Die Beiträge aus Bozen bleiben die Problemproduktionen unter den Donnerstags-Krimis im „Ersten“. Nach dem Tiefpunkt „Leichte Beute“, ausgestrahlt zu Beginn des Jahres, ging die Tendenz mit Film 7 („Falsches Spiel“) zwar wieder nach oben, aber die Verknüpfung der verschiedenen Handlungsstränge ist weiterhin ein grundsätzliches Manko. Die ersten Beiträge der von Jürgen Werner kreierten Reihe lebten vor allem von der Fortsetzungsebene: Erst war der einheimische Ehemann der deutschen Kommissarin Sonja Schwarz (Chiara Schoras) scheinbar in einen Mord verwickelt, dann drohte die Polizistin Opfer einer perfiden Intrige zu werden. Gleichzeitig musste sie in jeder Episode auch noch einen in sich abgeschlossenen Fall lösen, der jedoch regelmäßig deutlich schwächer war als die durchgehende Erzählung.
Auch im achten Fall, „Mörderisches Schweigen“, gibt es diesen Fremdkörpereffekt, aber diesmal betrifft er das Privatleben der verwitweten Ermittlerin: Der von Anfang an verdächtig wirkende neue Weingutverwalter (Harald Windisch) entpuppt sich als einst unter dem Druck der Eltern zur Adoption freigegebener Sohn von Schwiegermutter Katharina (Lisa Kreuzer). Das sorgt zwar für Emotionen, wirkt aber auch etwas erzwungen. Eine zweite Personalie ist ohnehin interessanter: Weil Rossi (Thomas Sarbacher), der Statthalter der Mafia in Bozen, aus dem Rennen ist, hat „die Familie“ jemand Neues geschickt, und das ist eine Frau; Anwältin Giulia Santoro hat auch Rossis Restaurant übernommen. Susanna Simon verkörpert eine derartige Rolle nicht zum ersten Mal als wandelnder Eiszapfen, macht das aber gut. Santoros erste Amtshandlung ist die Beseitigung von Rossis großem Rivalen, Revierleiter Zanchetti (Tobias Oertel), den eine Autobombe ins Jenseits befördern soll; das hat Thriller-Spezialist Thorsten Näter (zuletzt „Jenseits der Angst“ mit Anja Kling) recht packend inszeniert.
Dramaturgisch orientiert sich Näters Buch am Zopfkonzept: hier die beiden durchgehenden Ebenen mit dem heimgekehrten Sohn und der maliziösen Mafiosa, dort die aktuellen Mordermittlungen. Im ersten von zwei neuen Filmen, „Mörderisches Schweigen“, wird die Leiche der vor Monaten spurlos verschwundenen Ehefrau des Dorfwirts gefunden. Weil sie ihre Mitbürger gern provoziert und die Enge des Ortes gehasst hat, waren alle überzeugt, sie habe sich aus dem Staub gemacht. Näter sorgt dafür, dass sämtliche Einwohner, mit denen die Polizei spricht, auch ein Mordmotiv hätten. Die Figuren entsprechen den handelsüblichen Klischees: der verständnisvolle junge Pfarrer, der zornige Witwer, der unsympathische Bürgermeister, seine unterdrückte Frau. Einige dieser Rollen sind immerhin interessant. Der Pfarrer (Fabian Oehl) zum Beispiel macht sich bei den Mitgliedern der Gemeinde nicht gerade beliebt, als er in seiner Predigt ihre Bigotterie anprangert; kurz drauf wird auch er ermordet. Während Beat Marti den Bürgermeister hingebungsvoll als Haustyrannen verkörpert, legt Jule Böwe die misshandelte Gattin mimisch, körpersprachlich und quengelstimmlich derart konsequent als Opfer an, dass sie eher Abneigung als Empathie hervorruft.
Es gibt ohnehin eine deutliche Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis. Abstrakt betrachtet sind die gruppendynamischen Parallelen zwischen den drei Handlungssträngen durchaus interessant, denn auf jeder Ebene gibt es eine Figur, die die anderen entzweit: bei Sonja Schwarz daheim der verlorene Sohn, im Dorf der schurkische Bürgermeister und im Revier der schon im letzten Film eingeführte Maulwurf. Damals hatte Sinja Dieks nicht viel zu tun, diesmal rückt sie stärker in den Mittelpunkt: Giulia Santoro erpresst Streifenpolizistin Sofia zum Spitzeldienst, ansonsten würde sie dafür sorgen, dass Sofias Vater (von Lüttichau) ins Gefängnis muss. Da sich Sonjas Kollege Jonas (Gabriel Raab) in die junge Polizistin verliebt hat, weiß sie stets, wie weit Zanchettis mit seinen Ermittlungen gegen den Bombenleger ist.
Handwerklich ist „Mörderisches Schweigen“ gutes Fernsehfilmniveau, was nicht weiter überrascht, schließlich verfügt der Regisseur über die Erfahrung von einigen Dutzend Inszenierungen. Die Bildgestaltung mit ihren fließenden Kamerabewegungen liegt allerdings über dem Durchschnitt, zumal Näters Stammkameramann Achim Hasse bei einigen Innenaufnahmen für ein interessantes Zwielicht gesorgt hat. In der Wirtschaft zum Beispiel ist es selbst am helllichten Tag ziemlich finster; ein Bild, das ungleich beredter ist als die maulfaulen Einheimischen. Santoros Restaurant wiederum wirkt alles andere als behaglich; die Beleuchtung lässt die Anwältin noch kälter wirken. Weil Näter die Dialoge aus verschiedenen Perspektiven drehen ließ, hatte er beim Schnitt entsprechend viel Material zur Verfügung, sodass die Szenen dank der Montage recht dynamisch wirken und auch deshalb eine gewisse Intensität entwickeln. Richtig packend ist das alles trotzdem nicht. Für Krimispannung sorgen ohnehin nur einzelne Momente wie etwa das Attentat oder ein weiterer Mordversuch von Santoros Killer (Murat Demir), der als Polizist verkleidet unerkannt durchs Revier schleicht. Am Schluss hat Näter immerhin noch eine kleine Überraschung zu bieten.