Der Tel Aviv Krimi – Masada

Katharina Lorenz, Finzi, Tiran, Degen, Matthias Tiefenbacher. Zionist und Hedonist

Foto: Degeto / Itiel Zion
Foto Rainer Tittelbach

„Masada“, der Filmtitel des dritten „Tel Aviv Krimis“ (ARD Degeto / TV60 Filmproduktion), bezieht sich auf einen rund 2000 Jahre alten Mythos, der besagt, dass einst aufständische Juden lieber in den Freitod gegangen seien als in die römische Gefangenschaft; Masada gilt bis heute als ein Symbol für den Freiheitswillen des jüdischen Volkes. An diesem Mythos entbrennt ein Familien- und Generationenkonflikt, der mit einem Toten endet. Tel Aviv ist anders – „Der Tel Aviv Krimi“ folgerichtig auch: der Ton ist rauer, realistischer, die Spannung der Charaktere dominiert über die Krimi-Spannung und Autor-Regisseur Matthias Tiefenbacher belässt dem Fremden seine Aura. Mit Lorenz, Finzi, Tiran & Degen ist der Film vorzüglich besetzt.

Ein jüdischer Mythos und eine Familie zwischen Heldenkult & Lebenslügen
So langsam scheint Sara Stein (Katharina Lorenz) in Tel Aviv angekommen zu sein. Ihr Ehemann David (Itay Tiram), ein gefeierter Pianist, legt auch im Privatleben genug Rücksicht an den Tag, um ihr wegen ihrer Arbeit kein schlechtes Gewissen zu machen, und ihre rustikalen Kollegen, ihren autoritären Vorgesetzten Shimon Ben Godin (Gill Frank) ebenso wie ihren mittlerweile geschätzten Partner, den russischen Immigrantensohn Jakoov Blok (Samuel Finzi), weiß die sensible deutsche Jüdin zu nehmen. Als schwieriger erweist sich dagegen der Fall. Bei einer Explosion an der antiken Festung von Masada kommt ein Archäologe ums Leben: Aaron Salzmann, Sohn einer Legende. Avram Salzmann (Michael Degen) wird in Israel als „der König der Archäologie“ gefeiert. Auch der Alte ist am Tatort, als die Polizei eintrifft – doch er scheint sich an nichts zu erinnern. Sein zweiter Sohn, Elia (Yigael Sachs), kam offenbar erst nach der Explosion nach Masada und will nichts gesehen haben. Godin, ein großer Anhänger des Schoah-Überlebenden Salzmann, würde diesen am liebsten von den Befragungen verschonen. Doch auch wenn zahlreiche Spuren in andere Richtungen führen, zum Assistenten des Toten (Iftach Ophir) und einer eifersüchtigen jungen Frau (Hila Galoskinus), die der fröhliche Hedonist geschwängert hat, so spürt Stein nicht nur eine seltsame Verbundenheit mit Avram Salzmann, sondern glaubt auch, dass der Schlüssel für den Mord in dieser Familie, die voller Lebenslügen und Geheimnisse steckt, zu finden ist.

Der Tel Aviv Krimi – MasadaFoto: Degeto / Itiel Zion
Familienbande. Der eine hat nichts gesehen, der andere kann sich an nichts erinnern. Avram Salzman (Michael Degen) findet Trost bei seinem Sohn Elia (Yigael Sachs).

Ein zionistischer Heiliger, ein Mann des Glaubens & ein fröhlicher Hedonist
„Masada“, der Filmtitel des dritten „Tel Aviv Krimis“, bezieht sich auf einen rund 2000 Jahre alten Mythos, der besagt, dass einst aufständische Juden lieber in den Freitod gegangen seien als in die römische Gefangenschaft; Masada gilt entsprechend bis heute als ein Symbol für den Freiheitswillen des jüdischen Volkes. Jener Avram Salzmann gehört zu den wissenschaftlichen Garanten dieses nationalen Mythos’. Offenbar ist sein Sohn in seiner Habilitation zu anderen, weniger patriotischen Ergebnissen gekommen. Auch das Verhältnis zwischen den Brüdern muss schwer belastet gewesen sein – aus weltanschaulichen Gründen: Während Elia schwer gläubig ist, erlag der Tote den Verlockungen des Geldes und des leichten Lebens. Um sich seinen Lifestyle leisten zu können, hat dieser selbst vor krummen Geschäften nicht zurückgeschreckt. Außerdem liegt der frühe Tod der Mutter wie ein Fluch auf dieser Familie. Doch Avram Salzmann, diese israelische Lichtgestalt, kannte bessere Zeiten. Und an diese erinnert ausgerechnet Sara Stein den alten Mann. Denn da gab es eine Journalistin vor Jahren, die genauso hartnäckig und hübsch war und eine verblüffende Ähnlichkeit mit ihr besaß. Sara lächelt wissend. Das muss ihre Tante gewesen sein, die in den 80er Jahren verunglückt ist.

