In den 50er Jahren, als im Kino die Hirsche röhrten und die Frauen sich mit den drei Ks begnügen durften, gelang Marianne Koch mit „Die Landärztin“ einer ihrer größten kommerziellen Erfolge. Als weiblicher Weißkittel in einem oberbayerischen Dorf erntet sie anfangs nur Hohn und Spott. Ein Stimmungsbild des Nachkriegsjahrzehnts. Der leise Hauch von Emanzipation, der dort über die Hügel weht, war 1958 für das Genre bemerkenswert.
Wie bewältigt man in einer Neuverfilmung fünf Jahrzehnte später einen solchen vorgestrigen Stoff? Weil der Heimatfilm boomt, hat es dessen eifrigste Verfechterin, Produzentin Regina Ziegler, versucht. Zunächst holte sie sich eine Darstellerin, die für wuchtigen Frauentrotz und vollendete Weiblichkeit steht. Nach der „Geierwally“ darf sich Christine Neubauer erneut mächtig ins Zeug legen. Außerdem garnierte Ziegler die Story mit den bewährten Mitteln des Familienmelodrams: mit Kindern, Tieren, Landschaftsaufnahmen und mit Kübeln voller Konflikte. Mit Gift in der Milch und vergifteter Stimmung im Dorf muss sich die Münchnerin herumschlagen. Vor allem ein einflussreicher Großbauer, der Platzhirsch im österreichischen Großraming, der seine Frau zum Arbeitstier degradiert, macht der Ärztin das Leben schwer. Damit das Konzept auch wirklich aufgeht, haben die Degeto und der ORF der Neubauer zwei Erfolgsgaranten an die Seite gegeben: Francis Fulton-Smith, der seit „Familie Dr. Kleist“ und „Ein Paradies für Tiere“ als Rudolf Prack des neuen Heimatfilms gilt, und Johanna von Koczian, der Schwarm aller Großväter, deren Diktion ins Boulevardtheater der 60er Jahre verweist. Aufnehmen mit der Neubauer aber können es nur Saskia Vester als Leid erprobte Bäuerin & August Schmölzer als übler Hof-Macho mit Dauerlizenz zum Pöbeln und Fluchen.
Der Autor des Originals, Kurt Wilhelm, zeigte sich begeistert von der Neuverfilmung. Er sieht eine Verlagerung der Probleme im Film, weil es heute weniger gesellschaftliche Restriktionen gebe. „Die Leute auf dem Dorf reagieren heute gelassener als damals“, glaubt er. Eine alleinerziehende Mutter hätte in den 50er Jahren noch Frau mit unehelichem Kind geheißen und wäre in einem Heimatfilm undenkbar gewesen. In der Neuverfilmung bleibt dieser Aspekt unberührt. Dafür tobt der Lieblingsfeind der Landärztin: „Piefke, evangelisch, a Weib und auch noch ein Verkehrsrisiko. Da geh ich lieber zum Tierarzt.“ (Text-Stand: 20.4.2005)