Der Zürich-Krimi – Borchert und der Schuss ins Herz

Kohlund, Klink, Kiwitt, Kampwirth, Jakoby, Hummel, Roland Suso Richter. In der Schusslinie

Foto: Degeto / Roland Suso Richter
Foto Tilmann P. Gangloff

Manchmal kann der Beruf eines Mannes seine Familie zerreißen: Der von Stephan Kampwirth als liebevoller Vater verkörperte Unternehmer Gessler stellt Waffen her. Im Unterschied zum überlangen Jubiläums-Zweiteiler ist „Borchert und der Schuss ins Herz“ (Degeto / Graf Film, Mia Film) wieder gewohnt dicht erzählt. Nach einem Thriller-Auftakt wandelt sich die Handlung zunehmend zum Drama, zumal Gesslers Tochter ganz erheblich mit dem Metier ihres Vaters hadert. Der 21. „Zürich-Krimi“ ist bereits der 14. Film von Roland Suso Richter für die Reihe. Die Bildgestaltung ist gewohnt hochwertig, aber mindestens genauso wichtig ist die gute Ensemble-Leistung; gerade die jungen Mitwirkenden machen ihre Sache sehr gut.

Der Titel ist, beim Wort genommen, irreführend: Es gibt zwar Tote in diesem Krimi, und zu Beginn wird auch geschossen, aber „Schuss ins Herz“ ist eher bildlich zu verstehen. Vordergründig geht es um die Aufklärung eines Mordes, den angeblich ein junger Hacker begangen hat, doch der 21. „Zürich-Krimi“ handelt vor allem von einer familiären Tragödie: Hans Gessler (Stephan Kampwirth) stellt mit seinem Unternehmen Waffen her. Aktuell bewirbt er sich um den größten Auftrag in der Historie des von seinem Vater gegründeten Unternehmens: Die Kantonspolizei braucht neue Handfeuerwaffen. Käme der Deal zustande, würden sich weitere Kantone anschließen. Dabei geht es nicht nur um 15 Millionen Franken: Die Firma würde enorm an Reputation gewinnen. Gessler hat beim Vertragspoker gute Karten, aber auch die Konkurrenz ist scharf auf den lukrativen Vertrag. Als die Ausschreibungsdaten bei einem Einbruch ins Haus der Familie kopiert werden, droht das Geschäft zu platzen: Wenn die Mitbewerber Einsicht in sein Angebot bekommen, können sie ihn unterbieten.

Der Zürich-Krimi – Borchert und der Schuss ins HerzFoto: Degeto / Roland Suso Richter
Auf dem Weg zur Familientragödie. Zanger (Robert Hunger-Bühler) und der Waffenhersteller Gessler (Stephan Kampwirth)

Auf dieser wirtschaftskriminalistischen Basis entwickeln Wolf Jakoby, Robert Hummel (Buch) und Roland Suso Richter (Regie) eine Geschichte, die zunächst jedoch ganz anders beginnt. Erst später stellt sich heraus, was während des als Thriller inszenierten knapp drei Minuten kurzen Prologs tatsächlich passiert ist: Gangster haben Gesslers Sohn entführt, sie wollen den jungen Mann gegen eine Waffenlieferung eintauschen. Der Vater hat die Polizei eingeschaltet, doch die Befreiungsaktion geht schief, die Mutter nimmt sich kurz darauf aus Kummer mit einer Überdosis Tabletten das Leben; so haben es zumindest die Medien berichtet. In Wirklichkeit war alles noch viel schlimmer, doch diese tragische Pointe hebt sich das Buch für den Schluss auf. Die eigentliche Handlung setzt 15 Monate nach dem Auftakt ein. Der Alltag der Gesslers hat sich einigermaßen normalisiert: Tochter Zoe (Carla Hüttermann) hat einen eigenen Bodyguard (Anton Rubtsov), der sie wie eine Nanny auf Schritt und Tritt begleitet. Kein Wunder, dass sich die Studentin nach einem ganz gewöhnlichen Leben sehnt. Mit dem Metier ihres Vaters hat sie ohnehin ein erhebliches Problem.

