Der Irland-Krimi – Blackout

Nosbusch, Conlon, Patric, Hauck, Poser, Andrae, Tiefenbacher. Irisches Reifezeugnis

Foto: Degeto / Xiomara Bender
Foto Tilmann P. Gangloff

Die Bildgestaltung ist sehenswert, aber die stellenweise schlechte Synchronisierung gerade der Nebendarsteller nimmt dem siebten „Irland-Krimi“ (Degeto / Good Friends) mit Désirée Nosbusch viel von seiner Wirkung. Die Handlung ist zudem gerade bei den narrativen Richtungsänderungen allzu vorhersehbar. Außerdem erschließt sich nicht, warum dieser Film unbedingt an der westirischen Küste spielen muss; die Geschichte über den Mord an einer College-Schülerin könnte sich genauso gut in einer deutschen Privatschule zutragen. Zumindest der ältere Teil des Publikums wird sie überdies früh mit dem „Tatort“-Klassiker „Reifezeugnis“ assoziieren. Der Titel „Blackout“ bezieht sich auf die Erinnerungslücken der besten Freundin des Opfers, die zu allem Überfluss auch noch als mordverdächtig gilt.

Synchronisierung, hieß es einst, sei die Rache der Deutschen an den Alliierten. Das bezog sich nicht nur auf die seltsam blechern klingenden und oft unpassend markig gesprochenen Dialoge; die Handlung von „Casablanca“ ist bei der Übertragung kurzerhand entnazifiziert worden. Später haben es die hiesigen Synchronstudios allerdings zu einer vielfach bewunderten Meisterschaft gebracht. Aufgrund des allgemeinen Preisdrucks ändert sich das seit einiger Zeit hörbar wieder; kein Wunder, dass gerade das junge Streaming-Publikum angelsächsische Importe lieber im Original anschaut. Beim „Irland-Krimi“ geht das leider nicht, und das ist bedauerlich: Eine schlechte Synchronisierung schmälert den Gesamteindruck einer Darbietung erheblich. Die einstige Rache der Deutschen trifft sie nun selbst.

Natürlich gilt diese Erkenntnis für sämtliche Auslandskrimis der ARD-Tochter, aber in den Filmen aus dem westirischen Galway tritt das Problem besonders hörbar zutage: Abgesehen von Hauptdarstellerin Désirée Nosbusch als Cathrin Blake und Rafael Gareisen in einer kleinen Rolle als Sohn der Psychologin sind sämtliche Mitwirkenden Einheimische, und an deren Dialogen scheiden sich die Geister. Die zentralen Personen sind gut gesprochen, doch gerade die jugendlichen Nebendarsteller klingen dank des künstlichen Synchrondeutschs mit seinen seltsamen Kunstpausen wie Figuren aus einer Sitcom. Dass im normalen Leben kein Mensch mehr „Grundgütiger“ sagt, passt ins Bild.

Der Irland-Krimi – BlackoutFoto: Degeto / Leanne Sullivan
Superintendent Sean Kelly (Declan Conlon) hält den Vertrauenslehrer O’Grady (Michael Patric) zurück.

Immerhin ist die Handlung von „Blackout“ nicht uninteressant, selbst wenn dieser siebte „Irland-Krimi“ zumindest beim älteren Teil des Publikums schon früh Assoziationen zum „Tatort“-Klassiker „Reifezeugnis“ (1977) wecken dürfte: Nach einer College-Party wird die Schülerin Moira tot aufgefunden. Ihre beste Freundin Hanna (Tara Cush) hat eine Kopfwunde und kann sich nur noch an Bilderfetzen erinnern. Weil die beiden Streit hatten, betrachtet Superintendent Kelly (Declan Conlon) Hanna erst mal als Verdächtige; Cathrin soll versuchen, mehr aus dem Mädchen herauszuholen. Alsbald konzentrieren sich die Ermittlungen jedoch auf einen jungen Pizzaboten, der die College-Girls nicht bloß mit Teigwaren versorgt hat.

Matthias Tiefenbacher hat das Drehbuch (Elke Hauck, Sven S. Poser, Sebastian Andrae) zu seinem zweiten „Irland-Krimi“ nach „Familienbande“ (2022) ansprechend und im guten Sinne routiniert umgesetzt. Die Bildgestaltung seiner Filme ist dank der Zusammenarbeit mit Kameramann Hanno Lentz ohnehin sehenswert; auch die hintergründige Musik (Warner Poland, Wolfgang Glum) ist sehr stimmig. Allerdings stellt sich die Frage, warum dieser Film in Galway gedreht werden musste. Es gibt zwar schöne Bilder von Himmel und Meer, aber die Handlung könnte sich genauso gut in einer Privatschule an einer deutschen Küste zutragen; düstere Bilder wären dort problemlos ebenfalls zu haben. Wäre da nicht die typisch irische Arbeitersiedlung, in der die Eltern der Mädchen leben, erinnerte über weite Strecken allein die Synchronisierung daran, dass „Blackout“ außerhalb Deutschlands spielt. Zu allem Überfluss klingt selbst die erfahrene Hauptdarstellerin in ihren Dialogen nicht immer überzeugend.

Wenigstens sind die einheimischen Mitwirkenden gut ausgewählt. Declan Conlon als väterlich strenger Ermittler ist Nosbusch ohnehin von Anfang ein ebenbürtiger Partner gewesen. Michael Patric als Vertrauenslehrer und die junge Tara Cush als Hanna sind ebenfalls gut besetzt. Die Handlung ist dagegen gerade bei den narrativen Richtungsänderungen allzu vorhersehbar. Früh zeichnet sich ab, dass die Mädchen längst nicht so brav sind, wie ihre Eltern glauben, und es ist völlig klar, dass sich der verbitterte Vater des Mordopfers den Pizzaboten vornehmen wird. Andererseits ist es wenig glaubwürdig, dass die als fürsorglich beschriebene Moira ausgerechnet ihrer besten Freundin keinen Glauben geschenkt hat, als ihr Hanna von einem traumatischen Erlebnis berichtete. Schade auch, dass sich der Film um einen kleinen Knüller bringt: Beiläufig knüpft die Geschichte an die Handlung der letzten Episode an („Preis des Schweigens“, 2022), als sich Cathrin in einen Mann verliebte, der sich als Psychopath entpuppte. „Blackout“ endet mit dem Prozess gegen den Mann, aber es wäre wohl zu kostspielig und aufwändig gewesen, Thomas Sarbacher eigens für einen Gastauftritt einfliegen zu lassen. Einen Gegenspieler seines Formats hat der Film ohnehin nicht zu bieten.

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Reihe

ARD Degeto

Mit Désirée Nosbusch, Declan Conlon, Michael Patric, Tara Cush, Róisín O’Donovan, Rafael Gareisen

Kamera: Hanno Lentz

Szenenbild: Eleanor Wood

Kostüm: Katrin Aschendorf

Schnitt: Horst Reiter

Musik: Warner Poland, Wolfgang Glum

Redaktion: Katja Kirchen, Christoph Pellander

Produktionsfirma: good friends Filmproduktion

Produktion: Moritz von der Groeben, Nikola Bock

Drehbuch: Elke Hauck, Sven S. Poser, Sebastian Andrae

Regie: Matthias Tiefenbacher

Quote: 6,19 Mio. Zuschauer (25,2% MA)

EA: 10.10.2023 10:00 Uhr | ARD-Mediathek

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