„Männer wollen kein Match mit einer Frau, die 50 ist.“ Kristin (Karoline Eichhorn) will das nicht glauben. Die Kölner Buchhalterin hat mit ihrem Mann auch ihren Job verloren, steckt jedoch voller Tatendrang. In Nizza will sie das Leben auf sich zukommen lassen. Sexuell ist allerdings erst mal tote Hose. Kristins hochschwangere Freundin Sophie (Maxine Kazis) hat Recht mit ihrer Ü-50-These, was das erste Date, Michel Cross (Matthias Matschke), peinlich bestätigt. Nur bei dem Wort „Steuerkanzlei“ wird der gut situierte Seifenfabrikant hellhörig, ist ihm aus männlicher Sicht doch dasselbe passiert wie Kristin: Auch seine Buchhalterin war zugleich seine Frau. Weil Kristin ein anderer Job wegbricht und sie – einst das Au-Pairs-Mädchen von Sophie – keine Lust verspürt auf einen Job als Au-Pairs-Oma, nimmt sie Michels Angebot an, seine Buchführung in Ordnung zu bringen. Die Zeit, die die beiden in Michels traumhaftem Anwesen verbringen, wirkt Wunder: Es dauert nicht lange, bis der etwas hüftsteife Geschäftsmann diese unkomplizierte, stets gutgelaunte 51-Jährige „ganz schön toll“ findet. Dumm nur, dass ausgerechnet sein Sohn Julien (Max Befort) auch ein Auge auf Kristin geworfen hat. Oder will er seinen Vater, dessen pragmatische Weltanschauung er zutiefst verachtet, nur provozieren? Und was sagt Sophie dazu? Schließlich ist das Kind, das sie erwartet von Julien. Zwar sind die beiden kein Paar, wollen aber zusammen Eltern sein. Ein ganz schön verzwicktes Beziehungskuddelmuddel.
Foto: ZDF / Christiane Pausch
Den Zuschauer*innen dürfte es anders gehen als jenem Michel, der eine Weile braucht, bevor er dem Algorithmus vertraut und sich von Kristin hinreißen lässt. Dank Karoline Eichhorn wird einem der Zugang zu „Ein Sommer an der Côte d’Azur“ mit der auf den ersten Blick(!) nicht sonderlich aufregenden Geschichte ausgesprochen leicht gemacht. Gegen diese Schauspielerin hat selbst die wohlbekannte „Herzkino“-Ästhetik keine Chance: Eichhorns Lächeln überstrahlt die südländische Sonne um Längen. Und gleich die ersten Interaktionen, diese authentisch wirkende Herzlichkeit zwischen den zwei Frauen, sorgen für die auch in Filmen so wichtige Sympathie auf den ersten Blick, machen neugierig, und je mehr die Konflikte in Alltags-Situationen aufgehen, umso überzeugender sind sie. Matthias Matschke ist auch einer, den man wie Eichhorn nicht am Sonntagabend im ZDF erwartet und der Kommunikationsszenen mehr Tiefe, aber auch eine größere Beiläufigkeit zu geben vermag als die TV-Nasen des leichten Fachs. Mal erklärt die peppige Deutsche dem Traditionalisten beim Flanieren die modernen Lebensentwürfe, mal macht sie ihn vertraut mit der prekären Lage seiner Firma, während er in stiller Verzweiflung in seinem Luxusgarten die Blumen gießt. Neben angeschnittenen Themen wie Nachhaltigkeit oder Manufaktur- vs. Massenbetrieb sind es vor allem die Lebenserfahrung und die Offenheit, die angenehm locker von der Hauptfigur zum Ausdruck gebracht werden und der Geschichte guttun. Dass der Vater-Sohn-Streit nicht nur ein x-beliebiger Generationen-Konflikt ist, sondern ein gesellschaftlich relevanter, rundet den positiven Eindruck ab.
Ein Dialogwechsel beim Flanieren in Nizza
Kristin: „Aber es ist doch großartig, was es alles für Lebensentwürfe gibt. Dass man sich frei entscheiden kann, wie man leben will, gerade, wenn ein Kind kommt.“
Michel: „Sie meinen, sie müssen sich nicht erst streiten, dann betrügen und anschließend scheiden lassen.“
Kristin: „Ja, oder sie denken einfach nicht mehr so in Schablonen wie wir früher und wissen einfach besser, was gut für sie ist.“
Foto: ZDF / Christiane Pausch
Als die ersten Beziehungswolken am häufig klarblauen Himmel auftauchen, läuft es in dem Film von Kerstin Ahlrichs („Fritzie – Der Himmel muss warten“) nach dem Drehbuch von Birgit Maiwald („Laim und die schlafenden Hunde“, „Mit Herz und Holly“) nicht mehr ganz so rund. Weniger geschmeidig als die alltagsnahen Wohlfühlmomente geraten die Konfliktsituationen, in denen das junge Nicht-Paar oder einer von ihnen Gefühle zeigen muss. Während sich Maxine Kazis in den gutgelaunten Szenen mit Eichhorn kongenial einbringt, geraten ihr die ernsteren Momente weniger überzeugend. Und Max Befort (35) hat zwar die Haare schön und spielt seinen Beau in der Exposition charmant, ihm fehlt aber bei aller Jugend, die das Drehbuch seiner Figur vorgibt, das gewisse (auch physische) Etwas, das glaubhaft macht, dass diese lebenskluge, lebendige Frau, die als Menschen-Versteherin und im Handlungsverlauf als Vater-Sohn-Mediatorin auftritt, sich mehr als nur geschmeichelt fühlt durch sein sexuelles Interesse. Auch weiß er die emotionale Bandbreite, die seine Rolle erfordert, mimisch nicht immer ganz unfallfrei zu bedienen; im Gegensatz zu Eichhorn & Matschke bleibt Beforts Spiel äußerlich.
Doch das lässt sich genauso wie der Aberwitz, dass der bekannte deutsche Schauspieler Matthias Matschke einen Franzosen verkörpert, durchaus verkraften. Immerhin ist Karoline Eichhorn in fast jeder Szene zu sehen und rettet – wenn es sein muss – mit ihrer enormen Präsenz und einer Figur, die im „Herzkino“ ihresgleichen sucht, jede Situation. Für einen Unterhaltungsfilm außergewöhnlich gut ist auch die Dramaturgie: „Ein Sommer an der Côte d’Azur“ erzählt eine auf vier Personen konzentrierte Geschichte als französisches Beziehungskarussell um Liebe, Sex und Freundschaft, das sich zwar genreästhetisch nach den gängigen Regeln des leichten Fachs dreht, das aber inhaltlich immer wieder für kleine Überraschungen sorgt. Keiner der beiden „Kandidaten“ wird diskreditiert, jede Figur und deren Sicht der Dinge wird ernst genommen, auch die der hochschwangeren Sophia, sodass das Finale bis zum Schluss absolut offenbleibt. Zudem häufen sich auf der Zielgeraden die Probleme des Quartetts. Doch einen Trumpf zur Versöhnung hält die Geschichte für ihre Zuschauer*innen erwartungsgemäß noch parat.
Foto: ZDF / Christiane Pausch