Eine junge Frau erwacht aus dem Koma. Ein Wunder, das zum Albtraum wird. Für den Ehemann und die Tochter sind drei Jahre vergangen, für Juliane nicht. Große Distanz ist spürbar. Ihre beste Freundin Inga hat ihren Platz in der Familie eingenommen. Sie ist die Lehrerin von Julianes Tochter und seit einem Jahr auch die Geliebte von Stefan. „Du hast geschlafen, wir haben versucht zu leben“, rechtfertigt er sein Verhalten. Juliane ist außer sich – auch deshalb, weil Stefan ihr geliebtes Elternhaus verkauft und dafür einen kalten, protzigen Glaspalast erstanden hat. Bald erkennt sie um sich herum einen einzigen Komplott, in den sie nicht nur den Ehemann und die Freundin, sondern auch ihren behandelnden Arzt verwickelt sieht. Plötzlich scheint der Autounfall, die Ursache für ihr Koma, kein Unfall mehr zu sein…
So wie die Heldin langsam aus dem Koma ins Leben zurück kommt, so behutsam gleitet der Film „Dornröschen erwacht“ aus dem Psychodrama hinein in einen Psycho-Thriller. Der Film begibt sich mit dem Mut zur Langsamkeit und zu einer ungewöhnlich suggestiven Bildsprache auf eine Selbstfindung der besonderen Art. Dem Gedächtnis der Heldin fehlen acht Wochen. Sie ist darauf angewiesen, was ihr erzählt wird. Sie kann es glauben oder auch nicht. Juliane ist wütend, verwirrt und sie scheint viele Zeichen, Fotos, Gesten, Blicke, Gespräche, falsch zu lesen. Der Zuschauer sieht mit ihr und er weiß nie, ob er mit ihr das Richtige sieht oder ob er ihrer überspannten Betrachtungsweise erliegt. Wo hört die Wahrheit auf, wo beginnt der Wahn? „Irgendwann wird die Wirklichkeit zu einer einzigen Bedrohung“, beschreibt Julians Arzt ihren Zustand. Doch können sie und der Zuschauer ihm trauen?!
„Dornröschen erwacht“ ist eine geschickte Variation von Motiven und Situationen, die man aus Psycho-Thrillern kennt. Doch das Dilemma, dass keiner dem vermeintlich Wahnsinnigen glauben will, ja, dass dessen Verdacht den Wahnsinn nur zu bestätigen scheint, wird in der Geschichte nicht überstrapaziert. Der Plot emanzipiert sich am Ende dann deutlich vom Spannungsgenre und findet schließlich ins Drama der ersten Minuten zurück. Auch was die Charaktere angeht, ist vieles anders, als es scheint. Da mag (in der Rückschau) zwar nicht immer alles drehbuchmäßig plausibel zu sein, die stimmungsvoll gestylte Optik aber und das kühle und zugleich einnehmende Spiel der Schauspieler verschmelzen zu einem Gesamt-Kunstwerk, das an die Grenzen des Fernsehfilm-Realismus geht. (Text-Stand: 8.2.2006)