Die rote Zora

Linn Reusse, Jakob Knoblauch, Adorf, Kahane. „Glotz’ nicht so romantisch!“

Foto: NDR
Foto Tilmann P. Gangloff

In einem malerischen jugoslawischen Küstenstädtchen hat die junge Zora eine Gruppe von Waisen um sich geschart. Die Kinder sind völlig auf sich allein gestellt. Was sie zum Leben brauchen, stehlen sie. Den Honoratioren des Ortes sind sie daher ein steter Dorn im Auge… Ein guter Stoff ist die halbe Miete für einen guten Film. Das gilt auch für gute Kinderfilme. Kurt Helds 1941 im schweizerischen Exil erschienener Jugendbuchklassiker „Die rote Zora und ihre Bande“ fesselte als TV-Serie 1980 und auch 2008 als Kinofilm. Kahanes „Die rote Zora“ besticht vor allem auf der Spielebene der Kinder. Mal spannend, mal klamaukig.

„Glotz’ nicht so romantisch!“: Das ist so ungefähr der Gipfel an Weiblichkeit, den sich Zora erlaubt. Ansonsten ist die freche Göre ein ganzer Kerl. Mehr Mumm als die Jungs in ihrer Bande hat sie sowieso, und stärker ist sie vermutlich auch. Aber hinter der rauen Fassade steckt ein empfindsamer Kern, den sie sorgfältig beschützt; sie hat beizeiten gelernt, dass man in einer Männerwelt lieber keine Gefühle zeigt. Doch dann kommt die Liebe ins Spiel.

Natürlich ist Kurt Helds 1941 im schweizerischen Exil erschienener Jugendbuchklassiker „Die rote Zora und ihre Bande“ keine Romanze, sondern ein Abenteuerroman, in dem es um Solidarität und soziale Ungerechtigkeit geht: In einem malerischen jugoslawischen Küstenstädtchen hat die junge Zora eine Gruppe von Waisen um sich geschart. Die Kinder sind völlig auf sich allein gestellt. Was sie zum Leben brauchen, stehlen sie. Den Honoratioren des Ortes sind sie daher ein steter Dorn im Auge. Vor allem Fischgroßhändler Karaman und Bürgermeister Ivekovic haben es auf sie abgesehen. Die natürlichen Feinde der Kinder sind jedoch die Gymnasiasten, mit denen es immer wieder zu Prügeleien kommt.

1980 ist Helds Roman schon einmal verfilmt worden; damals hat Fritz Umgelter die Geschichte für die ARD als 13teilige Abenteuerserie adaptiert. Die neue Umsetzung durch Peter Kahane bietet deutlich mehr Ansätze. Der Regisseur ist vor allem durch die Reihe „Stubbe – Von Fall zu Fall“ bekannt geworden; er hat die Figur des in Hamburg ermittelnden Sachsen gemeinsam mit Wolfgang Stumph vor 15 Jahren erfunden. In den letzten Jahren der DDR hat sich Kahane allerdings durch Jugendfilme („Ete und Ali“) einen Namen gemacht. Deshalb ist er genau der richtige für diesen Stoff. Das zeigt sich gerade in seiner ausgezeichneten Führung der beiden Hauptdarsteller Linn Reusse und Jakob Knoblauch.

Die rote ZoraFoto: NDR
Auch die erwachsenen Rollen sind top besetzt in diesem Kinderfilm für die ganze Familie: Ben Becker & Dominique Horwitz

Bei der Inszenierung der weiteren Mitwirkenden orientiert sich Kahane dagegen unübersehbar an der Tradition des tschechoslowakischen Kinderfilms: Mit Ausnahme des weisen Fischers Gorian sind alle Erwachsenen Witzfiguren. Damit treibt der Regisseur die kritische Haltung Helds allerdings derart auf die Spitze, dass sie sich in ihr Gegenteil verkehrt. Gerade Ben Becker und Dominique Horwitz legen den Fischgroßhändler und seine Marionette, den Bürgermeister, als eindimensionale Karikaturen an: Karaman ist machtversessen & geldgierig, Ivekovic will vor allem wiedergewählt werden. Und die beiden Polizisten reihen sich umstandslos in eine lange Tradition ein, die schon im Stummfilm begonnen hat: Sie sind die Trottel der Geschichte. Klamottiger Höhepunkt des im Auftrag des NDR entstandenen und von Studio Hamburg produzierten Films ist eine Fischschlacht zwischen allen Beteiligten.

Um so wohltuender ist Mario Adorfs Verkörperung des Fischers, der die Kinder bei sich aufnimmt, als sie von Karaman und seinen Schergen aus ihrem Refugium vertrieben werden. Gorian ist zudem der große Gegenspieler des Fischhändlers: Ihm gehört die Bucht, in der sich jeden Sommer Tausende von Thunfischen versammeln. Karaman will diese Bucht um jeden Preis haben und schreckt auch vor fiesen Tricks nicht zurück. Die Kinder helfen Gorian beim Fischfang. Der revanchiert sich, in dem er den Gewinn fair mit ihnen teilt. Zora kauft sich von dem Geld ein Kleid, aber Branko hat bloß Augen für die ebenso hübsche wie unerreichbare Tochter des Bürgermeisters. Wie in den Romanzen für die Großen dauert es eine Weile, bis ihm klar wird, dass die wahre Liebe die ganze Zeit zum Greifen nahe war.
Bis es soweit ist, muss Branko unter anderem wahren Edelmut beweisen und ausgerechnet seinem ewigen Widersacher in der Bande beistehen: Der Junge ist in die Fänge einer riesigen Krake geraten. Die entsprechenden Spezialeffekte wirken beängstigend echt; die Szene ist derart packend inszeniert, dass sie für kleinere Kinder womöglich zu spannend ist.

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Kinofilm

NDR

Mit Linn Reusse, Jakob Knoblauch, David Berton, Pascal Andres, Woody Mues, Mario Adorf, Ben Becker, Dominique Horwitz, Hilmi Sözer

Kamera: Dragan Rogulj

Schnitt: Gudrun Steinbrück

Musik: Detlef Petersen

Produktionsfirma: Studio Hamburg

Drehbuch: Christian Zübert, Ronald Kruschak, Peter Kahane – nach Kurt Held Vorlage

Regie: Peter Kahane

EA: 01.01.2011 16:10 Uhr | ARD

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