Die Inselärztin – Neustart auf Mauritius

Anja Knauer, Licht, Ricketts, Zierl, Stauch. „Medical Drama“ mit Augenfutter

Foto: Degeto / Alexander Schumann
Foto Tilmann P. Gangloff

Auf den ersten Blick wirkt „Neustart auf Mauritius”, der Auftakt zur der neuen Reihe „Die Inselärztin“ (ARD Degeto / Tivoli), als sei der Film ein Remake von „Das Kindermädchen – Mission Mauritus“; nur diesmal mit einer Medizinerin. Noch offensichtlicher sind die Parallelen zu zwei anderen Freitagsmarken der ARD: Das Erzählmuster sieht aus wie „‚Eifelpraxis’ trifft ‚Traumhotel’“. Der wesentliche Unterschied zum „Kindermädchen“ lässt sich dagegen auf einen Namen reduzieren: Mit Anja Knauer als Chirurgin, die als Hausärztin eines Luxushotels auf Mauritius noch mal ganz von vorn anfangen will, können ganz andere Geschichten erzählt werden als mit Saskia Vester. Dass die Heldin von gleich zwei Männern umschwärmt wird, klingt wenig originell, aber die Darsteller machen das wieder wett.

Ein Freitagsfilm im „Ersten“, eine Frau auf Mauritius, eine luxuriöse Hotelanlage: Diese Geschichte hat die ARD-Tochter Degeto doch erst vor einigen Wochen erzählt. Der Film hieß „Das Kindermädchen – Mission Mauritius“, war ein klassischer Degeto-Zeitvertreib mit Saskia Vester und schönen Aufnahmen, die sich an Strand, Meer und vor allem dem Abendhimmel über dem Indischen Ozean ergötzten. Der Auftakt zur neuen ARD-Reihe „Die Inselärztin“ ergötzt sich auch, allerdings vor allem an Anja Knauer. Es wäre nicht ganz fair, den Unterschied zwischen den beiden Konzepten auf die Hauptdarstellerinnen zu reduzieren, aber ein Altersunterschied von zwanzig Jahren macht nun mal eine Menge aus, und das nicht nur wegen der Bikinibilder; eine jüngere Heldin hat nicht nur jüngere Verehrer, sie muss sich auch Problemen stellen, die eine Frau kurz vor der Rente längst überwunden hat.

„Neustart auf Mauritius“ beginnt zwar idyllisch, doch schon bald deuten erste Erinnerungsfetzen an, dass der Fluchtversuch von Filipa Wagner vergeblich war: Die junge Ärztin ist eine offenbar begnadete Chirurgin und war zuletzt an der Frankfurter Uniklinik beschäftigt; wenn eine derartige Koryphäe als Hausärztin in einem Hotel anheuert, klingt das wie ein um 25 Jahre vorgezogener Ruhestand. Tatsächlich halten sich die Herausforderungen zunächst in Grenzen und reichen von Pflaster kleben bis Splitter ziehen; der „Notfall“ eines Modepüppchens entpuppt sich als eingerissener Fingernagel. Ernst wird es erst, als Jimmy (Selam Tadese), ein Mitglied des Küchenpersonals, aus einer Limoflasche trinkt, die Backofenreiniger enthält. Die Flüssigkeit verätzt die Speiseröhre. Daniel Bucher (Tobias Licht), Arzt am örtlichen Krankenhaus, sieht keine Möglichkeit, Jimmy zu retten. Filipa verbringt die Nacht mit einer Internetrecherche und stößt auf eine allerdings offiziell noch nicht zugelassene Operationsmethode. Bucher lässt sich auf das Risiko ein, aber nur unter der Bedingung, dass ihm die Kollegin assistiert; und Filipa muss sich ihrem Trauma stellen.

Die Inselärztin – Neustart auf MauritiusFoto: Degeto / Alexander Schumann
Medical Drama. Die Situation für Jimmy (Selam Tadese), ein Mitglied des Küchenpersonals, ist ernst. Er hat aus einer Limoflasche getrunken, die Backofenreiniger enthielt. Doch Filipa (Anja Knauer) gibt die Hoffnung nicht auf.

