Der Bozen-Krimi – Gegen die Zeit

Chiara Schoras, Tobias Oertel, Näter. Mittelmäßige Geschichte, flüssige Inszenierung

Foto: Degeto / Hans-Joachim Pfeiffer
Foto Tilmann P. Gangloff

Die „Bozen-Krimis“ (Degeto / Merfee Film- und Fernsehproduktion) hatten von Beginn an einen entscheidenden Schwachpunkt: Es gab zwei Handlungsstränge von deutlich unterschiedlicher Qualität. Daran hat sich nichts geändert, nur das Vorzeichen ist gewandert. Anfangs war die Fortsetzungsebene ungleich spannender und überraschender als der jeweils in sich abgeschlossene Episodenfall. Mittlerweile gilt das nur noch für den Kampf gegen die Mafia; die scheinbar mysteriösen Ereignisse auf dem Weingut von Commissario Sonja Schwarz sind dagegen Kinderkram. Dass die Polizistin trotzdem mitten in der Suche nach einem vom Tode bedrohten entführten Mädchen alles stehen und liegen lässt, um auf dem Hof nach dem Rechten zu sehen, ist entsprechend unglaubwürdig. Routinier Thorsten Näter sorgt in „Gegen die Zeit“ zwar für eine gewisse Spannung und die üblichen Schauwerte, aber wirklich überzeugen kann der neue Film nicht.

Die Beiträge aus Bozen bleiben die Problemproduktionen unter den Donnerstags-Krimis im „Ersten“. Nach dem Tiefpunkt „Leichte Beute“, ausgestrahlt zu Beginn des Jahres, ging die Tendenz mit Film 7 („Falsches Spiel“) zwar wieder nach oben, aber die Verknüpfung der verschiedenen Handlungsstränge ist weiterhin ein grundsätzliches Manko. Die ersten Beiträge der von Jürgen Werner kreierten Reihe lebten vor allem von der Fortsetzungsebene: Erst war der einheimische Ehemann der deutschen Kommissarin Sonja Schwarz (Chiara Schoras) scheinbar in einen Mord verwickelt, dann drohte die Polizistin Opfer einer perfiden Intrige zu werden. Gleichzeitig musste sie in jeder Episode auch noch einen in sich abgeschlossenen Fall lösen, der jedoch regelmäßig deutlich schwächer war als die durchgehende Erzählung.

Der Bozen-Krimi – Gegen die ZeitFoto: Degeto / Hans-Joachim Pfeiffer
Der private Plot. Der „verlorene Sohn“ bringt das Weingut in Gefahr! Sonja (Chiara Schoras) stellt sich Felix (Harald Windisch) entgegen. Lisa Kreuzer & Charleen Deetz

Im neuen Film (insgesamt also Nummer neun) funktioniert die Zopf-Dramaturgie besser. Allerdings wirkt es nun reichlich unglaubwürdig, wenn die Kommissarin mitten in den Ermittlungen alles stehen und liegen lässt, weil sich auf dem heimischen Hof die mysteriösen Vorfälle häufen. Trotzdem ist dem erneut für Buch und Regie verantwortlichen Näter eine insgesamt schlüssigere Verknüpfung der drei Handlungsstränge gelungen: Als auf dem Weingut mitten in der Nacht ein neuer Traktor in Flammen aufgeht, sieht Schwarz Parallelen zum Attentat auf ihren Chef. Dialogsätze wie „Das ergibt doch alles keinen Sinn“ deuten allerdings an, dass der Hintergrund ein ganz anderer ist: Der zwischenzeitlich in den Kreis der Familie aufgenommene Sohn verfolgt finstere Pläne.

Der Episodenfall ist jedoch weitaus interessanter: Die kleine Tochter des prominenten früheren Extremsportlers Born (Tim Bergmann) ist entführt worden. Das Mädchen leidet unter einer Stoffwechselkrankheit und braucht regelmäßig Medizin, sonst droht ihm der Tod. Schwarz und Zanchetti verdächtigen die beiden erwachsenen Kinder aus Borns erster Ehe, weil ihr Vater nur noch Augen für seine zweite Tochter hat und sie außerdem finanziell an kurzer Leine hält. Born wiederum fragt sich, ob nicht die Mafia dahintersteckt, und tatsächlich macht sich Santoro die Entführung auf perfide Weise zunutze. Das Ermittlerduo hat Sofia zwischenzeitlich „umgedreht“; die Polizistin soll die Anwältin mit falschen Informationen versorgen und rausfinden, was sie im Schilde führt. Das ist alles flüssig erzählt und erneut gut fotografiert, zumal Hasses Kamera diesmal auch in die Schauwerte der Dolomiten zur Geltung bringen darf: Dort findet nicht nur die raffiniert eingefädelte Übergabe des Lösegelds statt; Santoro pflegt sich hier regelmäßig zu konspirativen Gesprächen zu treffen. Dank des Wettlaufs gegen die Zeit ist auch der in sich abgeschlossene Fall deutlich spannender, zumal im Hintergrund nach wie vor der Killer durch die Szenerie geistert. Gegen Ende, als Born seine Seele dem Teufel verkauft hat und Sofia sich an der Mafiosa rächen will, wird es sogar richtig dramatisch. Zum Schluss malt Santoro mit ihrem eigenem Blut ein V für Vendetta auf Zanchettis Hemd, womit Näter erfolgreich die Neugier auf die Fortsetzung schürt.

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Reihe

ARD Degeto

Mit Chiara Schoras, Tobias Oertel, Gabriel Raab, Sinja Dieks, Susanna Simon, Lisa Kreuzer, Harald Windisch, Charleen Deetz, Hanspeter Müller-Drossaart, Tim Bergmann, Milena Dreißig

Kamera: Achim Hasse

Szenenbild: Jost Brand-Hübner

Kostüm: Astrid Karras

Schnitt: Julia von Frihling

Musik: Axel Donner

Redaktion: Diane Wurzschmitt, Katja Kirchen

Produktionsfirma: Merfee Film- und Fernsehproduktion

Produktion: Eberhard Jost

Drehbuch: Thorsten Näter

Regie: Thorsten Näter

Quote: 5,09 Mio. Zuschauer (17,5% MA)

EA: 26.09.2019 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

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