„Ich habe mich taufen lassen… Ich will mich konfirmieren lassen“
Aufregung im Hause Winkler: Der 15-jährige Ben (die Ruhe selbst: Tim Litwinschuh) ist am Sonntagmorgen nicht zu Hause. Seine Mutter Johanna (Ulrike C. Tscharre) ist beunruhigt, Stiefvater Felix (Ben Braun) gelassen, was Johanna erst recht auf die Palme bringt. Irgendwann steht Ben wieder in der Tür. „Ich war in der Kirche, im Gottesdienst, ich habe mich taufen lassen“, sagt er. Die Erwachsenen reagieren buchstäblich ungläubig. Vielleicht war Ben ja betrunken. Oder es handelte sich um eine Wette. Oder eine Mutprobe. Alles falsch. „Ich will mich konfirmieren lassen. Dafür braucht man die Taufe“, erklärt Ben, den man ob seiner Abgeklärtheit sofort ins Herz schließen möchte. Was schon in den ersten Szenen deutlich wird, hält der Film konsequent durch: Der gläubige Teenager ist hier der Fels in der Brandung, umgeben von einer Reihe orientierungsloser Erwachsener. Das ist zwar etwas holzschnittartig, aber insofern ein interessanter Ansatz, weil er die Darstellung von Pubertät im Film auf den Kopf stellt. Zum Beispiel bei der Sache mit den Pornovideos. Als Johanna die auf Bens Computer findet, ist sie beruhigt. Dann ist Ben also doch „ein ganz normaler Junge“, sagt sie. Später machen sich Ben und Frida (Tijan Fischers-Islers), seine langjährige Freundin aus Kindergartenzeiten, darüber lustig. Weil seine Mutter ihm nachspioniere, „lasse ich sie das hier finden“, sagt Ben. Frida ist Bens flippiger Sidekick mit Waffentick. Von Beginn an ist die Botschaft des Fernsehfilms, der in der ARD-Themenwoche „Woran glaubst Du?“ ausgestrahlt wird, nicht zu übersehen: Gläubig, jung und cool, das kann zusammengehen…
Der stets abgeklärte Teenager Ben glättet am Ende alle Konflikte
Auf Dauer ist die permanente Abgeklärtheit des 15-jährigen Ben dann aber doch ein wenig unglaubwürdig. Und am Ende glättet er auch noch mit ein paar Geschenken alle Konflikte, da hätte man sich von der vielversprechenden Konstellation Beate Langmaack (Drehbuch) und Stefan Krohmer (Regie) auf dem Degeto-Wohlfühl-Sendeplatz am Freitagabend etwas mehr Mut erhofft. Dass Bens Hinwendung zum Glauben oder seine Suche nach sexueller Orientierung nicht zu bleischweren Themen gemacht werden, ist dagegen durchaus erfrischend. Zwischendurch scheint sich Ben für Konstantin (Toto Knoblauch), einen Jungen aus dem Konfirmationsunterricht, zu interessieren. „Ist man dann gleich schwul, wenn man über so was nachdenkt?“, fragt er Frida. Als Konstantin dann mit einem Mädchen knutscht, nimmt das Ben, wie alles, gelassen zur Kenntnis. Auch seine Religiosität wirkt nicht angestrengt, Ben ist niemand, der aus Not oder Unsicherheit in die Kirche geht. Während seine Familie mit Religion erkennbar nichts am Hut hat, nur um dann nach Bens Taufe ins andere Extrem zu verfallen (Johanna plant gegen Bens Willen ein aufwändiges Konfirmationsfest, Stiefvater Felix will ihm mit einer großen Reise sämtliche Weltreligionen nahebringen), rezitiert Ben ab und zu einen Psalm, das war’s. Das Understatement, mit dem Langmaack und Krohmer hier Glauben und Religion thematisieren, wäre allerdings noch überzeugender, wenn dieser 15-Jährige nicht so ein Super-Muster-Teenager geworden wäre.
Man kann diesen an Lesarten reichen Film auch etwas anders sehen:
Kirche statt Punk oder Porno – und was das mit einer Familie macht!
