“Mit Tätern zu sprechen, ist eigentlich vergeudete Zeit”, sagt die Hauptfigur in dem ZDF-Fernsehfilm “Der Mörder ist unter uns”. Eine solche Aussage mutet seltsam an. Ermittlung ohne Befragung? Hintergrund: Martin Bach ist Kriminalpsychologe. Und die haben besondere Methoden. Die genaue Tatortanalyse beispielsweise. Denn: “Es gibt einen Augenblick, in dem der Täter nicht lügt – nämlich dann, wenn er die Tat begeht”, so der Kriminalpsychologe Thomas Müller, der schon in die Bucharbeit mit einbezogen wurde. “Für die Kriminalpsychologie ist es nicht entscheidend, was jemand sagt, sondern was er tut.”
So ist der Film von Markus Imboden (“Ins Leben zurück”) und Autor Holger Karsten Schmidt keiner jener inflationären Hochglanzkrimis, sondern ein intelligentes Provinz-Kammerspiel voller Ermittlungs-Variationen und psychologischer Irritationen. Der Reiz bei dieser beklemmenden Jagd nach einem Serienmörder besteht nicht so sehr in der Beantwortung der Frage, wer der Psychopath ist, sondern wie man ihm auf die Spur kommt.
Eine junge Staatsanwältin nimmt an, dass der seit neun Jahren wegen eines Sexualmordes an einer jungen Frau einsitzende Mann unschuldig ist. Denn während seiner Haftzeit wurde ein weiterer Mord in der gleichen norddeutschen Region nach exakt demselben Muster begangen. Mit dem erfahrenen Kriminalpsychologen Bach macht sie sich auf in das Dorf, in dem vor neun Jahren der erste Frauenmord passiert ist. Unter Mithilfe des seinerzeit ermittelnden Kommissars rollen sie den Fall noch einmal auf. Sie stoßen auf Schweigen, Ablehnung und Lügen. Dennoch hat Bach bald ein Täterprofil erstellt und zwei Tatverdächtige im Visier.
Christoph Waltz spielt jenen Kriminalpsychologen mit selbstbewusster Nonchalence. Er lässt einen die Lust an der akribischen Serienmörder-Recherche spüren, die seine eigenbrötlerische, aber keineswegs weltfremde Figur an den Tag legt. Susanne Schäfer gibt ihre Staatsanwältin sensibel, aber durchaus bestimmt. Und das Beste am gemeinsamen Spiel: Die zwei müssen sich nicht ineinander verlieben. Das ermöglicht eine ungewöhnliche, an Zwischentönen sehr viel reichere Spannung zwischen den beiden. (Text-Stand: 20.10.2003)