Das Leben ist kein Kindergarten – Umzugschaos

Oliver Wnuk, Meike Droste, Esther Gronenborn. Dicke Luft im Paradies

Foto: Degeto / Volker Roloff
Foto Tilmann P. Gangloff

Die Fortsetzung zu „Das Leben ist kein Kindergarten“ (Degeto/Amusement Park) ist womöglich noch besser als der ohnehin schon vorzügliche erste Film: weil diesmal hinter den Bildern eine größere Ernsthaftigkeit spürbar ist, zumal es um Themen wie Abtreibung und Altersdemenz geht. Trotzdem bleibt der Tonfall überwiegend heiter, und darin liegt die große Kunst des erneut von Hauptdarsteller Oliver Wnuk verfassten Drehbuchs, das existenzielle Herausforderungen schlüssig mit lustigen Momenten kombiniert. Geschickt entgeht Wnuk zudem der Falle, die Geschichte von Teil eins bloß um neue Zutaten zu ergänzen: Erzieher Freddy muss seine Konstanzer Komfortzone verlassen und mit seiner Familie nach Berlin ziehen, wo der Umgangston ungleich rauer ist; außerdem steuern er und seine Frau geradewegs in eine Ehekrise. Auch dank der Umsetzung durch Regisseurin Esther Gronenborn ist „Umzugschaos“ eine vorzügliche Kombination von Komödie und Drama geworden.

Das Kunstwort „Dramedy“ bezeichnet Filme und Serien, die zu gleichen Teilen heitere wie ernste Momente enthalten. Gerade in der TV-Branche hat der Genrebegriff längst den Begriff Tragikomödie verdrängt. Für die vorzügliche Fortsetzung des sehenswerten Freitagsfilms „Das Leben ist kein Kindergarten“ (ARD) aber klingt „Dramedy“ im Grunde zu harmlos: weil Hauptdarsteller Oliver Wnuk, der auch diesmal wieder das Drehbuch geschrieben hat, Geschichten erzählt, die durchaus tragische Züge tragen. Das war im ersten Film auch schon so, doch der Tonfall war trotzdem vorwiegend heiter. Diesmal aber konfrontiert Wnuk einige seiner Figuren mit Herausforderungen, die durchaus existenzieller Natur sind; im Vergleich zu Themen wie Abtreibung oder Demenz wirkt eine Ehekrise fast harmlos.

Das Leben ist kein Kindergarten – UmzugschaosFoto: Degeto / Volker Roloff
„Das Leben ist kein Kindergarten“ – ein bisschen aber schon: und so gehen Komödie und Drama in der zweiten Episode „Umzugschaos“ Hand in Hand. Die dritte wird im Frühjahr 22 gedreht. Oliver Wnuk ist nicht nur Hauptdarsteller, sondern auch Autor.

Die Handlung beginnt mit einem Abschied: Ein letztes Mal paddelt Erzieher Freddy (Wnuk) mit seinem Kajak über den Bodensee. Ehefrau Juli (Meike Droste), Medizinerin, macht einen Karrieresprung nach Berlin, also zieht Familie Kleemann um, was mit den üblichen Reibungsverlusten einhergeht. Die Streitereien mit Schwiegermutter Regina (Hedi Kriegeskotte), bei der das Paar mit seinen beiden Kindern vorübergehend einzieht, weil die neue Wohnung noch nicht bezugsfertig ist, sind da fast Petitessen. Auch die beruflichen Hürden scheinen nicht unüberwindbar: Freddy hat gemeinsam mit Kollegin Lara (Franziska Wulf) die Leitung einer Kita in Kreuzberg übernommen, muss sein neues Team aber erst mal von seinem Reformkonzept überzeugen. Tochter Zoe (Sophie Reiling) hat sich von Anfang an gegen die Entwurzelung gewehrt und kauft sich kurzerhand eine Fahrkarte zurück an den Bodensee, doch selbst für dieses Problem findet Freddy eine Lösung. All’ das aber wird zur Nebensache, als Juli feststellt, dass sie schwanger ist; ein drittes Kind würde jedoch überhaupt nicht in ihre Lebensplanung passen. Und dann ist da noch Freddys Vater (Siemen Rühaak hat Peter Prager ersetzt), der die Familie nach Berlin begleitet und ganz andere Sorgen hat.

