Selbst wenn die Ballade aus 14 Strophen besteht: Aus einem Gedicht einen neunzigminütigen Spielfilm zu machen, ist ein echtes Kunststück. Tatsächlich hat sich das für seine vielen Märchenadaptionen bekannte Autorenduo Anja Kömmerling und Thomas Brinx durch Goethes Geschichte vom Zauberlehrling, der die Geister, die er rief, nicht mehr los wird, zu einer völlig neuen Handlung inspirieren lassen. Der Besen, dem der allzu ehrgeizige Titelheld vergeblich Einhalt gebietet, wirkt zwar auch mit, doch die Überschwemmung, die er verursacht, ist bloß eine Episode. Gegen Ende hat das Reisiggerät allerdings maßgeblichen Anteil an der Rettung des Jungen und seiner Mitstreiterin, denn der Film, eine seltene Koproduktion von MDR & ZDF, erzählt letztlich vom Kampf des Guten gegen das Böse: Vagabund Valentin (Max Schimmelpfennig) kommt in eine Stadt, die von einer Rattenplage heimgesucht wird. Als er mitbekommt, dass der königliche Hofzauberer Ambrosius (Christoph Bach) einen Lehrling sucht, ist er Feuer und Flamme, zumal sich alsbald zeigt, dass er über Talent verfügt. Allerdings muss er sich gegen Mitbewerberin Katrina (Pauline Rénevier) durchsetzen, und weil ihn das Mädchen unfair ausbootet, landet er beim Apotheker Zacharias (Felix von Manteuffel). Der war Ambrosius’ Ausbilder und Vorgänger, bis er vor fünf Jahren in fataler Selbstüberschätzung einen schrecklichen Fehler begangen hat; die Statue der zu Stein gewordenen jungen Clara erinnert ihn regelmäßig an den Tag, an dem er der Zauberei abgeschworen hat. Das ändert sich, als er gemeinsam mit Valentin rausfindet, dass Ambrosius nicht nur der Urheber der Rattenplage war, die er über Nacht beenden konnte, sondern noch finsterere Pläne hegt: Gemäß einer alten Prophezeiung will er seine Kräfte mit der weltlichen Macht der alleinstehenden Königin (Sandra Borgmann) vereinen und nicht weniger als die Weltherrschaft anstreben. Der Zauberer im Ruhestand, sein Gehilfe & Katrina, in die sich Valentin verliebt hat, sind die einzigen, die ihn stoppen können.
Foto: ZDF, MDR / Steffen Junghans
Germanisten werden vermutlich anmerken, dass es des Balladenklassikers für dieses Abenteuer nicht bedurft hätte. Trotzdem wäre der Vorwurf des Etikettenschwindels nicht angebracht, und das nicht allein, weil der Zwischenfall mit dem Besen perfekt in die Handlung passt, illustriert er doch, welchen Schaden Zauberkräfte in den falschen Händen anrichten können; gut möglich, dass Valentin als Schüler von Ambrosius ein Meister der dunklen Mächte geworden wäre. Diese Harry-Potter-Ebene dient nur als Hintergrund; im Vordergrund stehen die Bemühungen, Ambrosius das finstere Handwerk zu legen. Dafür müssen Valentin & Katrina, die sich als Claras Schwester entpuppt, durch ein verwunschenes Tor in eine jenseitige Welt reisen, um die „Hüterin“ (Zoudé) um Beistand zu bitten. Dank Valentins Liebes-Geständnis bekommen sie zwar eine Zauberblume, mit der sie Ambrosius trotzen könnten, doch der Schurke überlistet sie, stiehlt die Blume und bricht mit ihr den Schutzzauber, den Zacharias über die Königin gelegt hat; nun scheint ihn nichts mehr aufhalten zu können.
Frank Stoye, der neben diversen „Schloss Einstein“-Folgen auch das ARD-Märchenfilm-Highlight „Nussknacker und Mausekönig“ gedreht hat, bettet den Film gemeinsam mit Kameramann Bernd Fischer in ein für die (90minütigen) ZDF-Märchenfilme typisches kunstvoll düsteres Licht. Gerade die Welt des schwarzgekleideten Ambrosius ist tendenziell finster, erst recht am Schluss, als er endlich Macht über die Königin erlangt; da verlieren die Bilder schlagartig jede Farbe. Ausstattung und Kostümbild sind wie stets aufwändig und sorgfältig. Die visuellen Effekte sind überschaubar, aber effizient eingesetzt, allen voran die Träne, die aus dem Auge der steinernen Clara rollt; aber natürlich auch der Besen, der erst seinen Schabernack mit Valentin treibt und dann die Apotheke unter Wasser setzt. Mindestens ebenso wichtig sind jedoch die Schauspieler. „Duell der Magier“ wäre im Grunde ein treffenderer Titel als „Der Zauberlehrling“, denn letztlich macht das darstellerische Kräftemessen zwischen Christoph Bach und Felix von Manteuffel den Reiz des Films aus; die beiden jungen Darsteller können da nicht nur in puncto Ausstrahlung zwangsläufig nicht mithalten. Umso bedauerlicher, dass die beiden Magier kaum Gelegenheit zum direkten Zweikampf bekommen: Als sie endlich aufeinander treffen, ist die Auseinandersetzung ruckzuck vorbei. Dafür schlägt nun Valentins große Stunde, zumal der Junge gerade noch rechtzeitig gelernt hat, dass aus großer Kraft stets auch große Verantwortung erwächst.