Das alles klingt zunächst nicht weiter ungewöhnlich. Wenn sich die Heldin dann noch Jimmys kleinem Sohn annimmt, der an einer Niereninsuffizienz leidet und dringend eine Dialyse braucht, bewegt sich „Neustart auf Mauritius“ kräftig in Richtung des Helferinnen-Genres, dem ARD und ZDF seit einigen Jahren viele Reihen widmen. Gipfel der vermeintlichen Einfallslosigkeit ist schließlich die äußerst abgenutzte personelle Konstellation: Filipa wird von gleich zwei Männern umschwärmt; spätestens jetzt wirkt „Die Inselärztin“ wie ein exotisches Pendant zu den Degeto-Filmen mit Rebecca Immanuel als Versorgungsassistentin eines Eifelarztes. Während die „Eifelpraxis“-Geschichten die medizinische Ebene nutzen, um von tragischen Schicksalen zu erzählen, ist zumindest Filipas erster richtiger Fall ein typisches „Medical Drama“, bei dem es um Leben oder Tod geht. Allerdings gibt das Drehbuch von Maja und Wolfgang Brandstetter den scheinbar stringenten Handlungssträngen eine völlig unvorhersehbare Wendung. So findet Filipa heraus, dass Jimmy die Flüssigkeit womöglich gar nicht aus Versehen getrunken hat. Ein kleiner Knüller ist zudem die wahre Identität des Strandbarkeepers Mike (Tyron Ricketts), mit dem die Ärztin gleich zwei Nächte verbracht hat, in denen jedoch nichts passiert sein soll, selbst wenn die Bilder etwas anderes nahelegen. Mike hat großen Anteil daran, dass Jimmys kleinem Sohn geholfen werden kann. Dieser erkennbare Wille, immer noch ein Ass aus dem Ärmel zu ziehen, findet sich auch in einzelnen Szenen: Hotelmanager Kulovits (Helmut Zierl) hält die nach der ersten feuchtfröhlichen Nacht mit Mike heftig derangierte junge Frau, die er in den Praxisräumen antrifft, für einen verirrten Hotelgast. Auch das ist ein deutlicher Unterschied zu vielen anderen vergleichbaren Filmen, die in der Regel damit beginnen, dass die Hauptfigur auf dem Flughafen eintrifft.

Soundtrack: Zayde Wolf feat. Ruelle („Walk Through The Fire“), Colbie Caillat („Here Comes The Sun“),Ben Harper („Waiting on an Angel”), Ed Sheeran („Castle On The Hill”), Justin Timberlake („Can’t Stop The Feeling”), Friends in Paris („When Your Heart Is A Stranger”), Marc Forster („Wir sind groß”)

Die Inselärztin – Neustart auf MauritiusFoto: Degeto / Alexander Schumann
Werbeästhetik-Look. „Come on over have some fun / Dancin‘ in the mornin‘ sun“. Wer Leben rettet – der muss auch mal feiern und braucht notfalls einen Bacardi. Anja Knauer und Tyron Ricketts in „Die Inselärztin – Neustart auf Mauritius“

Bei aller Sympathie für die Geschichte, ihre Figuren und die Darsteller: In mancherlei Hinsicht gibt es allerdings durchaus Parallelen zwischen „Inselärztin“ und „Kindermädchen“. Ähnlich wie bei Karl May treffen die Heldinnen der Degeto-Auslandsreihen ohnehin überall in der Welt permanent auf Deutsche; die diversen Sonnenuntergänge sind nichts als Augenfutter und tragen zur Dramaturgie der Handlung ebenso wenig bei wie die gelegentliche Folklore; der gänzlich unironische Regenbogen am Ende ist dann endgültig zuviel. Immerhin sprechen die Ärzte mit dem einheimischen Klinikpersonal englisch oder französisch. Auf der anderen Seite erlaubt sich Regisseur Peter Stauch, der zuletzt das Brandstetter-Drehbuch „Mord in bester Gesellschaft – Winters letzter Fall“ verfilmt hat, viel zu selten kleine schelmische Momente wie bei einem medizinischen Disput zwischen Filippa und Daniel, die sich die Fachbegriffe nur so um die Ohren hauen, während die Laborassistentin (Anne Bolik) daneben steht und den offenkundig von unterschwelligen Gefühlen geleiteten Dialog mimisch kommentiert.

Stattdessen setzt Stauch lieber auf klamaukige Komik mit Gerhard Wittmann als Urlauber, der sich mehrfach bei riskanten Fun-Sportarten verletzt. Aber das sind zum Glück nur kurze und wenige Ausreißer. Ansonsten ist „Neustart auf Mauritius“ ein vielversprechender Auftakt, zumal sich Stauch gelegentliche Anleihen beim Krimi erlaubt, die für den Freitagsfilm im „Ersten“ eher ungewöhnlich sind, wenn Filipa beispielsweise gedanklich den „Tathergang“ rekonstruiert und dabei persönlich in der Rückblende auftaucht. Interessant ist auch die charakterliche Mischung der drei Hauptfiguren: Sie ist Idealistin, Daniel Realist und Mike Hedonist. Angesichts dieser Gemengelage sowie der Hauptdarstellerin ist es zu verschmerzen, dass das Erzählmuster von „Inselärztin“ wie ein typisches Reißbrettprodukt wirkt: als habe die Redaktion „Eifelpraxis“ & „Traumhotel“ kombinieren wollen. (Text-Stand: 12.12.2017)

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Reihe

ARD Degeto

Mit Anja Knauer, Tobias Licht, Tyron Ricketts, Helmut Zierl, Selam Tadese, Dennenesch Zoudé, Valentina Sauca, Sarah Warth, Gerhard Wittmann, Anne Bolik

Kamera: Florian Schilling

Szenenbild: Axel Hoebel

Schnitt: Veronika Zaplata-Lauratet

Musik: Philipp Fabian Kölmel

Redaktion: Birgit Titze, Stefan Kruppa (beide Degeto)

Produktionsfirma: Tivoli Film, Two Oceans Production

Produktion: Thomas Hroch, Gerald Podgornig, Giselher Venzke, Andre Loggenberg

Drehbuch: Maja Brandstetter, Wolfgang Brandstetter

Regie: Peter Stauch

Quote: 4,30 Mio. Zuschauer (13,3% MA)

EA: 19.01.2018 20:15 Uhr | ARD

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