Der Kommissar und das Meer – Der wilde Jack

Walter Sittler, Andy Gätjen, Annette Hess, Thomas Roth. Frühlingsgefühle?

Foto: ZDF / Stephan Rabold
Foto Tilmann P. Gangloff

Über weite Strecken erzählt „Der wilde Jack“, der 24. Film der Reihe „Der Kommissar und das Meer“ (ZDF / Network Movie), eine ganz gewöhnliche Krimistory; erst die Auflösung und vor allem der Epilog offenbaren die ganze Abgründigkeit der Geschichte. Im Unterschied zu den von Regisseur Miguel Alexandre inszenierten Episoden, die im Winter entstanden sind und daher nicht nur inhaltlich, sondern auch optisch düster waren, ist „Der wilde Jack“ ein Frühlingsfilm. Die Bildgestaltung mag daher nicht mehr ganz so reizvoll sein, aber dafür sind die zudem ausgezeichnet synchronisierten schwedischen Darsteller besonders markant.

Zweieinhalb Jahre und sechs Filme lang lag das Schicksal der ZDF-Reihe „Der Kommissar und das Meer“ in den Händen von Miguel Alexandre, dessen erste Amtshandlung seinerzeit darin bestand, die Drehzeit in den Winter zu verlegen; auf einmal sah das schöne Gotland nicht mehr wie ein schwedisches Urlaubsparadies aus, sondern wie der Schauplatz einer jener düsteren skandinavischen Serien, in denen die Menschen zu allen nur denkbaren Schandtaten fähig sind. Im vorigen Jahr hat Alexandre die Regie an Thomas Roth übergeben, der schon zwischen 2010 und 2013 sechs Episoden inszeniert hat. Sein siebter Beitrag, „Tage der Angst“ (EA: 12/2017), orientierte sich noch an Alexandres Look, aber „Der wilde Jack“ ist im Frühling entstanden; dank blühenden Blumen & strahlendem Sonnenschein wirkt die Insel gleich viel freundlicher. Die Geschichte des 24. Falls für den deutschstämmigen Kommissar Robert Anders (Walter Sittler) entpuppt sich allerdings als ebenso finster wie die früheren Filme, selbst wenn sich die ganze Abgründigkeit der Ereignisse erst im Epilog offenbart.

Bis dahin erzählt das Drehbuch von Annette Hess (Grimme-Preis für „Weißensee“, Deutscher Fernsehpreis für „Ku’damm 56“) eine scheinbar handelsübliche Krimihandlung: Als der Hotelkoch Ben Jonsson erschossen in seinem Auto gefunden wird, deuten sämtliche Indizien auf den einschlägig vorbestraften Kris Ulander (Andréas Utterhall), denn das Opfer ist eindeutig vor seinem Haus ermordet und später weggeschafft worden. Dann stellt sich jedoch heraus, dass Jonsson ein Verhältnis mit der Gattin seines Chefs, dem Hotelbesitzer David Hellgren (Linus Wahlgren), hatte; die Frau erwartet sogar ein Baby von ihm. Ein klassischer Mord aus Eifersucht also? Kurz drauf wird jedoch auch Hellgren Opfer eines Angriffs, womit Anders und sein Mitarbeiter Thomas Wittberg (Andy Gätjen) wieder bei Ulander landen: Er ist mit Hellgrens Schwester Marit (Ida Engvoll) verheiratet, David hatte ihnen mehrmals große Summen für ein eigenes Hotelprojekt geliehen, wollte den Geldhahn aber nun zudrehen.

Der Kommissar und das Meer – Der wilde JackFoto: ZDF / Stephan Rabold
Über weite Strecken handelt „Der wilde Jack“ von klassischer Polizeiarbeit: Spurensuche und (sensiblen) Befragungen.

