Bianca (Marlene Morreis) und Dila (Susana AbdulMajid) haben über den Kopf ihrer Männer hinweg einen Grillnachmittag beschlossen. Die Freundschaft der beiden ist ein bisschen abgekühlt, auch karrieretechnisch haben sich die Paare auseinandergelebt. Gastgeberin Bianca will sich beruflich neu orientieren, was ihren Mann Oliver (Fabian Busch) gewaltig unter Druck setzt; ohne die erhoffte Beförderung dürften die Verbindlichkeiten der beiden nur schwer zu stemmen sein. Dila und Simon (Sebastian Schwarz) gehören hingegen zu den Pandemie-Gewinnlern; dafür arbeiten sie seit längerem erfolglos an ihrer Familienplanung. Die anderen sind da schon weiter – inklusive die Probleme, die ihnen ihr leistungsscheuer Teenager-Sprössling Finn (Paul Sundheim) bereitet. Das Treffen soll ein Stück Normalität zurückholen. Aber auch die Paare haben Beziehungspflege nötig. Nur bleiben sie an jenem Samstagnachmittag nicht allein. Lars (Axel Stein), der Vorgesetzte von Oliver, steht plötzlich vor der Tür. Weil der über dessen Karriere mitentscheidet, sitzt dieser Kotzbrocken bald mit am Tisch, und er findet großen Gefallen daran, in den Wunden der anderen zu stochern.
Foto: ZDF / Oliver Feist
„Der Film arbeitet zwar mit Elementen der klassischen Komödie und der Überhöhung. Gleichzeitig fühlt sich dieser Film aber wahnsinnig real an. Und das kann für viele Menschen schmerzhaft sein.“ (Lasse Scharpen, Produzent)
Ein Grillnachmittag wird zum Alptraum. Blut im Abfluss, Blut auf dem Teppich, eine düstere Kellertreppe: „Der Spalter“ macht gleich in den ersten Bildern deutlich, dass aus vermeintlich harmlosem Wortgeplänkel irgendwann blutiger Ernst werden wird – und dass dieses Blut wohl nicht vom Teller des Grillguts stammt. Regisseurin Susanna Salonen (Grimme Preis für „Patong Girl“) bezeichnet diese ZDF-Tragikomödie augenzwinkernd als „einen Werbefilm gegen gemeinsame Grillnachmittage“. Die Titelfigur, ist die Person, die die Handlung in Gang setzt, indem sie politisch provoziert („alles Heuchelei mit diesem Multikulti“) und völlig unerschrocken gegen alle Anwesenden austeilt: Mag dieser Mann auch noch so unsensibel und ungehobelt daherkommen, die wunden Punkte zwischen Mann und Frau, die kennt er, und er weiß genau, wie er diese Gesellschaft aufmischen kann: eine Frage zur Unzeit („Habt Ihr eigentlich Kinder?“), den Öko-Sohn mit seiner CO2-Schleuder verführen, genüssliche Demütigungen, ein Kasten Bier, Dilas iranische Wurzeln, Biancas Selbstfindungsphase, ein bisschen Solidaritäts- und Sozialstaat-Bashing, Werbung für Hetzseiten im Netz – und schon ist die Stimmung im Garten angeheizt. Bianca kann unter diesen Umständen nicht länger die „charmante Gastgeberin“ spielen. Auch Dila, noch großzügig bei den sexistischen Sticheleien, zieht die Reißleine, als es rassistisch wird. Schlechte Haltungsnoten stattdessen für die Männer. Der Hausherr grillt unverdrossen weiter, atmet aber zusehends schwerer in seiner karierten Grillschürze, bevor er seine Frau anbrüllt („Halte endlich mal dein blödes Maul“). Und Simon gibt wie in seiner Beziehung auch an diesem Nachmittag nur den Zaungast.
Foto: ZDF / Oliver Feist
Anfangs wähnt man sich in „Der Spalter“ noch in einer klassischen Komödie, eine, die mit Hilfe eines Außenstehenden den Finger in die Beziehungswunden zweier Paare legt. Man folgt genüsslich diesem Outdoor-Kammerspiel, bei dem auch der Zuschauer früh erkennt, dass hier in allen Beziehungen viel Unausgesprochenes mitschwingt, dass es latente Ressentiments gibt („mit denen?!“), dass Nachbarschaftsfreundschaft ihre eigenen Gesetze hat (da lästert man schon mal hintenrum) und dass – wohin man auch schaut – Spannungen vorprogrammiert sind. Man kann das Ganze goutieren als unterhaltsame Versuchsanordnung, genrehaft überzogen, gleichermaßen angereichert mit jeder Menge Realitätssplitter – bis die Handlung umschlägt und einem das Schmunzeln zunehmend vergeht. Und wer will, der kann die Handlung natürlich auch als eine Parabel auf die zunehmende Spaltung demokratischer Systeme interpretieren. Ein deutscher Grillabend quasi aus der Mitte der Gesellschaft.