Kein Wunder, dass hinter den Bildern eine große Ernsthaftigkeit spürbar ist. Die große Kunst von Wnuks Drehbuch liegt in der jederzeit schlüssigen Kombination mit lustigen Momenten, die es zuhauf gibt und die stets dem Leben abgeschaut sind: mal winzig klein wie die Mini-Schultüten am ersten Tag in der neuen Schule, mal so groß wie ein Kuschelboot im Wohnzimmer. Am witzigsten ist eine Szene, die vermutlich alle Eltern kennen, doch diesmal sind es keineswegs die Kinder, die ins höchst innige „Rumgedingse“ im Badezimmer platzen. Manchmal wechselt der Tonfall auch bloß mit Hilfe des Schnitts: Gerade noch hat Freddy wie schon im ersten Film ein intensives Vater/Tocher-Gespräch geführt, dann muss er sich ins eiskalte Wasser stürzen. Beide Filmkinder machen ihre Sache erneut ganz ausgezeichnet. Für die ganz jungen Mitglieder des Ensembles gilt das nicht minder, sodass die sehr natürlich wirkenden Kita-Szenen ein zuverlässiger Quell großer Heiterkeit sind.

Das Leben ist kein Kindergarten – UmzugschaosFoto: Degeto / Volker Roloff
Aller Neuanfang ist schwer. Freddy (Oliver Wnuk), Juliana (Meike Droste) & die Kids ziehen nach Berlin und kommen bei Oma Regina (Hedi Kriegeskotte) unter.

Selbstredend ist Freddy nach wie vor ein Erzieher zum Verlieben; erst recht aus Sicht von Lara, die aber im Gegensatz zur ständig nörgelnden Kollegin Rita (Kübra Sekin) nicht ganz unbefangen ist. Als sie, offenbar durch die Rückkehr in ihren alten Kiez zusätzlich beseelt, ihren Gefühlen nach einem feuchtfröhlichen Abend freien Lauf lässt, hat der Kindergärtner ein weiteres Problem. Hinzu kommt der wesentlich rauere Umgangston in Kreuzberg. Mitunter liegen gar Handgreiflichkeiten in der Luft, weil die Eltern hier von anderem Schlag sind als in der Komfortzone Konstanz. Dank der diversen Besetzung des Kindergartenpersonals lassen sich zudem weitere Geschichten am Rande erzählen. Als die im Rollstuhl sitzende Rita beleidigt wird, geht Freddy ritterlich dazwischen. Andererseits hat Wnuk seine Rolle auch um die eine oder andere Schattenseite erweitert. Das kostet den Erzieher beim verletzenden Streit mit Juli ein paar Sympathiepunkte, macht ihn aber noch lebensnäher; zwischendurch wirkt der beruflich und privat scheinbar unverwüstliche Mann auch mal herzergreifend einsam. Der allmähliche Wandel einiger Figuren ist ohnehin ein weiteres Qualitätsmerkmal des Films; selbst die als Giftspritze eingeführte Schwiegermutter entpuppt sich als ganz patent.

Regie führte diesmal Esther Gronenborn („Ziemlich russische Freunde“), die schon bei ihren ebenfalls im Auftrag der Degeto entstandenen „Väter allein zu Hause“-Episoden gezeigt hat, wie gut sie die Genres Komödie und Drama miteinander kombinieren kann. Der wechselnde Tonfall spiegelt sich auch in der zunächst sehr munteren, aber zunehmend ernster werdenden Musik von Gert Wilden jr. wider. Für die Bildgestaltung war nun Yoliswa von Dallwitz verantwortlich, die unter anderem dafür gesorgt hat, dass sich der Bodensee sehr überzeugend als Sehnsuchtsort präsentieren darf; in dieser Hinsicht dürfte das Drehbuch des aus Konstanz stammenden Hauptdarstellers biografische Züge tragen. Im Frühjahr 2022 wird Teil 3 gedreht.

Das Leben ist kein Kindergarten – UmzugschaosFoto: Degeto / Volker Roloff
Raus aus der Komfortzone Konstanz. Am neuen Arbeitsplatz in Kreuzberg warten einige neue Herausforderungen. Die charmanteste ist eindeutig Lara (Franziska Wulf).

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Reihe

ARD Degeto

Mit Oliver Wnuk, Meike Droste, Franziska Wulf, Siemen Rühaak, Hedi Kriegeskotte, Sophie Reiling, Kübra Sekin, Karl von Klot

Kamera: Yoliswa von Dallwitz

Szenenbild: Eduard Krajewski

Kostüm: Heike Fademrecht

Schnitt: Julia Oehring

Musik: Gert Wilden jr.

Soundtrack: Vance Joy („Mess Is Mine“), Carla Bruni („Perfect Day”), Gabby Young & Other Animals („We’re All In This Together”), Lambchop („Action Figure”), Tristen („Just Like Heaven”)

Redaktion: Carolin Haasis, Stefan Kruppa

Produktionsfirma: Amusement Park Film

Produktion: Amelie von Kienlin, Malte Grunert

Drehbuch: Oliver Wnuk

Regie: Esther Gronenborn

Quote: 3,23 Mio. Zuschauer (11,5% MA)

EA: 12.11.2021 20:15 Uhr | ARD

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