Ein Junge will seinem Leben ein Ende bereiten. Er schafft es nicht. Dem Mädchen, mit dem er sich anfreundet, geht es ähnlich. Auch sie will die Kontrolle über ihr Leben zurück. Nicolas und Eva, beide 15, sind Außenseiter. Beide tragen ein Geheimnis mit sich herum: Er wird von seinem Vater sexuell missbraucht; sie von ihrer Mutter und deren Freund grün und blau geschlagen. Sie sind verzweifelt. Wenn sie es nicht schaffen, sich zu töten, dann müssen eben die Eltern dran glauben. Eva schlägt einen Pakt vor: Sie wird Nicolas’ Vater töten, und er soll im Gegenzug ihre Mutter töten. Nicolas schlägt ein, nimmt das Ganze aber nicht allzu ernst – bis Eva plötzlich ihren Teil der Abmachung erfüllt hat. Jetzt muss der Junge nachziehen…
Am Anfang standen die Fakten. In Deutschland wurden 1994 rund 15.000 Fälle von sexuellem Missbrauch angezeigt. Deutsche Kriminologen gehen von einer Dunkelziffer von sechs bis 20 unbekannten auf einen angezeigten Fall aus. Daraus würde sich ergeben, dass jedes vierte Mädchen sexuell missbraucht wird. Dem stehen 300 bis 400 Morde an Eltern (in den USA) gegenüber. Der US-Autor Ben Taylor („Stadtgespräch“) hat sich von den Zahlen und von dem Bestseller „Wenn Kinder töten“, geschrieben von dem Strafverteidiger Paul Mones, zu einem fiktiven mehr Verzweiflungs- als Racheszenario inspirieren lassen. Und Jungregisseur Miguel Alexandre, Jahrgang 1968, bekam nach seinem Abschlussfilm „Nana“, einem Drama über eine 16-Jährige, bei der einer lebensgefährliche Immunschwächekrankheit diagnostiziert wird, von Sat 1 nun die Möglichkeit für sein erstes Primtime-TV-Movie.
Foto: Sat 1
„Der Pakt – Wenn Kinder töten“ mag vom Projekt her ein wenig spekulativ erscheinen und auch der Film selbst arbeitet mit kräftigen, provozierenden Bildern. Andererseits zeigt er auch die Täter in ihrer ganzen Schwäche und Erbärmlichkeit. Schwer zu sagen, ob die Charaktere, die Zeichnung der Jugendlichen, psychologisch stimmig sind. Filmisch jedenfalls sind sie es. Und schauspielerisch sind Daniel Brühl und Marlene Meyer-Dunker, gemessen an ihrem Alter, eine kleine Offenbarung. Der Film rührt an, reißt mit und macht darüber vielleicht auch ein wenig nachdenklich. Einen Missbrauchs-Diskurs will dieses TV-Movie nicht führen, sondern eher als Sensibilisierungsanker auf den gesellschaftlichen Diskurs einwirken. Doch wie rauskommen aus einer so verfahrenen Kiste? Wie rauskommen aus so einem Film? Taylor und Alexandre gelingt das – im Rahmen eines TV-Movies – sehr überzeugend. Die Opfer, die zum Täter geworden sind, wissen: „Wir werden diesen Scheiß immer mit uns herumtragen.“ Sie brauchen eine Perspektive. Sie brauchen Liebe, sie müssen zurückfinden ins Leben.