Vermutlich ist es unfair, diesen Film an Jean-Jacques Annauds großartigem Urzeitdrama „Am Anfang war das Feuer“ zu messen, aber der Vergleich drängt sich auf; selbst wenn der Titelheld von „Der Mann aus dem Eis“ dem Menschen von heute zumindest zeitlich deutlich näher steht als Annauds Neandertaler. Im Grunde basiert Geschichte von Felix Randau („Northern Star“ / „Die Anruferin“, beide ZDF) auf einem Wort: Ötzi. Der Fund dieser 5.300 Jahre im ewigen Eis des Südtiroler Tisenjochs konservierten Leiche eines Mannes aus der Jungsteinzeit inspirierte den Autor und Regisseur zu der Frage, wie er wohl zu Tode gekommen sein mochte: Kelab (Jürgen Vogel) ist eine Art Schamane, der mit seinem Clan in den Alpen lebt. Als er eines Tages auf der Jagd ist, wird sein Dorf überfallen: Drei anscheinend von purer Mordlust angetriebene Männer töten sämtliche Einwohner und rauben einen heiligen Schrein. Überlebt hat allein ein Baby, das Kelab kurz zuvor gemeinsam mit seiner Frau adoptiert hatte. Er verfolgt die Mörder, bringt sie der Reihe nach um und wird schließlich auf dem Heimweg zurück über den Pass selbst von einem tödlichen Pfeil getroffen.
Ausstattung, Make-up und Kostüme sind schlichtweg grandios und sorgen für eine dichte, stimmige Atmosphäre; Kameramann Jakub Bejnarowicz fängt das Ötztal in spektakulären, wenn auch arg fahlen Bildern ein. Ein weiterer mutiger Schachzug ist, dass der Film gänzlich ohne verständliche Sprache auskommt. (epd film)
Jürgen Vogel ist der Star des Reenactment-Dramas. Er hat eine fabelhafte körperliche Wucht … „Der Mann aus dem Eis“ ist der einsame Rächer in einem prähistorischen Western. Ein früher Bruder von John Wayne („Der einsame Rächer“), James Coburn („Pat Garret jagt Billy the Kid“) oder Leonardo DiCaprio („The Revenant“). Ausgerüstet mit Kupferbeil statt Winchester und Trockenfleisch statt Büchsenbohnen, getrieben von glühender Wut, geleitet von Angst, beherrscht von Hunger, Durst und Einsamkeit. Wie dieser Mann in Regionen vorstößt, in der mindestens seit der letzten Eiszeit kein Mensch mehr gewesen ist, wie er in seinen mit Heu ausgestopften Lederpuschen über Grate rennt und sich über Gletscher kämpft, das bieten Randau und sein Kameramann Jakub Bejnarowicz in atemberaubenden (Luft-)Aufnahmen dar. (DIE WELT)
Foto: ZDF / Martin Rattini
Mit deutlichen Parallelen zu Iñárritus „The Revenant“ wird die Suche nach Rache für die Hauptfigur in Randaus Film zur Konfrontation mit einer übermächtigen Natur … Es kommt zu Messerkämpfen, es wird mit Pfeil und Bogen aufeinander geschossen – und doch gleitet „Der Mann aus dem Eis“ über dieser Anhäufung dramatischer Ereignisse mehr und mehr ins Gleichförmige ab. (Der Spiegel)
Die Handlung ist genauso überschaubar, wie sie in der Zusammenfassung klingt. Für Abwechslung sorgen allein eine Begegnung Kelabs mit einem alten Mann und einer jungen Frau, die ihn bei sich aufnehmen und denen er das Baby überlässt, sowie ein Sturz in eine Gletscherhöhle; ein Junge, dem er zuvor die Freiheit geschenkt hat, rettet ihn. Der Rest ist Landschaft. Kameramann Jakub Bejnarowicz hat zwar nicht zuletzt dank der reizvoll zerklüfteten Felsmotive für faszinierende Bilder gesorgt, aber über weite Strecken beschränkt sich Randau darauf, seinen Helden einsam durch die Gegend stapfen zu lassen. Dass Kelab mangels Gesprächspartnern recht wortkarg ist, stört nicht weiter, weil die fremdartige rätische Sprache ohnehin nicht untertitelt wird. Offen bleibt daher auch, was die überraschend namhafte Schauspielriege an diesem dank Eis und Schnee garantiert äußerst strapaziösen Projekt gereizt haben mag. Der Abspann offenbart einige namhafte Mitwirkende, aber unter den zotteligen Haar- und Barttrachten sind neben Vogel allein André Hennicke (als Anführer der mordlüsternen Schurken) sowie Franco Nero (als alter Mann) zu erkennen.
Bei der Rekonstruktion der Lebensgewohnheiten und Unterkünfte spielte historische Plausibilität eine große Rolle, was den Film ähnlich informativ macht wie eine Folge der ZDF-Dokureihe „Terra X“; auf ihre Kosten kommen daher vor allem Zuschauer mit großem Interesse an Ethnologie und Anthropologie, denen Spannung nicht so wichtig ist. Selbst wenn archaische Geschichten oft eher handlungsarm sind: Zwischendurch zieht sich dieser Steinzeit-Western ganz schön in die Länge; und unappetitlich wird es stellenweise auch.