Ein Film, der für eine Themenwoche produziert wird, soll für das Thema sensibilisieren, aber kein Lehrstück sein. Dieses Sowohl-als-auch hat in der Vergangenheit desöfteren nicht gut funktioniert. „Die Konfirmation“ bildet da eine Ausnahme. Denn es ist eben nicht dieser Ein-Thema-Film, eher das Gegenteil: ein dramaturgisch offenes Drama, dem man allenfalls vorwerfen kann, dass es von (zu) vielem jeweils nur ein bisschen erzählt. Das aber passt wiederum gut zur Alltagsstruktur der Geschichte. Anfangs wundert man sich noch, weshalb die Mutter des Jungen, der sich konfirmieren lassen will, so ein Problem aus allem macht. Möglicher Grund: Sie ist das Problem. Ulrike C. Tscharre spielt sie mit einer solchen penetranten Bestimmtheit (dabei aber stets den Alltagston treffend), dass man die Konfusion dieser Frau erst spät richtig einordnen kann: Ihre Haltung ist diffus, sie hat keinen Schimmer von Erziehung, sie findet keinen Draht zu ihrem Sohn, sieht seinen Abnabelungsversuchen mit Schrecken entgegen, ist spielsüchtig und trifft häufig die falschen Entscheidungen; die pompöse Konfirmationsfeier, um dem Sohn seine Liebe zu zeigen, ist der Gipfel ihrer Hilflosigkeit. Der Sohn ist das Gegenbild: Der kennt seine Mutter schon länger als der Fernsehzuschauer. Da kann die Abgrenzung des Pubertierenden schon mal in eine ganz andere Richtung gehen. Das Fernsehfilm-Genre mit dem Leitsatz „Wie krieg ich meine Eltern / Mutter erwachsen“ ist nicht vom Himmel gefallen, so wie auch diese Mutter-Kind-Beziehung als Film-Setzung nicht unstimmig erscheint.Eine Geschichte mit wahren Momenten und wunderbaren Details
„Die Konfirmation“ richtet das Hauptaugenmerk auf die Logik der dargestellten Interaktionen. Die ganz spezielle Familiensituation ist, wenn man so will, das eigentliche Thema, der Kern des Films. Da passt dann auch der Regisseur Stefan Krohmer und seine Art der alltagsnahen, aber Distanz haltenden Inszenierung, ins Bild. Um „Familienkreise“, so der Titel einer seiner besten Filme, geht es auch hier. Es beginnt (im Gegensatz zu dem anderen neuen Film Krohmers, „Neu in unserer Familie“) mit der störungsanfälligen Variante von Beziehung. Doch der Lernprozess der Mutter – sie lässt sich in vielerlei Hinsicht von ihrem coolen Sohn inspirieren (z.B. ein Jahr Tapetenwechsel) – bringt am Ende alles einigermaßen ins Lot. Die Frage, ob eine solche Konstellation „realistisch“ ist, stellt sich nicht, wenn man die „Die Konfirmation“ als einen gesellschaftlichen Entwurf versteht, der eine Beziehungskonstellation durchspielt. Langmaack und Krohmer erzählen eine interessante, vielschichtige Geschichte mit vielen wahren Momenten und wunderbaren Details, die beiläufig, fast episodisch, aneinandergereiht werden. Die Konfirmation ist dabei nicht mehr als ein Bild, sie ist eine – wohl auch für einige Zuschauer – irritierende Metapher, die für den Wunsch nach Selbstfindung, nach Orientierung in der Welt steht. Mal eben nicht Punk oder Porno. Wie ernsthaft die Hinwendung zu Glaube und Kirche der jugendlichen Hauptfigur ist, wird sich weisen, dies interessiert im Rahmen der gestörten Interaktion, um die es letztlich in dem Film geht, aber nicht übermäßig. Kirche und Bibel kommen anders – fast schon ironisch – ins Spiel. Was sehen da Ben und sein „Ersatzvater“ während des „Männerwochenendes“ beim Blick aus dem Zelt: Schafe! Und dann legt die Mutter vor ihrem Sohn auch noch eine Beichte ab. Der ist mal wieder ganz souverän und findet die passende Antwort. Vielleicht sieht ja so ein künftiger Pfarrer aus?
Rainer Tittelbach
Eine Pfarrerin, die den Pfad der Tugend verlassen darf
Anstrengend sind hier vor allem die Erwachsenen. Ulrike C. Tscharre spielt die spielsüchtige Versicherungsangestellte Johanna meist am Rande des Nervenzusammenbruchs, Ben Braun versucht sich als lässiger Sportlehrer mit Dreitagebart. Dass es zwischen den Schauspielern nicht wirklich funkt, ist halb so schlimm, weil Felix und Johanna ohnehin pausenlos streiten. Dafür bändelt Felix mit Pfarrerin Tabea an, die noch etwas unerfahren und unsicher wirkt. Auch diese weibliche Rolle ist mit Christina Große stark besetzt, aber die Figur scheint nur Mittel zum Zweck in diesem Familiendrama. Schön immerhin, dass hier eine Pfarrerin auch mal Lust haben und den Pfad der Tugend verlassen darf. Dann sind da noch Johannas knurriger Vater Axel (Reiner Schöne) und Bens richtiger Vater (Kai Wiesinger), der gern alles mit Geld regelt. Ben navigiert souverän durch dieses Sammelsurium aus Eitel- und Befindlichkeiten. Krohmer ist ein Spezialist für Familienkonflikte & feine Beziehungsgeflechte, und auch hier gibt es wunderbare tragikomische Momente, in denen man mit den nicht sonderlich sympathischen Figuren mitfühlt. Die Sache mit den großen Paketen etwa, die Felix in der Küche zwischenlagert, die aber eigentlich der Versöhnung dienen sollen.
Etwas mühsam auf cool getrimmte Mittelschichtskinder
An die Qualität von Krohmer-Filmen wie „Familienkreise“ oder „Die Zeit mit Euch“ reicht dieser Fernsehfilm jedoch nicht heran. Viele Szenen und Dialoge, die sich um das Thema Jugend und Religion drehen, kommen eher gestelzt und ziemlich brav daher. „Euch kann man wirklich nichts vormachen, das finde ich toll“, lobt die Pfarrerin, die auch sonst gern ein bisschen salbungsvoll redet, im Konfirmations-Unterricht. Und Felix sorgt bei der (eigentlich ziemlich harmlosen) Konfirmations-Fahrt für Ordnung und stellt hinterher verwundert fest: „Konfirmanden sind tatsächlich kein bisschen anders als andere Jugendliche.“ Spätestens an dieser Stelle wünscht man sich wenigstens einen Hauch von „Tschick“ und nicht mühsam auf cool getrimmte Mittelschichtskinder. Oder zumindest, dass sich Ben die Pornos nicht nur heruntergeladen hat, um den Vorstellungen der Mutter zu entsprechen.