Roth inszeniert die zwar interessante, aber nicht weiter aufregende Geschichte entsprechend unspektakulär, womit der Film auch dem gelassenen Ermittlungsstil von Robert Anders und dem entspannten Spiel von Walter Sittler entspricht. Über weite Strecken handelt „Der wilde Jack“ von klassischer Polizeiarbeit: Spurensuche und Befragungen. Deshalb erscheint der Titel erst mal ungewöhnlich, denn Jack (Uno Egler), der Sohn von Kris und Marit, ist anfangs nur eine Nebenfigur. Der Junge ist ein Klassenkamerad von Anders’ Sohn Kasper (Grim Lohman) und verhält sich seit einiger Zeit in der Schule sehr auffällig. Unter anderem gerät er ständig mit einem Jungen aneinander, der ihn wegen der Vorstrafen von Kris mobbt; Kasper ist der einzige, der zu ihm steht, und sorgt schließlich dafür, dass Anders nicht nur den Mord und seine direkte Ursache, sondern auch ein viele Jahre zurückliegendes Verbrechen aufklärt.

Seit einiger Zeit sind Sittler und Gätjen die einzigen deutschsprachigen Mitwirkenden. In früheren Episoden hatte dies mitunter zur Folge, dass man schon mal den Überblick verlieren konnte; Schauspieler, die zumindest gesichtsbekannt sind, bieten ja auch eine gewisse Orientierungshilfe. Diesmal sind die einheimischen Mitwirkenden allerdings ausgesprochen markant. Das gilt vor allem für die hier rothaarige Ida Engvall, die nach „Wilde Nächte“ (2015) zum zweiten Mal in „Der Kommissar und das Meer“ mitspielt. Damals war sie ein echtes Ereignis, nun hat sie als Marit eine wesentlich kleinere Rolle, ist aber nach wie vor sehenswert. Die reizvollere Figur verkörpert Dag Malmberg: Der alte Hasse Hellgren, Vater von Marit und dem adoptierten David, ist ehemaliger Polizist, wird von seinen Kollegen als lebende Legende verehrt und mischt sich nach dem Verschwinden seines Adoptivsohns prompt in die Ermittlungen ein. Dass die Figur nicht bloß die Aufgabe hat, Anders auf die Nerven zu gehen, zeigt schon allein die viele Zeit, die Hess und Roth ihm und seiner dementen Frau widmen; selbst wenn es etwas irritiert, dass die Gattin viel älter aussieht, weshalb man sie zunächst für seine Mutter hält. Großen Anteil an der Qualität des Films hat auch die Synchronisation, weil sie im Unterschied zu manch’ anderen im Ausland entstandenen deutschen Produktionen nicht als solche wahrgenommen wird; gerade die beiden Jungs sind vorzüglich gesprochen. Zu den akustischen Besonderheiten gehört zudem die interessante Musik (Claude Chalhoub) mit ihren regelmäßigen schönen Pianopassagen. Melancholie verbreitet auch Wittberg, der eine gewisse Amtsmüdigkeit erkennen lässt und infolge seiner Trinkfreudigkeit erhebliche Fehler begeht; es hat den Anschein, als wolle sich Andy Gätjen verabschieden. Das ZDF versichert jedoch, dass der Schauspieler der Reihe erhalten bleibe.

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Reihe

ZDF

Mit Walter Sittler, Andy Gätjen, Inger Nilsson, Andréas Utterhall, Ida Engvoll, Linus Wahlgren, Dag Malmberg, Uno Egler, Grim Lohman, Malin Crépin

Kamera: Arthur W. Ahrweiler

Szenenbild: Andreas Rudolph

Schnitt: Birgit Gasser

Musik: Claude Chalhoub

Redaktion: Wolfgang Feindt

Produktionsfirma: Network Movie

Produktion: Jutta Lieck-Klenke

Drehbuch: Annette Hess

Regie: Thomas Roth

Quote: 6,64 Mio. Zuschauer (21,2% MA); Wh. (2020): 5,20 Mio. (16,7% MA)

EA: 27.01.2018 20:15 Uhr | ZDF

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