Irgendwo in der hessischen Pampa arbeitet Erol Ozak als Vollstreckungsbeamter beim Finanzamt. Er hat die schlechtesten Ergebnisse aller Kollegen im Land. Seine Frau hat ihn vor Jahren für einen Erfolgreicheren verlassen. Einsam lebt er in dem Haus seiner Kindheit, das die Eltern ihm vererbt haben. Gleichförmig ziehen die Tage dahin. Abends beobachtet er seine neue Nachbarin, und am Tag immer dasselbe Spiel: Er soll etwas holen von Menschen, die nichts haben und die er zu allem Übel auch noch privat kennt. Seit Kurzem begleitet ihn eine Auszubildende auf seinen trostlosen Wegen. Die lässt sich nicht so schnell abwimmeln. In der Wohnung eines Schuldners findet sie eine Plastiktasche voll Geld. Versehentlich wird die junge Frau erschossen, Erol kann das Geld sicherstellen und flüchten. Nach einem Unfall ist die Tasche weg – und er hat einen Sack Probleme. Die Polizei misstraut seinen Aussagen und der Besitzer des Geldes schickt seine Eintreiber los. Und die haben andere Methoden als der introvertierte Mann vom Finanzamt, der von seinem Chef erst einmal auf ein Konfliktkompetenz-Seminar geschickt wird, bevor er sich – in die Enge getrieben – gemeinsam mit seiner Nachbarin versucht, das Geld wieder zu beschaffen.
„Du musst gieriger werden, viel, viel gieriger“, versucht es der Held in dem Fernsehfilm „Das Ende einer Maus ist der Anfang einer Katze“ mit Autosuggestion. Er wird zunächst keinen Erfolg haben damit. Erol Ozak ist ein stiller Melancholiker, der abwartend seine Wunden leckt und keinem etwas Böses will. Um ihn herum aufgebrachte Chefs („was für eine Scheiße“), aufdringliche Schutzpolizisten, zwei zu miesen Scherzen aufgelegte Killer, ein Mittelsmann, der um sein Leben fürchtet, weil ihm das Geld abhanden gekommen ist und der es deshalb umso rabiater von Ozak einfordert, und ein selbstherrlicher Geschäftsmann, der Bürgermeister werden will und auf dem Weg dorthin Wahlkampfgelder unterschlagen hat. Er war es auch, der dem Türken die Frau ausgespannt hat, die Tochter des reichsten Bauern in der Gegend. Und jetzt nötigt dieses Ekelpaket auch noch die nette Nachbarin zum Sex. Grund genug, es diesem Typen heimzuzahlen. Doch das Aggressions-Gen ist Erol Ozak nicht in die Wiege gelegt worden. Vielleicht hat er sich ja etwas abgeguckt bei seinen Kontrahenten?
Statement der Leiterin des Konfliktkompetenz-Seminars:
„Betrachtet man die Entwicklung einer Konfliktsituation als Worst-Case-Szenario, so fällt eines auf: Eskalationen gehen einher mit immer primitiveren und unmenschlicheren Formen der Auseinandersetzung. Nach vertanen Chancen zur Konfliktbewältigung heißt das im Extremfall, dass der Weg geradewegs in den Untergang der Konfliktparteien führt.“
Dieser Film von Stefan Kornatz ist schwer zu fassen. Man kann sich ihm nur beschreibend nähern. Das Leben ist Kampf. Der Titel deutet es an – und zeigt, was passieren kann, wenn man versucht, sich raus zu halten. Daraus ergeben sich ungewohnte dramaturgische Bahnen, in denen der Film kreist: Ein lakonischer Erzählstil ersetzt die klassische Spannungsdramaturgie dieser Krimi-Gangster-Schicksalsballade. Der zupackende, zielstrebige Held wird durch einen lethargischen Leisetreter ersetzt. Ein bisschen Genre-Coolness, ein bisschen Arthaus-Langsamkeit, ein bisschen Räuberpistole. Über allem schwebt ein Hauch (selbstreferentielle) Ironie – ausgehend vom Konfliktkompetenz-Seminar, dem im Film die nicht ganz ernst gemeinte Illustrierung der dort erörterten Konflikttheorie folgt. Und mittendrin Hilmi Sözer, der diese Tonlagen bedient und sie um das Drama eines moralisch guten, unglücklichen Menschen ergänzt. Mit seinem Erol Ozak führt er seinen Weg zum Charakterkopf fort, den er in Petzolds „Jerichow“ so überzeugend eingeschlagen hatte. Neben ihm Maren Eggert, die man seit dem Ausstieg aus dem Kiel-„Tatort“ im Fernsehen vermisst. Ein ungewöhnlicher, spröder Film (typisch HR!), dem man eine Chance geben muss!