Die Informantin – Der Fall Lissabon

Aylin Tezel, Duken, Kurt, Dinda, Isabel Kleefeld. Du kannst dir niemals sicher sein

Foto: Degeto / Conny Klein
Foto Rainer Tittelbach

Um nicht aus dem Zeugenschutz zu fallen, muss sich eine Studentin & Ex-Trickbetrügerin, die schon einmal als Lockvogel gearbeitet hat, ein zweites Mal in eine lebensgefährliche Situation begeben. Weil Aylin Tezel 2016 mit dem Degeto-Thriller „Die Informantin“ 5,5 Millionen Zuschauer lockte, gibt es nun mit „Die Informantin – Der Fall Lissabon“ eine Fortsetzung. Der Film von Isabel Kleefeld ist wie sein Vorgänger klar strukturiert, linear und hautnah an den Hauptfiguren entlang erzählt. Der Film ist spannend, die Psychologie sucht er im Genre, nicht in der Realität, Gefahr und Erotik gehen Hand in Hand, und die Politik der Blicke führt direkt in die Struktur der Beziehungen. Die Kameraarbeit von Martin Langer ist beeindruckend, und alle Rollen sind stimmig besetzt, woraus sich eine große physische Präsenz ergibt.

Aylin (Aylin Tezel), Jurastudentin und Ex-Trickbetrügerin, die sich vor drei Jahren als Lockvogel für das LKA in ein lebensgefährliches Spiel einließ, um einer Haftstrafe zu entgehen, lebte die letzten Jahre in Wien mit neuer Identität. Mit einem Trick lockt ihre frühere Arbeitgeberin, LKA-Chefin Hannah (Suzanne von Borsody), Aylin nach Berlin, um sie für einen Fall zu verpflichten, und sie nötigt sie, ihr den Berliner Rechtsanwalt Engelhardt (Stefan Kurt) ans Messer zu liefern. So harmlos dieser Mann auch aussieht – seine Kanzlei ist verwickelt in illegale Geldwäsche im großen Stil und sie arbeitet für einen Mann, der offenbar Terrorgruppen finanziert. Zwei Leute hat Hanna bereits verloren, der dritte ist nun Wagner (Rainer Sellien), ein Informant, der für Engelhardt gearbeitet hat. Auch Jan (Ken Duken), Aylins Verbindungsmann beim letzten Einsatz, ist wieder mit im Spiel. Gegen alle Regeln hatte er damals ein Verhältnis mit ihr angefangen. Noch immer fällt es ihm schwer, dieser Frau zu widerstehen. Aber er macht sich auch Sorgen; für ihn ist dieser Auftrag ein Himmelfahrts-Kommando. Und so taucht er immer wieder unvermittelt in Aylins Nähe auf. Obwohl Engelhardt dies registriert, stellt er die forsche Juristin in seiner Kanzlei ein. Aufmerksam auf sie wurde der Anwalt durch seinen Sohn Alex (Franz Dinda), der an der Juristischen Fakultät lehrt und sehr schnell ein Auge auf die unkonventionelle Frau geworfen hat. Hannah jubiliert, und Jan wird immer unruhiger. Aus gutem Grund: Denn plötzlich steht für Aylin eine Auslandsreise an, bei der es fürs LKA unmöglich sein wird, seine Informantin zu schützen.

Die Informantin – Der Fall LissabonFoto: Degeto / Conny Klein
Eine gefährliche Situation: Aylin (Aylin Tezel) muss die betrunkene Witwe Eva (Nina Kronjäger) ins Abseits schieben, um an den dicken Fisch, Anwalt Engelhardt (Stefan Kurt), ranzukommen. Der Kontakt lief über dessen smarten Sohn Alex (Franz Dinda).

Diese Frau bleibt unberechenbar. Noch immer brodeln in ihr kriminelle Energien. Und noch immer ist sie eine Gefahr für die Menschen, die sie liebt. Die Kontaktsperre zu ihrer Schwester (Pegah Ferydoni) bleibt deshalb bestehen… Weil fünfeinhalb Millionen Zuschauer für Crime-Einzelstücke im „Ersten“ ein Top-Wert ist, bekam der Degeto-Thriller „Die Informantin“ eine Fortsetzung, die nun drei Jahre später unter dem Titel „Die Informantin – Der Fall Lissabon“ ins Programm kommt. Der Film von Isabel Kleefeld ist wie sein Vorgänger klar strukturiert und linear an den Hauptfiguren entlang erzählt. Die wiederkehrenden Charaktere bleiben in diesem klassischen Genre-Spiel in ihren angestammten Rollen: Da ist die LKA-Chefin, die notfalls über Leichen geht, da ist Jan, der „Beschützer“, der etwas abgehalfteter wirkt als beim letzten Mal, und da ist Aylin, die Frau, die Grenzen überschreitet und daraus einen besonderen Kick zieht. Neu im Spiel sind die Gegner: der anfangs so umgänglich wirkende Anwalt, der laut LKA, keine Fehler macht, und sein Sohn, äußerlich ein ähnlicher Typ wie Jan, sympathisch und weniger verbissen als sein Vater; mit diesem sozial engagierten Juristen ins Bett zu gehen, kostet die deutsch-türkische Mata Hari keine Überwindung. Und dann gibt es da noch den Auftraggeber, den kaltblütigen Big Boss Tarek (Murat Seven), für den der deutsche Anwalt weltweite dreckige „Geldgeschäfte“ abwickelt. Hierarchien, Macht und Ohnmacht sind die Faktoren, die den Gang der Handlung maßgeblich bestimmen. Es gibt ein, zwei Wendungen, doch diese führen die Handlung nicht in eine andere Richtung; vielmehr sorgen sie für eine Umwertung des Personals – was für die Bedrohungs-Situation wenig ändert. Die Spannungsschraube wird erwartungsgemäß im Schlussdrittel angezogen. Es geht um Leben und Tod. Und am Ende steht ein alles entscheidender Schusswechsel, den Kleefeld nicht in seiner ganzen Gnadenlosigkeit und Grausamkeit zeigt.

