Der Tote in der Mauer

Mendl, Giering, Mühe, Striesow, Markus Imboden & das Doppelgesicht des Nordens

Foto: ZDF
Foto Rainer Tittelbach

Eine Leiche im Beton, ein Kinderschänder, zwei eineiige Zwillinge, eine kichernde Polizistin und zwei Kommissare, die sich gegenseitig verdächtigen. Menschen im Belauerungszustand sind das Herzstück dieses außergewöhnlich guten Provinzkrimis, der so manches Muster des Genres lakonisch zersetzt. Fazit: ein vielschichtiges Buch, eine bis ins kleinste Detail stimmige Regie, gespenstisch sicher agierende Schauspieler, eine beklemmende Atmosphäre, eine ungewöhnliche Musik. „Der Tote in der Mauer“ ist intelligente Fernsehunterhaltung.

„Wir haben einen Fuß gefunden?“, platzt ein Bauarbeiter in den Ausstand von Kommissar Dudek. „Einen Fuß?!“, wundern sich die Polizisten. In der norddeutschen Provinz sind sonst nur Fahrraddiebstähle an der Tagesordnung. „Na ja, vielleicht ist noch mehr dran.“ Da wurde einer lebendig einbetoniert. Bei dem Toten handelt es sich um einen als „Kinderschänder“ verschrienen Mann, der unter Verdacht stand, vor 16 Jahren einen Sechsjährigen getötet zu haben, der freigesprochen wurde und kurz darauf verschwand. Dudek glaubte damals an Flucht. Jetzt ist er schlauer. Seinen Fehler von damals will der schwer Krebskranke noch ausbügeln. Sein Nachfolger, der übereifrig verkrampfte Klaus Wendt, sieht das nicht gern. Dudek ahnt bald, weshalb. Der ehemalige Fußballtrainer, dem eine Vorliebe für kleine Jungs nachgesagt wurde, könnte etwas mit dem Fall zu tun haben. Umgekehrt vermutet Wendt nicht ohne Grund, dass Kollege Hagen Dudek den vermeintlichen Kinderschänder getötet hat.

Zwei Polizisten im Belauerungszustand. „Der Tote in der Mauer“ ist ein außergewöhnlich guter Krimi. Ein Katz-und-Maus-Spiel, das immer wieder mit neuen Wendungen aufwartet, ist dieser mitunter beklemmende Film von Markus Imboden. Holger Karsten Schmidt hat Figuren entworfen, die sich nicht ins Herz schließen lassen, die vom Schicksal gebeutelt und innerlich zerrissen sind und gegenüber denen Misstrauen angesagt ist, und der Autor setzt auf eine Dramaturgie, die eine entsprechende Flexibilität und gegen Ende eine gewisse Lust am lapidar Schockhaften vom Zuschauer verlangt. Der ZDF-Fernsehfilm bedient die Muster des beliebten Provinzkrimis immer so weit, dass er auch die Fans des konventionellen Whodunit ködert, bevor er diese Muster in Coen-Brüder-Manier bricht und lakonisch zersetzt.

Der Tote in der MauerFoto: ZDF
Devid Striesow glänzt in einer Zwillingsrolle. Es scheint unmöglich zu sein für Dudek (Mendl), einen der beiden zu überführen?

Uneingeschränkt für sich einnehmend agiert allein Anna Maria Mühes Polizistin, die anfangs viel kichert (über den Fuß im Beton) und später zwischen die Fronten der ermittelnden Kontrahenten gerät. Die werden undurchsichtig gespielt von Michael Mendl und Frank Giering. Wer ist wohl der schlauere der beiden Ermittler-Füchse? Auch der Hauptverdächtige entpuppt sich bald als doppelgesichtige Problempersönlichkeit: die Rolle gibt Devid Striesow einmal mehr die Möglichkeit für einige grandiose Auftritte. Fazit: dichtes, vielschichtiges Buch, eine bis ins kleinste Detail stimmige Regie, gespenstisch sicher agierende Schauspieler, eine ungewöhnliche Musik. „Der Tote in der Mauer“ ist intelligente Fernsehunterhaltung.

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Fernsehfilm

ZDF

Mit Michael Mendl, Frank Giering, Anna Maria Mühe, Devid Striesow, Sonja Baum, Rosa Enskat, Susanne Schäfer

Kamera: Peter von Haller

Schnitt: Claudia Vogeler

Musik: Detlef F. Petersen

Produktionsfirma: Bremedia

Drehbuch: Holger Karsten Schmidt

Regie: Markus Imboden

Quote: 6,29 Mio. Zuschauer (18,9% MA); Wh. (2010): 4,43 Mio. (12,6% MA)

EA: 17.11.2008 20:15 Uhr | ZDF

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