Ein Sexualmörder geht mal wieder um in Berlin. Eine junge Frau entkommt dem Unhold nur knapp. Gegenüber der Polizei zeigt sie sich nur wenig kooperativ. So als ob sie den Täter kennen würde und schützen will. Tatsächlich geraten auch bald ihr Bruder und sogar ihr Mann, der eine Internist, der andere ein begnadeter Schönheitschirurg, in den Fokus der Mordfahndung. Denn die bisherigen Opfer wurden “fachmännisch” getötet und deren Mundpartien säuberlich seziert. “Der Mörder in meiner Nähe” ist ein klassischer Psycho-Thriller. Die Story hat man tausendmal gehört. Und auch schon sehr viel besser gesehen.
Fred Breinersdorfer (“Anwalt Abel”) hat sich für Pro Sieben offensichtlich weniger Mühe gegeben als für ARD und ZDF. Im Endlosregen verschwimmen nicht nur die Konturen des Maskenmannes, sondern auch die Spannung geht Baden. Gerade in einem Thriller, in dem es nur zwei Verdächtige gibt, hätte man sich gewünscht, dass die Bedrohung sehr viel subtiler herausgearbeitet worden wäre. Mit wohlfeilen Genre-Tricks allein kommt man da nicht über die Runden. Da können selbst ein Regisseur wie Grimme-Preisträger Bernd Böhlich und großartige Schauspieler wie Dominique Horwitz oder Henry Hübchen wenig ausrichten.
“Der Stoff war nicht weit genug entwickelt, das Buch stimmte gegen Ende nicht mehr”, sagt Henry Hübchen. “Da hätte man eigentlich weiter dran arbeiten müssen.” Aber wie es heute so ist: die Finanzierung stand, der Produktionstermin war fix, fehlte nur noch ein Regisseur. Bernd Böhlich übernahm die undankbare Aufgabe, aus einem halbfertigen Buch in 23 Tagen einen ansehnlichen Film zu machen. “Ich habe mir gedacht, dass der Bernd und ich aus der Sache noch gemeinsam etwas machen können”, sagt Hübchen. Er hat sich getäuscht.
Wo es der Handlung an dramaturgischer Dichte und existenzieller Tiefe fehlt, flüchtet sich Böhlich in einen Ästhetizismus, der die allgemeine Leere künstlich mit Bedeutung aufzuladen versucht. Doch mehr als ein schwülstiges Familienhorror-Szenario kommt dabei nicht heraus. Nach psychologischer Glaubwürdigkeit darf man schon gar nicht fragen. Désirée Nosbusch als ermittelnde Kommissarin, auch das eine Besetzungsidee in dieser kruden Jeckyll-&- Hyde-Variation, die eher gewöhnungsbedürftig ist. (Text-Stand: 31.8.2000)