahrung, die eine gewisse kontrollierte Gefühlspolitik mit sich bringt, vermitteln sich in den Szenen von Kirchhoff und Harder Gefühle spürbarer als in den Zweier-Szenen der jungen Paare. Dies mag am unentschlossen Liebesgeplänkel und der amourösen Unerfahrenheit der Heldin liegen, hat aber auch etwas zu tun mit der Präsenz der beiden Damen und dem reizvollen Herb/weich-Kontrast. Doch ob jung oder alt – eine Regel sollte sich das „Herzkino“ besonders zu Herzen nehmen: Auch in einem leichten Unterhaltungsdrama bedarf es Charakteren, die sich glaubhaft auf der Höhe der Zeit bewegen. Mit einer Fülle an Zeitgeist-Themen ist man noch lange nicht zeitgemäß. Man muss nicht nur Geschichten mit anderen Werten und Haltungen erzählen, man muss sie endlich auch dramaturgisch anders erzählen. Und so macht „Ein Sommer in Italien“ (Apulien im Titel traut das ZDF seinen Zuschauer:innen offenbar nicht zu) im Januar mehr Lust auf Sommer, auf das nächste ernsthafte Drama mit Corinna Kirchhoff und weniger auf die nächsten TV-Romanzen am Sonntagabend.
Eine Antwort
Ich stimme zu, dass Hellas Handlungsstrang interessanter war und ich hätte es vorgezogen, wenn sie die Hauptfigur gewesen wäre. Die jüngere Schauspielerin ist zwar bezaubernd, die Handlung mit den beiden Verehrern jedoch, nun ja, etwas aufgesetzt. Und diese schreckliche Cousine, hahaha. Insgesamt ein netter Film, so 3/5