Jan Hinrichs ist ein erfahrener Schiffs- und Bergungsinspektor. Nach dem Bankrott seines letzten Arbeitgebers ist er sich aber nicht zu schade, als einfacher Taucher zu arbeiten. Der Witwer muss immerhin zwei Kinder durchbringen und bald ist noch ein dritter Esser an Bord, denn Tochter Lena ist schwanger. Das Problem ist nur: Hinrichs ist 55 und in den Augen der Reeder für diesen Knochen- und Konditionsjob zu alt. Und so macht er sich bei einem Vorstellungsgespräch um 10 Jahre jünger. Er fälscht sein Taucherbuch und besorgt sich einen falschen Pass. Die Welt will betrogen werden. Jetzt geht es auf einmal: Hinrichs macht seine Arbeit, er macht sie gut und sein Chef ist zufrieden mit ihm – vorerst.
„Der Mann im Strom“ erzählt eine ganz alltägliche Geschichte. Ein Mann in den besten Jahren wird von heute auf morgen vom Arbeitsleben ausgeschlossen. Die Gesellschaft braucht ihn nicht mehr. Da andere ihn aber brauchen, darf dieser Mann nicht aufgeben. Auch wenn Jan Fedder schon ein bisschen die Schultern hängen lässt und seinem gebeutelten Helden ein Schuss Vergeblichkeit in die Physiognomie schreibt, „Hinrichs will den Kopf auf den Schultern behalten“, so Regisseur Niki Stein. „Er ist ein Mann mit Prinzipien, der sich nicht auf die Versorgungsleistungen des Staates verlassen will und für den Familie einen hohen Stellenwert hat.“ Tragisch ist, dass die sozialen Bedingungen dem guten Wille keine Chance geben. Ausgerechnet ein Mensch mit klaren moralischen Vorstellungen wird dazu gezwungen, das Gesetz zu brechen. Doppelt tragisch. Da ist Scheitern vorprogrammiert.
Die Dramaturgie eines Films ist in der Regel dazu da, solche Widersprüche zu lösen. Der Film von Niki Stein verzichtet dagegen sowohl auf Zuckerguss als auch die ganz großen Katastrophen. Zwischen dem Abtauchen ins Elbbrackwasser und in die Niederungen des Kiez’ hat in dieser Geschichte, die Stein in Anlehnung an die Ästhetik des italienischen Neorealismus’ erzählt, das Leben das Wort. Das hat wohl auch damit zu tun, dass „Der Mann im Strom“ nach dem gleichnamigen Roman von Siegfried Lenz entstanden ist. „Wir haben versucht, der Stimmungslage des Romans treu zu bleiben und halten uns an den großen Bogen, den er vorgibt“, betont Stein. Das äußert sich in viel Atmosphäre und einer größeren Distanz zum Geschehen, als sonst in Fernsehfilmen heute üblich ist. Man braucht als Zuschauer seine Zeit, um mit den Charakteren warm zu werden. Das Leben ist wie dieser Film ein kalter, langsamer Fluss, der nicht nur Schönes zu Tage fördert.
Dennoch zieht einen der Film nicht runter. Er ist realistisch, er suhlt sich aber nicht im Elend der Figuren, die alle eine schwere Last mit sich herumtragen. Und Jan Fedder spielt seinen gestrandeten Taucher ohne Hang zur Selbstaufgabe. Er kennt das Leben. „Anfangs macht er anderen Menschen noch Vorhaltungen, wissend, dass auch er sich nicht an die Gesetze hält“, beschreibt Autor Lothar Kurzawa die innere Tragik des Helden, der weiterhin nicht so schnell aufgeben wird. Hans Albers, der 1958 den „Mann im Strom“ spielte, hatte es in „Opas Kino“ leichter: der durfte dem Happy End entgegentauchen! (Text-Stand: 15.3.2006)