Ein Sommer auf Malta

Katharina Nesytowa, Epp, Bauder, Annette Ernst. Fiction-Version von "Wunderschön"

Foto: ZDF / Frank Dicks
Foto Rainer Tittelbach

Gleicht man „Ein Sommer auf Malta“ (U5 Filmproduktion) mit den 42 bisherigen Episoden dieser Urlaubsfilm-Reihe und dem Ursprungs-„Herzkino“-Code ab, fällt auf, dass es angenehme Verschiebungen bei den Erzählungen gibt. Auch die dramaturgischen Muster und vor allem die Geschlechterrollen sind einen Tick „realistischer“ geworden. So spielt die romantische Liebe in dem leichten Drama von Annette Ernst (Regie) und Jens Urban (Autor) nicht mehr die Hautrolle. Den Film gleich unter „Frauenfilm“ firmieren zu lassen, ist vom ZDF allerdings ein bisschen dreist. Immerhin, was Charakter-Signatur und Lebenslust angeht, befindet sich der luftige 90-Minüter, der Lust auf mediterranen Flair macht, zumindest auf dem Niveau von „Sex and the City“ anno 2000. Auch Katharina Nesytowa, die in jeder Art von Rolle überzeugt, passt bestens zur Schönheit des südländischen Ambientes.

Malta ist immer eine Reise wert, doch die Wahlhamburgerin Franka (Katharina Nesytowa) ist nicht zum Vergnügen hier. Im Auftrag eines international erfolgreichen Sprachschule muss sie bei nationalen Ablegern in aller Welt nach dem Rechten sehen. Die Sprachschule in Valletta ist ein besonderer Problemfall, da Schulleiter John (Michael Epp) auf unkonventionelle Unterrichtsmethoden setzt, die der konservativen Sprachlern-Philosophie von „Talk to me“ so gar nicht entspricht. Der umtriebige Engländer, der das Lernen einer Sprache alltagsnah vermitteln möchte, in der mediterranen Natur, bei einer Schifffahrt oder der Arbeit in einer maltesischen Traditions-Manufaktur, gelobt nach einer ersten Abmahnung Besserung. Doch John kann nicht über seinen Schatten springen. Ein harter Brocken ist auch Till (Eugen Bauder), Handwerker und Weltenbummler, der auf Malta hängengeblieben ist. Trotz Frankas Reserviertheit baggert er sie weiter an – und hat damit sogar Erfolg. Denn so sehr diese Frau im Berufsleben auch alles unter Kontrolle hat, privat gibt es bei ihr viele Baustellen. Da kann ein erotisches Abenteuer auf Malta nicht schaden. Frauenversteher Till möchte jedoch mehr.

Attraktive Menschen schöne und lustvolle Dinge tun zu lassen, sie vor reizvoller Landschaft oder in einem interessanten, markanten Milieu mit Konflikten, Problemlagen und vor allem privaten Befindlichkeiten zu konfrontieren, die sich – auch wenn sie durchaus von existenzieller Tragweite sein können – in 90 Filmminuten meistern lassen: Das ist die narrativ-dramaturgische Grundstruktur der „Ein Sommer“-Filme, die schon Anfang der 2010er Jahre immer ein bisschen frecher, zeitgeistiger, cooler besetzt und beziehungstechnisch relevanter waren als das, was sonst unter dem ZDF-„Herzkino“-Label lief. Gleicht man „Ein Sommer auf Malta“ mit den 42 bisherigen Episoden dieser Jahreszeiten-Urlaubsfilm-Reihe ab, fällt auf, dass es weiterhin angenehme, leichte Verschiebungen bei den Erzählungen gibt. Auch die dramaturgischen Muster und vor allem die Geschlechterrollen sind einen Tick „realistischer“ geworden. So spielt die romantische Liebe in dem Film von Annette Ernst (Regie) und Jens Urban (Autor) nicht mehr die Hautrolle. Sich bei einem Malta-Kurz-Tripp sexuell aus einem Beziehungstief zu befreien ist glaubwürdiger, als dort den „Mann fürs Leben“ zu finden. Der offenere Umgang mit Sex erzählt sich im Übrigen hier auch sehr gut, ohne dass man dabei als Zuschauer Augenzeige wird: Ein Feuerwerk über den Dächern von Malta kann neben dem erotischen sogar noch einen ironischen Verweis (auf Hitchcock) liefern.

