Die Fahnderin

Riemann, Mehmet, Züli Aladag. Eine Steuer-CD und der Kampf David gegen Goliath

Foto: WDR / Hans-Joachim Pfeiffer
Foto Rainer Tittelbach

Endlich einen millionenschweren Steuerhinterzieher für „den Diebstahl an der Gemeinschaft“ hinter Gitter bringen, das ist das Ziel einer engagierten Steuerfahnderin. Die Strategie: „Wir greifen uns einen prominenten Namen heraus und dann hoffen wir auf die Selbstanzeigen.“ Doch: der Auserwählte kann auf ein starkes Netzwerk bauen. Trotz sperrigen Themas ist „Die Fahnderin“ ein spannender, unterhaltsamer Film geworden. Das Thema, sympathische Antihelden, eine flüssige, nicht zu stylishe Inszenierung und vor allem Katja Riemann mit mindestens zwei Gesichtern sind die Pluspunkte. Abzüge nur in der Dramaturgie-Note.

Vier Aufrechte gegen einen Steuerbetrüger
„Frau Kahane hat sich über die Jahre einen gewissen Ruf erarbeitet: kompromisslos, penibel, stur und ohne jedes diplomatische Gespür.“ Der Generalstaatsanwalt muss es wissen: diese Frau macht ihm immer wieder das Leben schwer, aber nicht nur – beide haben seit Jahren ein heimliches Verhältnis miteinander. Diese unerschrockene Frau wird, nachdem dem Land Nordrhein-Westfalen eine Schweizer Steuer-CD zugespielt wurde, zum Gesicht der oft belächelten deutschen Steuerfahndung. Benedikt Sämann, ein einflussreicher Unternehmer und vermeintlicher Wohltäter, ist ihr erster „Auserwählter“. Doch die Aktion führt nicht zum erwünschten Erfolg; es gibt einen Verräter im Amt. Jetzt heißt es für Kahane und ihr treues, dreiköpfiges Team, in akribischer Kleinarbeit Teile des vernichteten Beweismaterials wiederherzustellen und die Umstände der Gründung von Sämanns Stiftung, bei der er sieben Millionen Euro unterschlagen haben soll, zu rekonstruieren. Außerdem muss der Geldbote ausfindig gemacht werden. Und alles muss schnell gehen. Denn die Verjährungsfrist rückt näher und der mächtige Gegner holt zum Gegenschlag gegen die vier Aufrechten aus.

Die FahnderinFoto: WDR / Hans-Joachim Pfeiffer
Die vier Aufrechten: die geborenen Antihelden. Ihr Außenseiter-Dasein macht sie besonders sympathisch. Maxim Mehmet, Albrecht Abraham Schuch, Katja Riemann und Heiko Pinkowski. Sie wollen mehr sein als „unsichtbare Diener des Staates“.

Steuerhinterziehung durch unsere Eliten
Acht Jahre sind seit dem Kauf der ersten CD mit Bankdaten deutscher Steuerbetrüger vergangen, jetzt gibt es endlich die erste fiktionale Auseinandersetzung mit dem gesellschaftspolitisch brisanten Thema. Vieles, mit dem sich die Steuerfahndung auch im wahren Leben herumschlagen muss, ist in die Geschichte des Fernsehfilms „Die Fahnderin“ eingegangen. Da ist das Promi-Prinzip: „Wir greifen uns einen prominenten Namen heraus und dann hoffen wir auf die Selbstanzeigen“, so beschreibt es die von Katja Riemann gespielte Heldin im Film. Der Hintergrund: zu viele Steuersünder, zu wenig Steuerfahnder, zu wenig Zeit. Da ist das Netzwerk-Prinzip: Steuersünder Sämann ist ein wichtiger Arbeitgeber, er ist Sympathieträger, Spender, Wohltäter – dementsprechend reicht sein langer Arm noch weiter als nur in die Finanzbehörde. Und da ist das Image-Problem: Steuerfahndung – das riecht nach Akten, nach Staub, nach Amtsschimmel. Die „Polizei“ des Finanzamtes ist chronisch unterbesetzt – graue Mäuse im Kampf gegen die Welt der Superreichen. So trocken die Realität auch sein mag, so gab sie doch dem Drehbuchautor Stefan Dähnert auch hinreichende dramaturgische Steilvorlagen für die fiktionale Umsetzung – wie das David-gegen-Goliath-Prinzip, der Faktor Zeit oder der Sympathie-Bonus für die Antihelden.