Spröder Realismus: Dem Fremden & Befremdlichen seine Aura belassen
Auch bei „Masada“ stimmt die Mischung dieser ARD-Donnerstagskrimi-Reihe. Tel Aviv ist anders – „Der Tel Aviv Krimi“ sollte folgerichtig ebenfalls anders sein! In einer Stadt, die Schmelztiegel verschiedener Religionen und Ethnien ist und in der Terroranschläge zum Alltag gehören wie Morde aus Leidenschaft, ermittelt es sich einfach anders. Auch der Ton scheint noch ein wenig rauer als auf einem x-beliebigen EU-Kommissariat zu sein. Und die Besetzung ist mit dem vornehmlich einheimischen Cast (Gill Frank, Bat-Elle Machian, Yigal Sachs, Hila Galoskinus) wie bereits in „Shiv’a“ stärker dem „Realismus“ verpflichtet als andere Auslandskrimis. Die Synchronisation ist gut; dennoch muss man sich auch beim zweiten Krimi aus Tel Aviv (der erste „Tod in Berlin“ war ein Prequel) an die „andere“ Tonlage gewöhnen. Der Film ist nicht gefällig, der Erzählrhythmus eher spröde. Regisseur Matthias Tiefenbacher scheint dem Fremden und Befremdlichen seine Aura belassen zu wollen. Verstärkt wird dieser Eindruck noch durch die Kamera, die erfreulicherweise nicht versucht, schick zu sein oder gar coole Einstellungen sammelt. Holly Fink folgt den Figuren, verortet sie im Milieu und ordnet ihnen, insbesondere den Salzmanns, bestimmte Räume zu.

Der Tel Aviv Krimi – MasadaFoto: Degeto / Itiel Zion
Eine pulsierende, noch nicht tot gefilmte Metropole. Und mittendrin ein cooles und doch sehr menschliches Ermittler-Duo. Katharina Lorenz, Samuel Finzi

Michael Degen über das babylonische Sprachgewirr am Set: „Das Team und die Schauspieler sprachen Englisch miteinander, mit meinen beiden Filmsöhnen habe ich in den Drehpausen Hebräisch gesprochen. Katharina Lorenz, Samuel Finzi und ich haben unsere Dialog auf Deutsch gesprochen und die israelischen Kollegen haben uns mal auf Hebräisch, mal auf Englisch geantwortet.“

„Der Tel Aviv Krimi“: Die innere Spannung dominiert über die äußere
Den Grundstein des Andersartigen aber legt die Geschichte. Der Whodunit mag nicht uninteressant sein, da man ihn als Zuschauer – anders als in herkömmlichen Krimis – immer auch auf seine gesellschaftspolitische Relevanz hin befragt. Vielleicht steckt ja eine für Israel allgemeingültige Erkenntnis hinter den Situationen? Hinter der religiösen Schwangeren, die vom hedonistischen Erzeuger nicht geheiratet werden mag? Oder hinter den unterschiedlichen Haltungen der Generationen: Taugt der Masada-Mythos noch als Freiheitssymbol für ein modernes, aufgeklärtes Land? Oder ist er nicht vielmehr Symbol einer nationalistisch zionistischen Ideologie, mit der junge Israeli heute nur noch wenig anfangen können? „Mit seiner Identität darf man nicht spielen, die muss man festhalten und verteidigen. Die braucht man zum Atmen.“ Inwieweit gehört ein solches Statement des von Michael Degen gewohnt eindringlich gespielten Avram Salzmann heute noch zum kulturellen Gemeingut Israels? Und besitzt dieser vermeintlich politisch gedachte Satz auch noch eine Botschaft an die Heldin? Dass „Der Tel Aviv Krimi“ mehr vermittelt über die Befindlichkeiten dieser Stadt und dieses Landes ist ein Plus der Reihe. Da darf dann auch die klassische Spannung im Krimi-Sinne etwas zurückstehen. Eine Dialogszene zwischen Katharina Lorenz und Michael Degen oder eine jener wunderbar wortkargen, aber umso ambivalenteren Duette von Lorenz und Finzi besitzen ohnehin so viel innere Spannung, dass man auf die äußere gut und gern verzichten kann. Und dann ist da ja noch die private Geschichte der Heldin, die nicht nur sie umhaut.

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Reihe

ARD Degeto

Mit Katharina Lorenz, Samuel Finzi, Itay Tiran, Michael Degen, Gill Frank, Bat-Elle Mashian, Yigael Sachs, Hila Galoskinus, Iftach Ophir, Eli Gorenstein

Kamera: Holly Fink

Szenenbild: Sandra Gutman

Schnitt: Horst Reiter

Musik: Biber Gullatz, Andreas Schäfer

Redaktion: Katja Kirchen, Sascha Schwingel (beide ARD Degeto)

Produktionsfirma: TV60 Filmproduktion

Produktion: Andreas Schneppe, Sven Burgemeister, Andreas Bareiss

Drehbuch: Matthias Tiefenbacher – nach einer Idee von Martin Kluger & Maureen Herzfeld

Regie: Matthias Tiefenbacher

EA: 23.11.2017 20:15 Uhr | ARD

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