Eine junge Frau wird von einer Horde Männer in eine Dusche gezerrt. Sie halten sie gewaltsam fest und spritzen sie mit eiskaltem Wasser ab. Am Ende sitzt da nur noch ein in sich zusammengesunkenes Häufchen Elend. Am Ende seiner Kraft. Dabei hatte alles so vielversprechend angefangen bei der jungen Polizistin, die endlich aus ihrem niedersächsischen Kaff herauskam. Mobbing bei der Polizei ist das Thema des Fernsehfilms „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, in dem die gerade mit einem Grimme-Preis ausgezeichnete Neuentdeckung Anneke Kim Sarnau überaus beeindruckend ihre zweite Hauptrolle spielt.
„Diese Szene im Duschraum war die Szene, vor der ich ehrlich die größte Angst hatte“, sagt Sarnau. Viermal sei sie aus wechselnder Perspektive gedreht worden. Ein psychischer Kraftakt. Aber auch eine Situation, die den Dreh maßgeblich beeinflusst habe. Ausgepumpt und stumm habe das Team danach herumgesessen, peinlich berührt Bier getrunken. „Doch danach herrschte bei uns eine irgendwie seltsame Vertrautheit.“ Um gruppendynamische Prozesse geht es auch im Film: Die Heldin lässt den Revierleiter abblitzen, schlimmer noch, knallt ihm eine vor versammelter Mannschaft. Da wird der Kumpel Eddy wieder zum Chef Garbitsch. Und der weiß, wie er seine Jungs auf seine Seite kriegt. Sexuelle Belästigung seinerseits?! Ach was, sie ist die Buhfrau: ein Flittchen, eine Alkoholikerin, unfähig im Dienst, eine Kameraden-Sau. Die Männer gröhlen zustimmend.
Der Film lässt sich Zeit, um aus diesem Klima eine lebensbedrohliche Situation für die Heldin zu zeichnen. Zwar sind es schwere Geschütze, die die Männer gegen die Frau auffahren, auch mag deren Art äußerlich ekelhaft erscheinen, doch Autor Fred Breinersdorfer macht aus ihnen keine menschlichen Ungeheuer. Er zeigt, wie schnell es gehen kann, dass einer im Regen steht, wie brutal die Gruppe den Einzelnen auszugrenzen vermag. Der „Faction“-Experte Breinersdorfer bezeichnet dieses Phänomen als eine „geradezu atavistische Lust und Macht einer Gruppe, einen Sog, gegen den sich der Einzelne ganz schwer wehren kann“. Die Geschichte von der gemobbten Polizistin ist im Übrigen keine Kopfgeburt: aus jüngster Zeit sind vier Fälle bekannt, die mit Selbstmord der betroffenen Frauen endeten.
Foto: NDR / Gordon Timpen
Sein Bild von den „Grünen“ habe sich durch die Recherche im Revier Hamburg-Bergedorf nicht unwesentlich verändert: „Die müssen so viel aushalten bei ihren Einsätzen – es ist schon ein guter, harter Job, den die meisten Beamten machen.“ Breinersdorfer habe auch nie die Absicht gehabt, die Polizei vorzuführen. „Es geht um die Mobbing-Auswüchse in jeder hierarchischen Struktur“, so der ehemalige Rechtsanwalt. Dieser schonungslose Einblick in die menschliche Natur ist die Stärke von „Die Hoffnung stirbt zuletzt“. Ein Apercus am Rande: Bei einem anderen Polizistinnen-Stoff verließ den NDR einst der Mut. Der WDR musste das Projekt übernehmen und feierte mit Andreas Dresens „Die Polizistin“ den größten Fernsehspiel-Erfolg der letzten Jahre. Daraufhin gab der NDR das Drehbuch bei Breinersdorfer in Auftrag. (Text-Stand: 3.4.2001)