Drei Dinge braucht der Mann, hieß es einst in einer Tabakwerbung: Feuer, Pfeife, Stanwell. Mindestens drei Dinge braucht auch ein Film, um sich eine Empfehlung zu verdienen: eine gute Story, fesselnde Figuren und eine ansprechende Umsetzung. Bei Krimis kann zudem ein gewisser Grad an Spannung nicht schaden. Ein sehenswertes Ensemble ist ohnehin unabdingbar. Der Schauplatz sollte nach Möglichkeit bloß Dreingabe und keineswegs Ausgleich für ein Defizit bei den Grundvoraussetzungen sein. Ausflüge ins Privatleben des ermittelnden Personals sind Geschmacksache. Wenn sie schlüssig und flüssig in die Handlung integriert sind und sich im besten Fall mit der Krimiebene überschneiden, spricht nichts dagegen.
Foto: Degeto / Lucia Faraig
Gemessen an all’ diesen Gesichtspunkten ist der neunte „Barcelona-Krimi“ eine Enttäuschung. Dabei ist die Geschichte durchaus interessant, selbst wenn es eine Weile dauert, bis Paul Salisbury in seinem ersten Drehbuch für die Reihe zur Sache kommt: Das verrufene Viertel, in dem Kommissar Xavi Bonet (Clemens Schick) aufgewachsen ist, wurde lange von einer Gang terrorisiert. Damit ist nun Schluss: Eine Friseurin (Inga Busch) hat eine Bürgerwehr organisiert; ihr Sohn ist als Zeuge eines Verbrechens so schwer verletzt worden, dass er im Rollstuhl sitzt. Seit die Mitglieder der Gruppe in den Straßen patrouillieren, kann man sich auch nachts wieder vor die Tür trauen. Als der Sohn einer Imbissbesitzerin getötet wird, sieht es zunächst so aus, als sei er zwischen die Fronten geraten.
Im Verlauf ihrer Ermittlungen finden Bonet und Kollegin Fina Valent (Anne Schäfer) allerdings heraus, dass der Bock mittlerweile zum Gärtner geworden ist: Die neuen Herren des Viertels sind keinen Deut besser als die alten. Diesen Handlungskern schmückt Salisbury jedoch mit allerlei Girlanden, die mit der eigentlichen Geschichte nichts zu tun haben und daher auch nicht der Wahrheitsfindung dienen. Die Szenen mit Kripochef Fernandez (Alexander Beyer) und seiner dementen Frau sind berührend, aber die Ausflüge ins Privatleben von Bonet und Valent sind gänzlich überflüssig. Immerhin kann Salisbury dank Bonets Freund Antoni (Renato Schuch) eine Figur ins Spiel bringen, die den Krimi darstellerisch zumindest zeitweise auf ein höheres Niveau hebt: Pastor Enrique Diaz (Martin Feifel) betreibt in dem Viertel einen Boxclub für Jugendliche und hat auf diese Weise nicht nur Antoni davor bewahrt, auf die schiefe Bahn zu geraten. Der Pfarrer hütet gleich zwei Geheimnisse; eins davon stellt eine tödliche Gefahr für ihn dar.
Foto: Degeto / Lucia Faraig
Die umstrittene Selbstjustiz vigilanter Bürgerwehren war bereits einige Male Thema im TV-Krimi, allen voran in den beiden „Tatort“-Episoden „Ihr werdet gerichtet“ (2015), einem der besten Beiträge aus Luzern, sowie „Die Wacht am Rhein“ (Köln, 2017). Von deren Qualität ist „Wächter der Stadt“ weit entfernt, was auch an der Regie liegt. Dabei ist Andreas Kleinert, vierfacher Grimme-Preisträger, eigentlich ein zuverlässiger Garant für herausragende Filme. Mit seiner Brasch-Hommage „Lieber Thomas“ (Deutscher Filmpreis 2022) hat er ein Werk gedreht, das sich wie die Hauptfigur allen Konventionen widersetzt. Auch seine mehrfach preisgekrönten Sonntagskrimis waren regelmäßig mindestens sehenswert. Für sein „Barcelona“-Debüt gilt das nur mit Abstrichen. Die Bildgestaltung (Johann Feindt, wie fast immer bei Kleinert) ist sorgfältig, aber besondere Akzente wie zum Auftakt, als die Kamera mit einem Schwenk vom Imbiss aufs Stadtpanorama und wieder zurück sehr elegant mehrere Filmstunden überbrückt, haben Seltenheit. Größeres Manko ist trotz einer Verfolgungsjagd durch Gassen und über Dächer der Mangel an Spannung, sowohl vorder- wie hintergründig. Hinzu kommt, dass eine zentrale Rolle nur bedingt glaubwürdig besetzt ist. Auch die jungen Mitwirkenden haben bestimmt ihr Bestes gegeben, aber rundum gelungen sind ihre Darbietungen nicht.
1 Antwort
Ich finde die Geschichte, die da erzählt wird, vor allem sehr traurig.
Kaum haben die (zumeist alleinerziehenden) Mütter ihre Kinder aus dem Gröbsten raus, geraten die in schlechten Umgang, für die sie Mitgliedschaft zahlen müssen und noch höhere Ablösesummen. Ausweglos.
Und dann sterben die jungen Leute. Noch trauriger.
Und ihre Welt ist so dreckig, staubig, grau, vom Boxstudio in der Kirche abgesehen haben sie keine Chance zu entfliehen.
Als Großstadt-Sozialstudie wäre der Film rundum gelungen, aber der Kritiker hat natürlich recht: für einen Krimi taugt das nicht so richtig.
(Der lange Kameraschwenk am Anfang hat mir auch gefallen.)