Ein Sommer auf MaltaFoto: ZDF / Frank Dicks
Wenn das ZDF „Ein Sommer auf Malta“ schon als „Frauenfilm“ ankündigt, dann hätte man von dieser spontanen Frauenfreundschaft gern mehr gesehen. Erst im Schlussdrittel emanzipiert sich der Film. Claudia Kottal und Katharina Nesytowa

Der Plot wirkt wie fast immer sonntags im ZDF ein bisschen ausgedacht. Die Geschichte ist so konstruiert, damit die telegenen „Ein Sommer“-Ingredienzien abgerufen werden können. Dass John nicht Unterricht nach Vorschrift macht, sorgt genauso für die üblichen Sightseeing-Momente wie eine Motorroller-Fahrt mit erwartbaren Hindernissen. Den Freundinnen der stets luftigen Reihe werden diese Tricks möglicherweise auffallen, stören werden sie sich daran kaum. Vielleicht sollte man diese Sorte Filme als lockere Fiction-Versionen der Doku-Reihe „Wunderschön“ goutieren: Zurücklehnen, schauen, wenig denken, sich bestätigen lassen – so kann man sie durchaus auch rezipieren. Wobei „Ein Sommer auf Malta“ im Schlussdrittel alles das an Handlung und Konflikt nachholt, was Plot-fixierte Zuschauer möglicherweise in der ersten Stunde vermisst haben könnten. Das Pendel schlägt hin und her – frei nach dem Gänseblümchen-Prinzip: Er meint es ernst – er meint es nicht ernst – er meint es ernst… Und auch wenn das Ergebnis angenehm überrascht – an den Frauenbildern lässt sich noch feilen. Die Art von Frauensolidarität, die der männliche Autor der Hauptfigur Franka und ihren Schicksalsgenossinnen (Claudia Kottal und Anja Antonowicz) in Drehbuch geschrieben hat, ist – was Charakter-Signatur und Lebenslust angeht – zumindest schon mal auf dem Niveau von „Sex and the City“ anno 2000. Ein bisschen mehr davon hätte nicht geschadet.

Um diesen Film – frei von überzogenen narrativen Erwartungen – einfach nur sinnlich zu erfassen, als Objekt eines entspannten Zuschauer-Blicks, muss „Ein Sommer auf Malta“ natürlich die entsprechenden Oberflächenreize mitbringen. Und das gelingt diesem leichten „Herzkino“-Drama durchaus. Katharina Nesytowa, seit Dominik Grafs „Im Angesicht des Verbrechens“ viel beschäftigt und nicht nur in der Serie „Wir“ ganz ausgezeichnet, passt bestens zur Schönheit des südländischen Ambientes. Und Michael Epp („Souls“) sowie Eugen Bauder („Fucking Berlin“) sind zumindest zwei im Premium-TV noch nicht totgefilmten Schauspieler, die die Zuschauerinnen wohl auch nicht von der Bettkante schubsen würden. Hinzu kommt, dass ihre Figuren einen eigenwilligen Charme haben; der „Verlierer“ also nicht auf den ersten Blick feststeht, so wie es früher in den Nur-Romantic-Comedys am Sonntagabend fast immer der Fall war. Und soweit man es der Rohfassung ansehen und anhören kann, sorgen Kameraführung (Guntram Franke) und ein etwas angsoulter Pop-Soundtrack für Stimmungen, die zu den Charakteren passen und auch zu dieser erwachseneren Geschichte, in der unaufgeregt immer wieder von Lebensentwürfen die Rede ist.

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Reihe

ZDF

Mit Katharina Nesytowa, Michael Epp, Eugen Bauder, Adisat Sementisch, Ana-Carolina Kleine, Claudia Kottal, Anja Antonowicz

Kamera: Guntram Franke

Szenenbild: Anne Schlaich

Kostüm: Diana Dietrich

Schnitt: Anja Lüdge

Musik: Ulrich Reuter

Redaktion: Beate Bramstedt

Produktionsfirma: U5 Filmproduktion

Produktion: Katrin Haase

Drehbuch: Jens Urban

Regie: Annette Ernst

Quote: 4,31 Mio. Zuschauer (15,5% MA)

EA: 08.10.2023 20:20 Uhr | ZDF

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