Aus der ersten ARD-Märchenstaffel, „Sechs auf einen Streich“ (2008), ragte ein Film mit Abstand heraus: Die Verfilmung von „König Drosselbart“ mit Ken Duken war eine beschwingte romantische Komödie und hätte durchaus auch im Abendprogramm laufen können. Das gleiche Team (Regie: Sibylle Tafel, Produktion: Kinderfilm) hat nun für die zweite Staffel mit der „Gänsemagd“ ein weniger bekanntes Märchen der Gebrüder Grimm adaptiert. Die Geschichte lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Die missgünstige Magd Magdalena ist zerfressen von dem Ehrgeiz, reich und berühmt zu werden, und zwingt Prinzessin Elisabeth zum Rollentausch. Die Handlung funktioniert also auf zwei Ebenen: Einerseits träumen viele kleine Mädchen davon, in Wirklichkeit eine Prinzessin zu sein; andererseits darf Magdalena mit ihrem himmelschreienden Unrecht nicht davon kommen.
Das Autoren-Paar Anja Kömmerling und Thomas Brinx schickt der eigentlichen Geschichte einen Marionetten-Prolog voraus, in dem zwei Könige einander ihre Kinder versprechen. Selbst Erwachsenen aber erschließt sich erst viel später, dass es sich bei Prinzessin Elisabeth (Karolin Herfurth) und Prinz Leopold (Florian Lukas), den Hauptfiguren der sich rund zehn Jahre später abspielenden eigentlichen Handlung, um niemand anderen als die Königskinder aus der Einführung handelt; und bei Magdalena (Susanne Bormann) um jenes Mädchen, das sich zu Beginn das Marionettenstück angeschaut hat. Unmittelbar danach hält die Königskutsche neben ihr: Magdalena soll der jungen Prinzessin Wasser aus dem Bach holen. „Füll mir den Becher“ wird später zum Markenzeichen ihres Machtmissbrauchs. Und auch die Puppe, die die Kutsche beim Wegfahren überfährt, wird am Ende noch mal eine Rolle spielen.
Vielleicht ist es auch gar nicht so wichtig, dass Kindern die Parallelen kaum auf Anhieb klar sein dürften. Die Darsteller und die liebevollen Details machen „Die Gänsemagd“ sehenswert. Sehr amüsant ist Henry Hübchen als König, der zur Begrüßung die ohnehin stets schief sitzende Krone lüftet. Hübsch sind auch die moderaten magischen Momente, wenn Elisabeth den Wind dazu bringt, dem kecken Gänsehirten den Hut vom Kopf zu pusten. Aus Sicht der Zielgruppe höchst fragwürdig (aber nun mal Teil des Märchens) ist die Schlachtung ihres Lieblingspferds Fallada, dessen Kopf fortan einen Ausgang der Burg ziert; selbst wenn sein regelmäßiger Abschiedsgruß maßgeblichen Anteil an Elisabeths Inthronisierung hat.