Wie man Steuerfahndung sexy macht
„Wir müssen das spannender machen und Grenzen übertreten, die Steuerfahnder eigentlich nicht übertreten“, betont Riemann. Bei aller gesellschaftlicher Relevanz, die die Geschichte verspricht, sollte „Die Fahnderin“ vor allem auch ein spannender Film werden. Da Aktenrecherche nicht sexy ist, musste sich Dähnert einiges einfallen lassen. Und so musste ein Verräter in der Finanzbehörde her, wurde der Steuerfahnderin noch eine Tochter ins Drehbuch geschrieben, damit die alles andere als perfekte private Seite der Heldin ans Licht kommen kann, und so führen Kahane und der Generalstaatsanwalt ihre kleinen Dispute gelegentlich leicht bekleidet auf dem Zimmer eines Luxushotels. Das alles kann man als clever, gleichsam aber auch als kalkuliert empfinden. Keine Frage, dass der kurze Dienstweg übers Bett der Staatsanwaltschaft später noch für die juristische Schlammschlacht benutzt wird, bei der man versucht, die persönliche Integrität der Steuerfahnder zu beschädigen. Keine Frage, dass Kahanes Tochter ausgerechnet dann austickt und verschwindet, wenn die Mutter nach einem misslungenen Einsatz ohnehin schon am Boden ist. Und damit nicht genug: es folgt auch noch die Beurlaubung Kahanes (die jetzt Zeit hat, sich um die Tochter zu kümmern). Spannungsdramaturgisch ist das wenig aufregend. Hinzu kommt, dass Dähnert bei der Zeichnung der Charaktere die letzte Stimmigkeit vermissen lässt. Ein Exkurs beim Amtsarzt ist zu wenig, um die Psychologie dieser Karola Kahane zu durchleuchten (zumal diese Szene vornehmlich einem dramaturgischen Zweck dient). Sehr viel mehr, als dass diese Frau für ihren Beruf ihre Tochter vernachlässigt, erfahren wir nicht über sie. Dass diese zutiefst gewissenhafte Person eine lockere Affäre hat, das passt dem Autor für den Plot, zu dieser Figur passt es nicht. Dass sie ebenso luxuriös wohnt wie der der Steuerhinterziehung Beschuldigte, mag dem Look gut tun, ist aber alles andere als nachvollziehbar (auch wenn man sich denken kann, dass ihr verstorbener Mann wohlhabend gewesen sein muss).

Die FahnderinFoto: WDR / Hans-Joachim Pfeiffer
Ein ganz besonderes Geschenk für die heimliche Geliebte. Der Generalstaatsanwalt weiß, wie er Karola Kahane glücklich machen kann. Götz Schubert und Katja Riemann in „Die Fahnderin“ (ARD, 2014)

Katja Riemann über ihre Maske:
„Einer Frau, über die ständig gesagt wird, dass ihr all der Gegenwind, den sie erfährt nichts ausmacht, dass sie tough, stark, eigenwillig und unabhängig ist, dass ihr Anfeindungen am Arsch vorbeigehen – der macht das eben doch was aus. Keiner kann sein Gesicht so hinhalten. Darum habe ich das Gesicht beschützt – mit Haaren, Pony, Brille… voilà.“

Ein Hauch von Lisa Plenske
Dass die kleinen Mängel des Buches beim Schauen des Films kaum weiter ins Gewicht fallen, das liegt an Züli Aladags Inszenierung, die für das sperrige Thema sehr flüssig, visuell reizvoll, aber für die Verhältnisse des Regisseurs doch nicht überzogen stylish ausgefallen ist, das liegt an der Chemie zwischen den vier Aufrechten, die bisweilen recht komisch ihr Outlaw-Image (ein schwuler Finanzamt-Sesselfurzer, ein fleißiger, korrekter Bedenkenträger, ein Greenhorn-Staatsanwalt) kultivieren dürfen und es liegt ganz besonders an Katja Riemann. Wie diese Schauspielerin die gewollten Brüche sinnlich verdichtet oder auch die kleinen Ungereimtheiten ihrer Figur einfach wegspielt, das ist großartig. Ihre Karola Kahane ist eine Frau mit zwei Gesichtern. Da ist der biedere Wollmantel, ein altmodischer Faltenrock (oder ist das retro und der letzte Schrei?) – und dann kommt gelegentlich diese sexy-Frau unter dieser biederen Fassade zum Vorschein. Versteckt sich diese Frau bewusst hinter Brille, Kleidung und Frisur oder ist es das, was Riemann für die Rolle benötigte, um diesen „fremden“ Charakter spielen zu können? Oder soll dieses Outfit die (erotische) Phantasie des Zuschauers beflügeln? Dass Riemann in dieser Verkleidung aussieht wie eine in die Jahre gekommene Lena Plenske alias Alexandra Neldel als hässliches Entlein in der Sat-1-Serie „Verrückt nach Berlin“ ist den Maskenbildnerinnen sicher nicht erst hinterher aufgefallen. (Text-Stand: 28.2.2014)

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Fernsehfilm

NDR, WDR

Mit Katja Riemann, Maxim Mehmet, Heiko Pinkowski, Albrecht Abraham Schuch, Götz Schubert, Alexander Held, Ralph Herforth, Sarah Horváth, Waldemar Kobus, Andreas Schröders

Kamera: Busso von Müller

Szenenbild: Thomas Franz

Schnitt: Boris Gromatzki

Produktionsfirma: UFA Fiction

Drehbuch: Stefan Dähnert – Mitarbeit: Patrick Brunken

Regie: Züli Aladag

Quote: 6,16 Mio. Zuschauer (19,3% MA)

EA: 26.03.2014 20:15 Uhr | ARD

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