Soundtrack: The Chi-Lites („Oh Girl“), Irie Révoltés („Jetzt ist Schluss“ / „Résidanse“), Wale feat. Sam Dew („LoveHate Thing“), Fleetwood Mac („Go Your Own Way“ / „Don’t Stop“), Elvis Presley („Suspicious Minds“), Bobby Womack („Across the 110th Street“), MC Solaar („Nouveau Western“), Sophie Hunger („Le vent nous portera“), Elen („Gut werden“)
Autor Stefan Rogall, auch er Grimme-Preis-gekrönt (für den „Polizeiruf 110 – Kleine Frau“) ist es gelungen, in der Geschichte Gesellschaftliches & Privates miteinander kurzzuschließen. Nicht der asoziale Spalter allein ist der Ursprung allen Übels. Wer nichts dagegensetzt, keine Haltung zeigt, wer sich von Angst und Mutlosigkeit sein Leben diktieren lässt, ist selber schuld. Sicher nicht zufällig wird den Fake News, die der ungebetene Gast unaufgefordert zum Besten gibt, die althergebrachte Form des Gerüchts entgegengesetzt. Ohne sich bei den Nachbarn zu erkundigen, weshalb denn da der Notfallwagen vor der Tür stand, macht das Gerücht vom Herzinfarkt mit Todesfolge die Runde. Wer Nachbarn hat braucht für Fake News kein Internet. Und auch gelogen wird auf beiden Seiten. Allerdings lügt jener Lars in Trump-Manier Bianca rotzfrech ins Gesicht, während es sich bei Olivers Unwahrheiten um Notlügen handelt, die ihm sichtlich schwerfallen. Nicht schlecht zur Charakterisierung von Dila und Simon macht sich der sozialkritische Verweis auf die Corona-Pandemie. Rogall holt also viel Wirklichkeit in die Handlung und vernachlässigt allerdings vor lauter Botschaft, die ZDF-like überdeutlich im Schlusssong „Gut werden“ noch einmal rekurriert wird, ein bisschen das Komödien-Handwerk. Running Gags gibt es keine. Narrative Motive (Oliver & sein Auto, Finn & die Polizei) werden zwar gelegentlich wiederaufgenommen, allerdings nicht in allzu komischer Form. Komödie mit Erkenntnisgewinn also. Es muss nicht immer Ablachen sein.
Foto: ZDF / Oliver Feist
Inszeniert ist „Der Spalter“ kongenial zu Geschichte und Genre, frisch und flott, anfangs in sommerlich warmen Farben. Das legt sich, nicht nur, weil der Abend naht. Die aufmerksamen Blicke des Zuschauers dürften allerdings vor allem den Schauspielern gelten. Axel Stein, der sich schon lange von seinen klamaukigen Jugend-Rollen freispielen konnte, ist genauso perfekt als unverschämter Schwachstellen-Aufspürer wie Fabian Busch als der sprichwörtliche „Mr. Durchschnitt“. Vor der gelogenen Sprachnachricht an den Chef kann man seinem Vertriebsmenschen die Bauchschmerzen förmlich vom Gesicht ablesen. Auch Marlene Morreis („Lang leben die Königin“ / „Schwarzach 23“) überzeugt einmal mehr in einer Dramödien-Rolle mit Hang zur Ernsthaftigkeit. Und während Sebastian Schwarz („Mord mit Aussicht“) TV-Dauergast ist, gilt das für Theaterschauspielerin Susana AbduMajid, die erst in einer Hauptrolle zu sehen war (Kinofilm „Ègalité“ von Kida Khodr Ramadan), nicht; doch das dürfte sich bald ändern. Stein, Busch, Morreis, AbduMajid, Schwarz – ein Quintett, dem man anfangs bei den Banalitäten des Alltags ebenso gern zusieht wie später, wenn es ans Eingemachte geht. Auch das tendenziell offene Ende ist die beste Lösung für die Geschichte.