Die Beiträge zur „Sommer“-Reihe sonntags im „Zweiten“ gehören im Vergleich etwa zu „Rosamunde Pilcher“ normalerweise zu den besseren „Herzkino“-Filmen. „Ein Sommer an der Algarve“ erzählt jedoch eine derart dünne Geschichte, dass viele Pilcher-Episoden geradezu bemerkenswert komplex wirken. Letztlich wirkt die Handlung wie ein Vorwand, um möglichst schöne Bilder der portugiesischen Südküste zeigen zu können. Wenn das die Vorgabe war, ist sie perfekt umgesetzt worden: Kameramann Enzo Brandner hat nach Kräften dafür gesorgt, dass die Aufnahmen alle Voraussetzungen für perfektes Fernwehfernsehen erfüllen; im Grunde fehlt nur noch Moderatorin Tamina Kallert, dann würde der Film auch als Beitrag zum bei der „Herzkino“-Zielgruppe garantiert gleichfalls beliebten, allerdings zeitgleich ausgestrahlten Reisemagazin „Wunderschön!“ (WDR) funktionieren. Einziger Unterschied: Statt der dort gern verwendeten Popsongs erklingt hier eine gefällige Filmmusik, in die gelegentlich ein paar einheimische Klänge integriert worden sind.
Foto: ZDF / Pierre Guibert
Zur Wertung: 2,5 Gangloff-Sterne und 3,5 Tittelbach-Sterne = 3 Sterne
Das romantische Drama erzählt die Geschichte von Meeresbiologin Julika (Bea Brocks), die dringend eine Auszeit braucht, nachdem ihr Freund ihr übel mitgespielt hat. Da trifft es sich gut, dass ihre beste Freundin Natalie (Caroline Junghanns) an der Algarve eine Urlaubs-Lodge betreibt. Schon bei der Ankunft läuft sie dem attraktiven Miguel (Giovanni Funiati) über den Weg. Die Anziehungskräfte zwischen den beiden sind gewaltig, aber ansonsten sind sie grundverschieden: Er ist Surflehrer, genießt den Moment und ist ein Freigeist, sie ist Wissenschaftlerin und hat gern alles unter Kontrolle. Dafür tut sich eine berufliche Perspektive auf. Julika ist eine Koryphäe auf dem Gebiet der Korallenzüchtung. Der Unternehmer Grevers (Matthias Schloo) will sie als Projektleiterin für die Renaturierung eines Riffs vor der Algarveküste engagieren. Miguel warnt sie vor dem Geschäftsmann, aber der macht ihr ein Angebot, das sie kaum ablehnen kann; außerdem ist er genau ihr Typ.
Foto: ZDF / Pierre Guibert
Soundtrack:
Evora („Essencia D’vida“), Morcheeba („It’s Summertime“), Villagers („A Trick Of The Light“), Sophie Hunger („Sliver Lane“)
Selbst Fernsehanfänger würden vermutlich ahnen, wie die Sache weitergeht. Grevers ist selbstverständlich nicht mal annähernd so uneigennützig, wie er sich gibt, sondern plant im Gegenteil eine riesige Hotelanlage; der Tauch-Tourismus würde das mühsam renaturierte Riff umgehend wieder zerstören. Zudem müsste Miguels Hütte dem Komplex weichen. Selbstverständlich ist auch der örtliche Bürgermeister beteiligt. Der korrupte Ortsvorsteher, der Naturschutzgebiete in Bauland umwandeln lässt, gehört zum festen Personal jedes Heimatdramas, und tatsächlich könnte sich die Handlung von „Ein Sommer an der Algarve“ ohne größere Änderungen auch im Voralpenland zutragen; dann allerdings ohne Surfer. Da Grevers als Herzkandidat ausscheidet, rückt Miguel automatisch noch stärker ins emotionale Zentrum des Films. Es gibt allerdings gleich zwei Probleme: Anwältin Riva (Mona Pirzad) würde ihn auch gern für sich gewinnen, aber Miguel will sich nicht binden, weder an die eine noch an die andere. Dass trotzdem er und nicht der Unternehmer Julikas Herz gewinnen wird, steht schon früh fest: Miguel sammelt Plastikmüll am Strand und macht daraus Surfbretter. Attraktivität mag Geschmacksache sein, aber als ungezähmter Freigeist ist er ohnehin die ungleich dankbarere Projektionsfläche für Sehnsüchte aller Art.
Foto: ZDF / Pierre Guibert
Weil sich die Geschichte im Grunde auch in sechzig Minuten erzählen ließe, braucht der Film einen ziemlich langen Anlauf, bis er endlich zur eigentlichen Story findet. Seltsamerweise geht dafür am Ende alles ganz flott, weshalb der recht nett eingefädelte Schluss fast verpufft. Die Zwischenzeit füllt Regisseurin Jeanette Wagner mit Meeres- und Himmelsbildern, wobei es ihr die in der Tat prachtvollen Sonnenauf- und untergänge offenbar besonders angetan haben. Ein bisschen Stoff liefert auch die nicht ganz reibungslose Beziehung zwischen Julika und Natalie: Das Urlaubsdomizil der Freundin nähert sich unaufhaltsam der Pleite; Lebensgefährte Piet (Sanne den Hartogh) ist zwar ein begnadeter Koch, übersieht jedoch, dass den Urlaubern nach einem Tag auf dem Surfbrett nicht der Sinn nach Haute Cuisine steht. Weil sich Julika ungefragt in die Belange der Freundin einmischt, kommt es zum Krach.
Wagner hat für das ZDF eine interessante Variation vom „Froschkönig“ gedreht. Der sehenswerte Film lief 2018 im Weihnachtsprogramm, aber nicht etwa nachmittags, sondern am Abend, weil Autorin Sarah Esser die Geschichte für die Reihe „Herzkino-Märchen“ in eine romantische Komödie umgewandelt hat. Das Debüt der Regisseurin war „liebeskind“, ein ursprünglich fürs Kino entstandenes stilles Inzestdrama, das vom ZDF 2006 im Rahmen des „Kleinen Fernsehspiels“ ausgestrahlt worden ist. Anna Fischer hat damals ihre erste Hauptrolle gespielt und wurde beim Max Ophüls Preis in Saarbrücken als beste Nachwuchsschauspielerin ausgezeichnet. Mit solchen Ehren wird die im Fernsehen bislang kaum in Erscheinung getretene Bea Brocks zumindest für „Ein Sommer an der Algarve“ nicht rechnen dürfen; auch schauspielerisch liegt der Film allenfalls im Bereich des „Herzkino“-Durchschnitts. (Text-Stand: 27.10.2019)