Sophie hat’s nicht leicht. Ungeliebt ist die fleißige Bäuerin des stattlichen Gruber-Hofs. Wie eine bessere Magd wird sie behandelt. Der Mann ein grobklotziger Hornochse, der außer Saufen und politischem Gemauschel nicht viel auf die Reihe kriegt. Die Schwiegermutter eine hinterfotzige Giftspritze. Wo es geht, wird Sophie von ihr beleidigt, beschimpft, gedemütigt. „Zu vertrocknet zum Kinderkriegen!“, blafft die Alte sie an. Immer der gleiche Vorwurf! Doch dann stößt die angeblich unfruchtbare Sophie auf Unterlagen, die besagen, dass ihr Göttergatte zeugungsunfähig ist. Jetzt knallt es im Hause Gruber. Zunächst geht das Ehepaar mit Gebrüll und Gepolter aufeinander los; dann fällt ein Schuss. Der Gruber Sepp hat ein Loch im Kopf. Es sieht nach Selbstmord aus. So eine Schande! Und die Versicherung!? Da muss sich doch was machen lassen, denkt die alte Gruberin. Und es lässt sich etwas machen in Brunsing, wo alle nach der Pfeife der mächtigen Gruber-Sippschaft tanzen. Das bekommt bald auch die junge Gruberin handfest zu spüren: Sophie ist Alleinerbin – aber da muss sich doch was machen lassen, noch dazu, wenn ein Gruber-Sohn bei der örtlichen Polizei ist…
„Die Gruberin“ ist ein bayerischer Komödien-Cocktail, der aus köstlichen und sehr unterschiedlichen Zutaten gemixt ist. Alle spielen verrückt, jeder in diesem fabelhaft verkommenen Brunsing ist nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Außer Sophie. Ihre Welt besteht nicht aus Neid und Habgier. Stolz geht sie ihren Weg, lässt sich nicht beirren. Dieses Nest wünscht ihr die Pest an den Hals. Komisch ist das nicht für die Hauptfigur von Thomas Kronthalers Film. Lisa Maria Potthoff („Tödlicher Rausch“) spielt denn auch ihre Sophie bodenständig ernsthaft mit hohem Sympathiewert und gegen Ende mit einem feinen, verschmitzten Lächeln. Ein Gleichgesinnter in Sachen Tonlage ist Peter Mitterrutzner als missachteter Opa Gruber und Womanizer Sebastian alias Stephan Luca, den die Heldin zwischenzeitlich auch in die Verschwörung gegen sich involviert glaubt. Auch für den Zuschauer, der trotz der Komödien-Signale die Handlung keineswegs in genregemäßer Distanz genießt, sondern den Film mit großer Nähe zur ungerecht behandelten Hauptfigur verfolgt, ist dieses an Boshaftigkeit und infamer Lüge kaum zu überbietende Treiben nicht zum Lachen.
Doch dann verselbständigen sich zwischendurch immer wieder die komischen Momente – und lassen die dramatische, menschlich bitterböse Grundsituation vergessen. Ein Versprechen in diese Richtung ist bereits das Intro, eine Traumszene in knalligem „Amélie“-Look, in der die Heldin lustvoll ihren offenbar im Innersten ihres Herzens verhassten Ehemann mit dem Mähdrescher überrollt. Auch die Sequenz, in der die Grubers die Leiche für den „richtigen“ Totenschein präparieren, ist wunderbar schwarzhumorig: „Zahlen die überhaupt bei Selbstmord?!“ Wohl kaum. Also rasch Tatort und Leiche gesäubert, den Sepp ins Bett verfrachtet, das Loch im Kopf gepudert, einen zünftigen Hut über die Wunde, den tatterigen Dorfarzt betrunken gemacht – und gut ist’s. Und zwischenrein krachledert es dann in bester Slapstick-Manier: viel Gerenne um nichts, der Hund verspeist das gefälschte Testament am Ende doch. Oft aber sind es die urigen Zwischenspiele, die Ehe-Streitigkeiten der Vorzeige-Familie von Sophies Schwager, oder die ganz kleinen komischen Momente, das bayerisch-absurde Aneinander-Vorbeireden, eine Fliege im Bierglas oder die Art und Weise, wie das Gemauschel am Stammtisch inszeniert wird: da werden durch die Cadrage die feisten Gesichter der Großkopferten noch ein feister, da kriecht die Arglist förmlich aus jeder Pore.
„Auf Mundart zu spielen, hilft mit auf jeden Fall bei der Charakterfindung einer Figur. Dialekt kann sogar den Gestus eines Menschen verändern. Selbst im Alltag: Es ist ein riesiger Unterschied, ob ein bayerisch sprechender Mensch vor dir steht, oder der gleiche Mensch, der Hochdeutsch spricht.“ (Lisa Maria Potthoff)
Überhaupt, die Filmsprache. Schräge Vögel verdienen schräge Perspektiven. Das hohe Tempo ist in dem redundanzfreien, mit Märchenmotiven durchzogenen Drehbuch von Claudia Kaufmann bereits angelegt. Was hinzukommt, ist eine Montage, die sich auf das Wesentliche konzentriert und deren Schnelligkeit (unterstützt von den verspielten Klängen moderner Volksmusik) nicht unwesentlich zum komischen Gesamteindruck von „Die Gruberin“ beiträgt. Am Ende darf man sich erwartungsgemäß freuen als Zuschauer. Man kann das Happy End genießen, aber nicht gefühlsduselig auskosten. Denn in der Schlussszene wartet Kaufmann mit einer gesellschaftskritischen Pointe auf, die deutlich macht, dass Sophies urbayerische Welt mit Amélies fabelhafter wenig gemeinsam hat. (Text-Stand: 30.10.2013)