Klugerweise haben Buch und Regie darauf verzichtet, den Mann zu dämonisieren: Gessler ist ein durchaus liebevoller Vater, selbst wenn er nur wenig Zeit für die Tochter hat. In seine Rolle ist offenbar mehr und mehr Personenschützer Marcel geschlüpft. Umso härter trifft Zoe der Verlust auch dieser Bezugsperson: Als sie plötzlich einer Gestalt gegenübersteht, kann sie sich in den Panikraum retten. Marcel hat die Person bis ins Clubgebäude der Zürcher Hackerszene verfolgt und ist dort erschlagen worden. Für Hauptmann Furrer (Pierre Kiwitt) ist der Fall klar: Daniel (Jonathan Lade), Mitglied einer Gruppe, die im Internet „Schweinefirmen an den Pranger“ stellt, ist ins Haus eingedrungen und hat sich über Gesslers Computer Zugang zum Firmennetzwerk verschafft, um auf diese Weise an das Vertragsangebot zu gelangen. Anwalt Borchert (Christian Kohlund) und seine Partnerin (Ina Paule Klinik) kommen ins Spiel, weil Dominique den jungen Mann schon des Öfteren pro bono vertreten hat; von ihr stammt auch die Formulierung mit den „Schweinefirmen“. Dass sich Daniel die Daten verschafft hat, passt ins Bild, aber er ist sicher kein Mörder. Die Juristin glaubt, dass er zum Sündenbock gemacht werden soll, und will ihn „aus der Schusslinie nehmen“; ein treffendes Bild in diesem Zusammenhang. Der Datenträger, auf den Daniel die Unterlagen kopiert hat, ist verschwunden; auch das lässt vermuten, dass Gesslers Konkurrenz die Finger im Spiel hat. Zoe ist ohnehin von Daniels Unschuld überzeugt: Er ist ihr Freund.

Der Zürich-Krimi – Borchert und der Schuss ins HerzFoto: Degeto / Roland Suso Richter
Für Zoe Gessler (Carla Hüttermann) wiegt der Fall persönlich besonders schwer. Bruder Daniel (Jonathan Lade) ist Mitglied einer Gruppe, die im Internet „Schweinefirmen an den Pranger“ stellt. Will man ihm womöglich einen Mord in die Schuhe schieben?

Im Unterschied zum überlangen Jubiläumszweiteiler („Borchert und die Stadt in Angst“) ist „Borchert und der Schuss ins Herz“ dicht erzählt. Auch die Bildgestaltung – diesmal wieder von Max Knauer, der die Mehrzahl von Richters „Zürich-Krimis“ fotografiert hat – bewegt sich auf gewohnt hohem Niveau. Da die Handlung nach dem Thriller-Prolog zunehmend zum Drama wird, sind die guten Leistungen gerade von Jonathan Lade und Carla Hüttermann umso wichtiger. Die Mitwirkenden in den wichtigen Nebenrollen sind zwar nicht annähernd so prominent wie Episodengast Stephan Kampwirth, fügen sich aber nahtlos in die gute Ensemble-Leistung ein. Das Lied, das Daniel und Zoe miteinander verbindet, hat Michael Klaukien gemeinsam mit Sängerin Marion Lenfant-Preus eigens für den Film komponiert.

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Reihe

ARD Degeto

Mit Christian Kohlund, Ina Paule Klink, Pierre Kiwitt, Stephan Kampwirth, Carla Hüttermann, Jonathan Lade, Anton Rubtsov, Lisa Flachmeyer, Susi Banzhaf, Yves Wüthrich, Robert Hunger-Bühler, Nils Nellessen

Kamera: Max Knauer

Szenenbild: Detlef Provvedi

Kostüm: Mirjam Muschel

Schnitt: Achim Seidel

Musik: Michael Klaukien

Soundtrack: Marion Lenfant-Preus („Falling“)

Redaktion: Diane Wurzschmitt, Katja Kirchen

Produktionsfirma: Graf Filmproduktion, Mia Film

Produktion: Klaus Graf, Livia Graf-Bechler, Annemarie Pilgram, Michael Pokorný

Drehbuch: Wolf Jakoby, Robert Hummel

Regie: Roland Suso Richter

Quote: 6,57 Mio. Zuschauer (25,6% MA)

EA: 16.12.2024 10:00 Uhr | ARD-Mediathek

weitere EA: 19.12.2024 20:15 Uhr | ARD

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