Die Friedensmission – 10 Stunden Angst

Eitner, Bohm, Kowalski, Knaup, Betz, Grünler. Großes Flennen der kleinen Rambos

Foto: Sat 1 / Jiri Hanzl
Foto Rainer Tittelbach

„Die Friedensmission – 10 Stunden Angst“: Der Bundeswehreinsatz in Bosnien ist für das TV-Movie von 1997 allenfalls Hintergrund, auf dem sich ein überzeitliches (Männer-)Drama abspielt, das Drama zweier Elite-Soldaten und eines Militärpfarrers. Man braucht seine Zeit, um hineinzukommen in diese Welt der grünen Tarnanzüge, des Kommisstons, und der verordneten Gleichgeschlechtlichkeit. Doch dann, vorausgesetzt, man lässt sich als Zuschauer darauf ein, gewinnt Jörg Grünlers perfekt inszeniertes und top besetztes Kriegsfilmdrama zunehmend an Spannung, die im Schlussdrittel noch systematisch gesteigert wird.

„Wir sind nichts weiter als nützliche Idioten.“ Soldaten, Spielbälle der internationalen Politik – beim Bundeswehreinsatz in Bosnien fühlte sich so mancher fehl am Platz. Das Pro-Sieben-Movie „Die Friedensmission – 10 Stunden Angst“ erzählt auf jenem Schauplatz der Zeitgeschichte von einem verhängnisvollen Aussetzer eines vermeintlichen Bundeswehr-Profis. Soldaten im Psycho-Stress und klassischer Suspense – so halten Drehbuchautor Johannes W. Betz und Regisseur Jörg Grünler („Lemgo“) die Zuschauer in Atem.

„Der Film zeigt, wie junge Menschen in Situationen reingeworfen werden, denen sie überhaupt nicht gewachsen sind“, so Felix Eitner („Brüder auf Leben und Tod“). Der 29Jährige spielt Unteroffizier Matthis, jenen Bundeswehrsoldaten, der bei einer Routine-Kontrolle eine Frau und einen Kameraden im Affekt erschießt. Gejagt wird er von seinem Ausbilder Joers, gespielt von Uwe Bohm („Yasemin“), der bei dem Zwischenfall einen Streifschuss abbekommen hat, und einem Militärpfarrer namens Babel, verkörpert von Rudolf Kowalski („Sandmann“), der den Amokschützen lebend in die Militärbasis zurückholen will.

„Du kannst niemals so vorbereitet sein, dass Du den Krieg emotional in den Griff bekommst“, betont Redakteur Peter Lohner. Wie ein roter Faden zieht sich diese Wahrheit durch die 100  packenden Filmminuten. Realismus – das bedeutet bei „Die Friedensmission“ nicht politische, sondern zwischenmenschliche Konfliktbewältigung. Aber auch die Details stimmen. Gedreht wurde in einem militärischen Sperrgebiet in der tschechischen Pampa. Primitive Holzhütten, Kälte und Matsch, Natur pur – 32 lange Tage. Und ein Leutnant der Reserve gab den größtenteils Bund-unerfahrenen Schauspielern die Kommandos. „Drei Tage bin ich mit ihm in voller Montur durch den Wald marschiert, bin Abhänge rauf- & runtergerobbt“, so Bohm.

Die Friedensmission – 10 Stunden AngstFoto: Sat 1 / Jiri Hanzl
„Friedensmission“ ist kein Kriegsfilm, sondern ein Drama aus einem Kriegsgebiet. General Troller (Michael Mendl) & der verletzte Stabsunteroffizier Joers (Uwe Bohm)

Kritik: „Die Friedensmission – 10 Stunden Angst“ (Spoiler-Alarm!):
Man braucht seine Zeit, um hineinzukommen in diese Welt der grünen Tarnanzüge, des Kommisstons, und der verordneten Gleichgeschlechtlichkeit. Doch dann, vorausgesetzt, man lässt sich als Zuschauer darauf ein, gewinnt das perfekt inszenierte TV-Movie „Die Friedensmission – 10 Stunden Angst“ zunehmend an Spannung, die im Schlussdrittel noch systematisch gesteigert wird. Der Bundeswehreinsatz in Bosnien ist dabei allenfalls Hintergrund, auf dem sich ein überzeitliches (Männer-)Drama abspielt, das Drama zweier Elite-Soldaten und eines Militärpfarrers. Rund 75 Minuten werden der Zuschauer, General und Major im Glauben gelassen, der sympathische Jungoffizier Matthis sei ein Amokläufer. Dabei war es sein Vorgesetzter Joers, der eine Zivilistin und einen Kameraden auf dem Gewissen hat. Es ist eine große dramaturgische, inszenatorische wie mimische Kunst, diese Lüge solange glaubhaft durchzuhalten. Felix Eitner musste von Regisseur Grünler sowohl als möglicher Täter als auch als sympathisches Opfer geführt werden. Der Schauspieler überzeugte in den Zwischentönen wie alle anderen Darsteller, von Rudolf Kowalski bis Uwe Bohm, für die die Angst mehr war als nur Augen-Aufreißen. Die Psychologie stimmte bei Figuren wie Handlung. Nie wurde nur auf bloße Wirkung gesetzt, die Logik der wahren Geschichte wurde nicht verletzt durch das Erzählen der falschen. So war denn „Die Friedensmission – 10 Stunden Angst“ eher Psycho- als Action-Drama, eher Kammerspiel unter freiem Himmel als Kriegsfilm. tit.

In Optik und Montage erreicht der erste Pro-Sieben-Film unter Michael Bütows Leitung („Der Sandmann“) internationalen Standard. Emotion ist Bewegung – Bewegung der Kamera, Bewegung durch Schnitte. In Action-Szenen wurde – bei uns noch unüblich – mit mehreren Kameras gedreht. Dazu stapften 120 Komparsen durch den tschechischen Matsch. Kein Wunder, dass dieser Ifor-Thriller mit drei Millionen Mark Herstellungskosten 50 Prozent über einem normalen TV-Movie liegt. Ins Geld gingen insbesondere die Waffen und Uniformen. Die Bundeswehr stand dem Projekt skeptisch gegenüber und gab keine materielle Unterstützung.

Die Friedensmission – 10 Stunden AngstFoto: Sat 1 / Jiri Hanzl
Ein Sat-1-FilmFilm made in Germany. Der Militärpfarrer Babel (Rudolf Kowalski) wurde offenbar lange Zeit getäuscht.

„Friedensmission“ ist kein Actionfilm. „Der Schwerpunkt der Geschichte liegt auf der psychologisch-menschlichen Ebene“, betont denn auch Redakteur Lohner. Das große Flennen der kleinen Rambos. „Die Männer kommen von einer Scheiße in die nächste, haben also nicht große Möglichkeiten, die Muskeln spielen zu lassen“, sagt Regisseur Grünler. Er, der nicht dafür war, dass die Bundeswehr in Ex-Jugoslawien eingreift, ist überzeugt, einen Antikriegsfilm gemacht zu haben. Aber keinen Film über den Bosnien-Krieg. „Die Geschichte hätte auch in Vietnam oder im Golfkrieg passieren können.“

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Fernsehfilm

Pro Sieben

Mit Felix Eitner, Uwe Bohm, Rudolf Kowalski, Michael Mendl, Herbert Knaup, Nina Kronjäger, Ann-Kathrin Kramer

Kamera: Jiri Machane

Musik: Michael Landau

Produktionsfirma: H&V Entertainment

Drehbuch: Johannes W. Betz

Regie: Jörg Grünler

EA: 02.05.1997 20:15 Uhr | Pro Sieben

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