Die Jägerin – Gegen die Angst

Nadja Uhl, Amali, Borchardt, Hummel, Herzog. Beklemmende Parallelgesellschaft

Foto: ZDF / Christoph Assmann
Foto Thomas Gehringer

Zwei starke Frauen, von Nadja Uhl und Sabrina Amali überzeugend gespielt, tragen das Krimidrama „Gegen die Angst“ (ZDF / Real Film). Eine Staatsanwältin ermittelt gegen einen kriminellen Clan, der für Schüsse auf ihren heimlichen Geliebten verantwortlich war, und geht dabei selbst mit dem Gesetz recht locker um. Eine junge Polizeianwärterin, die den Täter identifizieren könnte, muss sich zwischen Familie und Gesetzestreue entscheiden. Die Bekämpfung arabischstämmiger Clans ist zu einem Politikum geworden, der Film kommt da zur rechten Zeit. Denn das Krimidrama erzählt auf beklemmende Weise, wie der Rechtsstaat an seine Grenzen stößt. Nach konventionellem Beginn kommt der Film von Andreas Herzog immer besser auf Touren, die Clan-Figuren bleiben jedoch eindimensional.

„Gegen die Angst“ wird im Wesentlichen von zwei Frauenfiguren und ihren Loyalitätskonflikten getragen – und gewinnt so an Spannung und Substanz. Die verliebte Staatsanwältin Schrader müsste sich eigentlich aus persönlicher Befangenheit heraushalten, lässt sich aber (fast) nichts anmerken und mischt sich nun ausgesprochen aktiv in die Ermittlungen des Kommissars Jochen Montag (Dirk Borchardt) ein. Dabei geht sie recht locker mit den gesetzlichen Vorschriften um und stiftet die Ermittler sogar zu einer Falschaussage an. Leyla Sharif schwankt auf eine andere Weise zwischen Familie und Gesetzestreue. Diese starke zweite weibliche Figur hat noch eine weitere wichtige Funktion, denn sie bricht im Film das Bild von einer komplett kriminellen, aus dem Libanon stammenden Großfamilie und gibt auch nicht dem Vorwurf Nahrung, Menschen arabischer Abstammung wollten die Polizei unterwandern. Nein, Leyla Sharif ist aus Überzeugung Polizistin geworden und muss sich nun entscheiden, ob sie ihren Cousin Hisham verrät.

Die Jägerin – Gegen die AngstFoto: ZDF / Lars R. Liebold
Staatsanwältin Judith Schrader (Nadja Uhl) und Jochen Montag (Dirk Borchardt) kommen mit ihrem Fall nicht weiter.

Nadja Uhl und die famose Sabrina Amali, die in der zweiten Staffel von „4 Blocks“ ebenfalls eine bedeutende (Neben-)Rolle spielte, sind die schauspielerischen Trümpfe dieses Films. Uhl kann die Trauer und Wut ihrer Figur nur mit Blicken vermitteln, denn die Staatsanwältin reagiert jederzeit beherrscht und überlegt, was einem zunehmend geradezu übermenschlich erscheint. Stark, wie die Schauspielerin unter der Regie von Andreas Herzog diese innere Anspannung auf den Bildschirm bringt – auch dank eines überzeugenden Sidekicks: Dirk Borchardt gibt sehr authentisch den Kriminaler mit Berliner Schnauze. Es entwickelt sich zwischen Montag und Schrader eine gegenseitige Sympathie und am Ende vielleicht sogar Freundschaft. Seine direkte Art und ihre Entschlossenheit ergänzen sich; das ist überzeugend geschrieben und gespielt und auch angenehm unaufgeregt inszeniert.

Familien-Clans, die ganze Stadtviertel unter ihre Kontrolle bringen, das ist nicht nur in Berlin gegenwärtig ein Thema, das in Politik und Medien eine große Rolle spielt. „Gegen die Angst“ kommt also zum passenden Zeitpunkt, zumal Drehbuch-Autor Robert Hummel mit schmerzhafter Konsequenz erzählt, wie eine unterbesetzte Polizei und Justiz bei der Bekämpfung an ihre Grenzen stoßen. Hummel weiß, wovon er spricht, er ist Schöffe am Landgericht Berlin. „Ich sah Angeklagte, Opfer und Zeugen, und ich erlebte frustrierte Polizisten und überarbeitete Staatsanwältinnen, die unter schwierigen Bedingungen einen ermüdenden Kampf führen. Dort entstand die Idee zu diesem Stoff. Als Berliner und halber Araber interessieren mich kriminelle Clans schon lange – ich bin fasziniert von ihrem Zusammenhalt und abgestoßen von ihrem Tun“, wird er vom ZDF zitiert. Im Film fallen Zeugen um, werden falsche Alibis konstruiert, geht das Auto des Täters, obwohl als Beweisstück von der Polizei gesichert, in Flammen auf. Der Rechtsstaat wird verhöhnt, gleichzeitig nutzt die Anwältin des Clans (schön eiskalt: Judith Engel) alle rechtlichen Mittel, um ihren Mandanten heraus zu pauken. Der Film ist also geeignet, Applaus aus der falschen, der fremdenfeindlichen Ecke zu erhalten. Das kann freilich kein Argument dagegen sein, dass sich auch fiktionale Stoffe mit realen Konflikten auseinandersetzen. Und „Gegen die Angst“ klagt wirkungsvoll und beklemmend die Existenz solcher Parallelgesellschaften an. Bemerkenswerter Weise kommt Regisseur Herzog mit nur einer einzigen Szene aus, in der Gewalt offen gezeigt wird. Und in der setzt sich Leyla wirkungsvoll zur Wehr.

Die Jägerin – Gegen die AngstFoto: ZDF / Lars R. Liebold
Schrader (Nadja Uhl) bangt um ihren Geliebten (Andreas Pietschmann), der von einem Clanmitglied niedergeschossen wurde.

Allerdings erfährt man in diesem Neunzigminüter über den Clan nicht viel mehr, als dass er halt kriminell ist und in Drogen, Prostitution und Schutzgeld macht. Der Vergleich hinkt zwar, aber wo die preisgekrönte Serie „4 Blocks“ differenziert, wenn auch nicht ohne Faszination aus dem Inneren einer solchen Familie erzählt, bleiben der Clan-Chef, Täter und Anwältin in  „Gegen die Angst“ eher eindimensionale Figuren, begleitet von dem typischen muskelbepackten, stummen Leibwächter. Leylas Ringen mit ihrer Familien-Loyalität wird dagegen spannend und konsequent zu Ende erzählt. Natürlich wird sie von Boss Machmoud unter Druck gesetzt, doch nachdem sie von Hisham körperlich angegriffen wurde, entschließt sie sich zur Aussage und wird in den Zeugenschutz genommen. Hummels Drehbuch macht nun einen Acht-Wochen-Sprung nach vorn. Der packende Rest besteht zu einem wesentlichen Teil aus einem Gerichtsdrama. (Text-Stand: 1.3.2019)

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Reihe

ZDF

Mit Nadja Uhl, Sabrina Amali, Dirk Borchardt, Atheer Adel, Burak Yigit, Judith Engel, Andreas Pietschmann, Meriam Abbas, Rolf Kanies

Kamera: Lars R. Liebold

Szenenbild: K.D. Gruber

Kostüm: Nici Zinell

Schnitt: Gerald Slovak

Redaktion: Esther Hechenberger

Produktionsfirma: Real Film

Produktion: Heike Streich

Drehbuch: Robert Hummel

Regie: Andreas Herzog

EA: 25.03.2019 20:15 Uhr | ZDF

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