Jette Krogmann folgt den Spuren ihrer Großtante Rosalie, die 1949 mit 300 anderen jungen Frauen nach Island auswanderte, das kalte Nachkriegsdeutschland hinter sich lassend. Obwohl sie hier offenbar die Liebe ihres Lebens fand, ging sie bald wieder zurück in ihre Heimat. Ihr letzter Wunsch war es, wenigstens nach ihrem Tod an ihren lebenslangen Sehnsuchtsort zurückzukehren. Die Asche im Gepäck macht sich Jette auf, einen geeigneten Ort für Rosalies sterbliche Überreste zu finden. Auch sie ist bald fasziniert von dieser Insel mit den schlafenden Vulkanen und der rauen Vegetation und sie ist auch angetan von den Menschen hier, die allesamt ein angenehm individuelles Leben führen: da ist Freya, die freiheitsliebende Tochter von Harkon, eben jener Jugendliebe der Großtante; da ist Alrún, die etwas versponnene Elfenbeauftragte, die auch gut mit Trollen kann; und da ist Andri, ein junger Popmusiker und Tour-Guide, der offensichtlich mehr als nur ein Auge auf sie geworfen hat. Sie alle helfen der Deutschen bei der Mission in Sachen Großtantes Asche.
Foto: ZDF / Arnaldur Halldórsson
Endlich hält der Zeitgeist auch Einzug ins TV-Gefühlsgenre, das bislang resistenter war gegenüber ästhetischer Neuerungen als andere Filmgattungen. Es muss nicht immer die einzige und größte Liebe sein, die in Filmen angestrebt wird. Das hat sich – „Rosamunde Pilcher“ und „Inga Lindström“ zum Trotz – sogar bis ins ZDF-„Herzkino“ herumgesprochen. Die lose Kulturromanzen-aus-aller-Welt-Reihe „Ein Sommer in…“ hat am Sonntagabend den innovativen Schub bislang narrativ & filmsprachlich am besten umgesetzt. „Ein Sommer in Island“ gehört vom visuell-dramaturgischen Konzept zu den interessantesten Filmen der Reihe. So wie die Landschaft lebt, die wie selbstverständlich von der Kamera eingefangen wird, so besitzen auch die Figuren ein gewisses Eigenleben jenseits der Romantik-Standards. Stimmung kommt vor Story, Relaxtheit vor Dramatik, Toleranz vor Konflikt, Verliebtheit und Leidenschaft vor lebenslanger Liebe. Und so wirkt denn dieses modern fotografierte, sinnlich montierte und musikalisch untermalte „Herzkino“-Stück in seinen beschaulichen Sequenzen wie eine Art Kulturfilm mit Videoclip-Anleihen. Das passt zum Pulsschlag der Charaktere, zur 40jährigen Heldin, die sich geradezu staunend, mit großen Augen „einsieht“ in diese fremde, magische Welt der Elfen, Trolle und Geysire, oder zum Soundbastler-Jungspund, für den alles im Leben leicht & happy ist. Und das passt zum Electro-Dreampop, der unaufdringlich die Landschaftsbilder des Films, der mehr Road-Movie als Selbstfindungsmär ist, durchströmt.
Die Motive der Handlung werden entsprechend angeschlagen wie Töne. Was die Geschichte angeht, das Korrespondieren zwischen Gestern und Heute – auch da lebt der Film mehr vom atmosphärischen Nachhall als vom Crescendo der großen Themen. Melodramatisch ist so gut wie nichts an diesem Film von Komödien-Experte Sven Bohse („16 über Nacht“) nach dem Drehbuch von Kerstin Cantz und Gregor Edelmann. Da finden sich zwei Menschen einfach nur sympathisch, kommen sich näher und verlieben sich ineinander (vielleicht alles nur einen Sommer lang). Allein die Geschichte ihrer Vorfahren sorgt ein Stück weit für einen sinnhaften Subtext, der allerdings sehr beiläufig auf die Handlungsebene zurückgespiegelt wird. Keine bedeutungsschweren Worte etwa vom Erbe einer großen, unerfüllten Liebe. Nicht nur die Strukturierung des Films, auch sein Erlebnisgehalt hat etwas von einem Song.
Foto: ZDF / Arnaldur Halldórsson
„Ein Sommer in Island“ erzählt weniger von großen Gefühlen; es ist vielmehr ein Film, der sich fühlen lässt. Was nach 90 kurzweiligen Minuten hängen bleibt, ist denn auch weniger die Geschichte als solche (bemerkenswert ist allenfalls die fürs „Herzkino“-Verhältnisse etwas andere Erzählweise) als vielmehr besondere „Ingredienzien“. Da ist eine gefühlte „Authentizität“, die die drei Hauptfiguren und ihre Schauspieler (Heike Trinker hat ja schon Stumphs Stubbe eindrucksvoll den Kopf verdreht) in diesem angenehm undramatischen Film an den Tag legen. Hübsch das augenzwinkernde, zumindest für das starke Trio nie aufdringliche Spiel mit dem Motiv „Island ist ein Dorf“ oder wie es eine Figur ausdrückt: „auf Island trifft man sich immer zweimal“ – mindestens. Und wie sich die allgemeine Beiläufigkeit auch in den Dialogen vermittelt – das hat schon was! Die emotional-narrative Kamera, die mal die absolute Nähe (Gesichter in verführerischen Großaufnahmen), mal die Island-like Weite und fast immer etwas optisch Reizvolles ins Blickfeld rückt, ist das ästhetische Herzstück des Films. Ihr menschlicher Gegenpart ist Hauptdarstellerin Catherine Bode („Liebe am Fjord – Abschied von Hannah“), deren Augen wie gemacht sind für eindeutig vieldeutige Blicke, für ein hinreißendes Lächeln und für Sympathiepunkte beim Zuschauer. Fazit: „Ein Sommer in Island“ – das ist ZDF-„Herzkino“ zum Hingucken! (Text-Stand: 15.9.2014)