Wenn Partner fremdgehen, hagelt es Vorwürfe. Verletzte Eitelkeit macht sich Luft. Auch aus Filmen kennt man solche Situationen. In „Die Freundin der Tochter“ macht es die Mittfünfzigerin Hannah anders. Zwar ist auch sie gekränkt, verletzt, aber sie reagiert wie eine erwachsene Frau. Ihre Erfahrung ist ihr ein guter Wegweiser: als sie merkt, dass aus dieser Affäre mehr werden könnte, bewahrt sie Ruhe und nimmt selbst die Zügel in die Hand. Sie will ihren Paul wieder für sich allein haben. Dafür beginnt sie ein riskantes Spiel, lernt ihre Nebenbuhlerin kennen, gewinnt ihr Vertrauen und wird ihre Beraterin in Sachen „was Männer im reifen Alter mögen“. Hannahs Rechnung scheint aufzugehen, gäbe es nicht ein Problem: Charlotte ist nicht nur die Geliebte ihres Mannes, sondern auch die Freundin ihrer Tochter.
Das Spannende am Allerweltssujet „Betrogene Ehefrau wird durch eine wesentlich Jüngere ersetzt“ ist in „Die Freundin der Tochter“ die Perspektive, aus der der Film erzählt wird. Es ist die Sicht der Betrogenen, die aus ihrem Mehrwissen Kapital schlägt und nach und nach die Regie übernimmt im Liebesspiel der Konkurrentin. Statt den beliebten Satz „Sie könnte deine Tochter sein“ ins Drehbuch zu schreiben, machte die Autorin Marie Funder alias Doris J. Heinze lieber die Tochter zur Freundin der Geliebten des Vaters. Dafür schlichen sich ein paar Ungereimtheiten in die Geschichte ein: Man fragt sich, weshalb Charlotte nie ihrer guten Freundin, aber ihrer Schwedischkursbekanntschaft Hannah ein Foto ihres Liebsten zeigt? Wirkungsvoll ist die Konstruktion der Geschichte allemal. Der Zuschauer kann sein Mehrwissen genießen – und auf den Gesichtern nach den inneren Zuständen suchen.
Entsprechend sucht Regisseur Josh Broecker immer wieder die Gesichter seiner hervorragenden Schauspieler: Katrin Saß, deren Hannah leidenschaftliche Cellistin ist, zeigt uneitel die Spuren her, die das Leben bei ihr hinterlassen hat. Eine melancholische Stimmung legt sich immer wieder über die Nahaufnahmen ihres Gesichts. Und wie der heimliche „Betrüger“ Paul stets nach der passenden Mimik suchen muss, wenn seine Frau ihn unangemeldet in der Mittagspause besucht oder sie ihm nach dem Rinderbraten bei Charlotte zuhause auch noch mal sein Leibgericht (im doppelten Sinne köstlich!) auftischt, so sucht für diese Suche Edgar Selge die richtigen Nuancen – und er findet sie hier bei diesem Liebhaber von der traurigen Gestalt ebenso gut wie bei seinen grotesken Stadtneurotikern.
Katrin Sass als selbstbewusste Betrogene ist das Herzstück dieser Tragikomödie, die auf das voyeuristische Urprinzip des Kinos setzt. Man nimmt ihr diese Stärke ab – eine Stärke, die so effektiv ist, weil sie auch die Schwäche, den Schmerz als Gegengefühl kennt. Saß ist die ideale Besetzung, weil sie nicht in die Versuchung kommt, eine patente Powerfrau aus Hannah zu machen. Bei der nuancierten Nabelschau des 50-plus-Paares überzeugen auch die gestandenen Jungdarsteller Susanne Bormann und Esther Zimmering. (Text-Stand: 15.5.2009)