Die Informantin – Der Fall LissabonFoto: Degeto / Conny Klein
Zwischen Jan (Ken Duken) und Aylin (Tezel) knistert es wieder. Auch die emotionale Ebene ist spannend: Gehen die beiden gegen alle Regeln wieder miteinander ins Bett?

Auch „Der Fall Lissabon“ dürfte den Realitätstest, den hiesige Zuschauer so gern als Bewertungskriterium für deutsche TV-Produktionen anlegen, nicht bestehen. Und das ist gut so. Dadurch kann der Film tiefer eindringen in die Psychologie des Genres und den Zuschauer stärker der Erotik der Gefahrensituation aussetzen. Und so überzeugt dieser TV-Thriller, der immer wieder Überwachungsmonitore nutzt, um Handlungsebenen zu koppeln, vor allem auch durch seine Sinnlichkeit. Die Politik der Blicke führt direkt in die Struktur der Beziehungen. Als Aylin mit Alex schläft, schaut sie direkt in die Kamera, während Jan auf den Bildschirm starrt und durch einen Zoom auf ihr Gesicht offenbar das Geschehen auszublenden versucht. Zum Aspekt „Erotik“ tragen selbstredend auch Ken Duken, Franz Dinda und vor allem Aylin Tezel ihren Teil bei: Das Erscheinungsbild ihrer Figur bringt in den ersten Einstellungen zum Ausdruck, dass sie in Wien die letzten Jahre ein wildes Leben geführt haben muss – mehr Party als Uni. Schwarz ist nicht nur die Farbe ihres Äußeren. „Das Böse zieht sie magisch an“, sagt Tezel. Und beim ersten Zusammentreffen mit ihrem Ex-Lover spielt Aylin unverkennbar mit ihren Reizen und ihrer Anziehungskraft auf Jan. Herausfordernd lasziv bewegt sie sich. Werden die beiden wieder im Bett landen? Diese Frage und die gesamte Dreiecksgeschichte interessiert nicht weniger als die Frage nach dem Ausgang der Krimithriller-Handlung.

Neben der beindruckenden Kameraarbeit von Martin Langer, dem durchweg stimmig besetzten und (physisch) präsenten Ensemble (auch Stefan Kurth überzeugt wie immer als „Bösewicht“ im feinen Zwirn) besticht auch die Dialog-Ebene durch ihre Konzentration aufs Wesentliche. Immer wieder gibt es markante Sätze, die sich mehrdeutig wiederholen (spielerisch: „Wer hochstapelt, kann tief fallen“) oder nichts Gutes ahnen lassen: „Was ist Ihr Preis? Es ist sehr wichtig, seinen Preis zu kennen“, fragt Engelhardt Aylin ernst, aber noch einigermaßen unverfänglich. Später formuliert er genauer: „Sie wissen, für wen Sie arbeiten und sie wissen Ihren Preis.“ Das sind zwei cool klingende Genrefilm-Sätze, die allerdings auch auf eine spannungssteigernde Wirkung abzielen. Für Suspense sorgt ähnlich wie im ersten „Informantin“-Film die Nähe zwischen Aylin und dem Sohn des Anwalts. Kann einer, der sich so beherzt für das Wohl von Kindern einsetzt, ein schlechter Mensch sein? Oder gar ein Mörder? Auch wenn es nicht im Bild gezeigt wird: Alex könnte Engelhardts Kanzlei-Kollegen in einer Toilette aufgehängt haben. Das weiß der Zuschauer, das wissen Jan und Hannah, nur Aylin weiß es nicht. Und so gilt auch für „Die Informantin – Der Fall Lissabon“ bis zum bitteren Schluss das Thriller-Credo „Du kannst dir niemals sicher sein“.

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Fernsehfilm

ARD Degeto

Mit Aylin Tezel, Ken Duken, Stefan Kurt, Franz Dinda, Suzanne von Borsody, Nina Kronjäger, Tino Mewes, Pegah Ferydoni, Rainer Sellien, Murat Seven

Kamera: Martin Langer

Szenenbild: Eva-Maria Wendt

Kostüm: Judith Holste

Schnitt: Renata Salazar Ivancan

Musik: Sven Rossenbach, Florian van Volxem

Redaktion: Carolin Hasis, Sascha Schwingel

Produktionsfirma: UFA Fiction

Produktion: Christian Rohde

Drehbuch: Isabel Kleefeld

Regie: Isabel Kleefeld

Quote: 4,78 Mio. Zuschauer (16% MA)

EA: 13.04.2019 20:15 Uhr | ARD

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