Die in Berlin lebende Staatsanwältin Andrea Fichtner kehrt vorübergehend in ihren Heimatort in der bayerischen Provinz zurück. Ihr Vater, mit dem sie vor 15 Jahren im Streit auseinander gegangen war, braucht ihre Hilfe. Nach dem Einsturz der Tribüne der örtlichen Eishalle soll er als der verantwortliche Bauunternehmer wegen fahrlässiger Tötung angeklagt werden. Der Vater wiegelt ab, will die Tochter mit seinen Problemen nicht belasten. Am Morgen nach einem Streit sitzt er tot an seinem Schreibtisch. Alles deutet auf Selbstmord hin. Andrea aber mag es nicht glauben. Ihr Vater war nicht verzweifelt, sie kennt ihn als Kämpfer. Auch die Worte seines Abschiedsbriefs sind nicht seine Worte. Für Andrea heißt es nun, nicht nur die Unschuld ihres Vaters zu beweisen, sondern auch seinen Mörder zu finden.
Der Titel „Der Einsturz – Die Wahrheit ist tödlich“ führt auf eine falsche Fährte. Nicht der Einsturz steht im Mittelpunkt dieses TV-Movies, sondern die Heimkehr der Heldin in einen Mikrokosmos, der einst ihre Heimat war. Ihre Recherche deckt nicht nur nach und nach die korrupten Machenschaften und dubiosen Grundstücksspekulationen im Ort auf, sondern zeigt ihr auch, weshalb sie damals das Weite gesucht hat, obwohl sie offenbar den Mann fürs Leben schon damals gefunden hatte. Auch der scheint tief im Korruptionssumpf zu stecken.
Julia Koschitz ist der Dreh- und Angelpunkt dieser Sat-1-Eigenproduktion, der besten seit dem Großstadt-Thriller „Schatten der Gerechtigkeit“. Ihre Andrea Fichtner nimmt den Zuschauer mit durch die spannenden 90 Minuten. Man geht mit ihr joggen, man recherchiert mit ihr, ärgert sich mit ihr über die unkooperativen Kleinstädter, leidet mit ihr und man fühlt mit ihr mit, wenn die Erinnerung sie überkommt. Koschitz’ Gesicht, die großen Augen, die ausgeprägten Wangen, auch fürs Komödiengenre eine Offenbarung, bietet für dieses kriminalistische Wechselbad der Gefühle die ideale Projektionsfläche. Ihre Andrea Fichtner enthält auch alle Optionen für ein weniger klischeehaftes Frauenbild, indem sie sich souverän in einem breiten „Emotionsfeld“ zwischen Liebreiz und herber Strenge bewegen kann. In „Der Einsturz“ setzt sie auf die Ausdrucksmittel der Distanz. Im Trenchcoat gegen den Rest der Welt. Männliche Hilfe holt sie sich nur im Notfall. Dann wird sie Frau, weich und sie lächelt!
Es ist nicht leicht, ein realistisches Sujet wie Heimkehr der Tochter und Erinnerung an die Jugend mit einer Räuberpistole zu verbinden, das Drama mit dem Krimi und die Nachdenklichkeit eines Fernsehfilms mit der „Knalligkeit“ eines TV-Movies kurzzuschließen. Dem Film von Diethard Küster gelingt dieser Spagat ausnehmend gut. Eingebunden werden die Gegensätze in einen durchweg stimmigen Erzählrhythmus, der sowohl von der kopfgesteuerten Protagonistin als auch dem Leben in der Kleinstadt mitbestimmt wird. Auch die Musik („Dirty Old Town“ als Leitmotiv) und das Sounddesign werden nicht sülzig über die Bilder gelegt, sondern umspielen zwar funktional, aber intelligent die Stimmungslagen des bis in die kleinsten Rollen gut besetzten Films. (Text-Stand: 16.2.2010)