Der König von Deutschland

Olli Dittrich als personifizierter Mittelwert in David Dietls satirischer Kinokomödie

Foto: ZDF / F.N. de Oliveira
Foto Tilmann P. Gangloff

Gemessen an Peter Weirs Medienkritik-Klassiker „Die Truman Show“, gemessen an dem Name Dietl, an dem stets großartigen Olli Dittrich und an den Erwartungen, die man gemeinhin an einen Kinofilm stellt, überzeugte „Der König von Deutschland“ die Filmkritiker nur bedingt. Im TV nun dürfte David Dietls perfekt besetzter Debütfilm, bei dem auch die Ausstattung einen nachhaltigen Eindruck hinterlässt, viel besser zur Geltung kommen.

Wenn jemand Thomas Müller heißt, kann er allenfalls als Fußballer zum König von Deutschland werden. Alle anderen Männer dieses Namens sind für ein Leben in der Durchschnittlichkeit prädestiniert. Das gilt auch für den Antihelden dieses ausgesprochen originellen Langfilm(kino)debüts von David Dietl, Sohn des „Schtonk!“-Regisseurs Helmut Dietl: Der Mann ist nicht nur mausgrau und unscheinbar, sondern auch der inkarnierte Mittelwert. Kein Wunder, dass „König von DeutschlandKönig von Deutschland“ seine Lieblingssendung ist. Die Teilnehmer der Quizshow müssen erraten, was die Mehrheit auf bestimmte Fragen geantwortet hat, und selbstredend weiß Thomas Müller alle Antworten: Er ist die Mehrheit. Das macht ihn zum perfekten Versuchsobjekt eines Marketingunternehmens: Was immer auch Müller äußert, wird umgehend umgesetzt. Ein Landespolitiker gestaltet gar die komplette Wahlkampagne nach seinen Forderungen – und hat damit prompt Erfolg.

Der König von DeutschlandFoto: ZDF / F.N. de Oliveira
Das geborene Mittelmaß. Mr. Durchschnitt, Thomas Müller (Olli Dittrich), wird immer mehr zum Trendsetter.

Dietls Geschichte erinnert an Peter Weirs Medienkritik in „Die Truman Show“, und auch der von Olli Dittrich großartig verkörperte Thomas Müller findet sich irgendwann in einer Kunstwelt wieder, aus der es für ihn offenbar kein Entkommen gibt. Zunächst aber kann er sein Glück kaum fassen: Als er aufgrund eines Missverständnisses seine Arbeit verliert, erscheint aus heiterem Himmel der sympathische Stefan Schmidt und bietet ihm einen neuen Job an. Das weitläufige Betriebsgelände wirkt allerdings seltsam leer, und eine richtige Aufgabe hat Müller auch nicht. Um so verwirrter stellt er fest, dass seine Vorlieben plötzlich Trends auslösen. Als er das Spiel schließlich durchschaut und aussteigen will, lässt Schmidt ihn kurzerhand entführen. Fortan muss Mr. Querschnitt sein Leben in einem originalgetreuen Nachbau seiner Wohnung verbringen. Grausam verdeutlicht Dietl die Ausweglosigkeit dieses Daseins, als die Kamera in die Draufsicht schwebt und der tragische Held von oben einsam und allein wie eine Laborratte im Labyrinth wirkt. Dass die Messung seiner Hirnströme an die Gehirnwäsche in Kubricks „Uhrwerk Orange“ erinnert, wird auch kein Zufall sein.

Sieht man davon ab, dass Veronica Ferres in ihrer Rolle als Müllers Gattin etwas überbesetzt wirkt, sind alle Figuren ausgezeichnet gecastet. Gerade Wanja Mues macht seine Sache als mephistophelischer Seelenkäufer wunderbar. Auch Jonas Nay spielt den rebellischen Sohn von Thomas und Sabine ausgesprochen glaubwürdig. Ergänzt wird das Ensemble um Hanns Zischler als Drahtzieher im Hintergrund und Stephan Grossmann als opportunistischer Politiker. Eine wichtige Rolle spielt auch die Musik. Die Songs, die Jonas Nay im Film vorträgt, hat er selbst geschrieben und gespielt; das Titellied hat echtes Hitpotenzial. Am eindrucksvollsten ist jedoch Dietls souveräne Inszenierung. Debüts sind ja gern überfrachtet, aber „König von Deutschland“ ist nicht nur dicht und schnörkellos umgesetzt, sondern auch raffiniert erzählt. Großen Anteil an der Glaubwürdigkeit von Thomas Müllers Repräsentativität hat auch die Ausstattung. Die Mietwohnung im Reihenhaus, seine Gewohnheiten und Verhaltensweisen, die Einrichtung und die Kleidung entsprechen den Ergebnissen der mit viel Liebe zum Detail umgesetzten Marktforschung. Dietl stellt die Einzelheiten aber nicht eitel in den Vordergrund, sondern überlässt es den Zuschauern, sie auf eigene Faust zu entdecken. Außerdem sorgt das Drehbuch immer wieder für Überraschungen. Für einige ist Thomas’ hübsche Kollegin Ute (Katrin Bauerfeind) verantwortlich, die als Traumfrau dafür sorgt, dass sich die Geschichte schließlich zur Romanze wandelt. Wunderbar eingefädelt ist auch der Schluss, als Thomas tatsächlich an der TV-Show „König von Deutschland“ teilnimmt und anschließend buchstäblich in der Versenkung verschwindet. (Text-Stand: 27.2.2015)

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Kinofilm

Arte, ZDF

Mit Olli Dittrich, Veronica Ferres, Wanja Mues, Katrin Bauerfeind, Jonas Nay, Jella Haase, Stephan Grossmann, Hanns Zischler

Kamera: Felix Novo de Oliveira

Schnitt: Robert Rzesacz

Musik: Francesco Wilking, Patrick Reising

Produktionsfirma: Frisbeefilms

Drehbuch: David Dietl

Regie: David Dietl

EA: 27.02.2015 20:15 Uhr | Arte

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