Zu Beginn ist man etwas irritiert. Ein Mädchen findet seine Mutter, gefesselt, geknebelt, erwürgt. Muss das sein?! Später versteht man es besser. In „Wölfe und Lämmer“ aus der Reihe „Das Duo“ geht es um häusliche Gewalt. Diese verzweifelten, fragenden Blicke von Kindern, die nicht verstehen können, was da zwischen den Erwachsenen abläuft, kehren immer wieder in diesem Film. „Die Kinder sind die Opfer von Gewalt unter Paaren. Sie bleiben oft zurück wie Strandgut“, bilanziert Produzent Sven Burgemeister.
Auch dem Mann der Toten, auf den ersten Blick ein sanfter Schöngeist, muss bei seiner Frau gelegentlich die Hand ausgerutscht sein. Seine Ehe war alles andere als glücklich. Die Frau hat ihn betrogen, wollte sich scheiden lassen, doch die gesetzlichen Unterhaltszahlungen hätten ihr nicht ausgereicht. Deshalb gezielte Provokationen der Gattin um Punkte zu sammeln für den späteren Unterhalt?
„Warum bringen sich Paare um, anstatt sich zu trennen?“, fragen sich Marion Ahrens und Clara Hertz. Es muss die Angst sein, die Angst vor dem leeren Zimmer, dem Alleinsein, die Angst vor dem Leben. Raffaela, allein erziehend und Stammgast im Lübecker Frauenhaus – dieser jungen Frau sitzt diese Angst im Nacken. Patrycia Ziolkowska spielt das mit großer Intensität als Pendant zum verzweifelten Leisetreter, den Stefan Kurt verkörpert. Ihr Drama gewinnt emotional die Oberhand in dem für einen Reihenkrimi sehr fein gesponnenen Drehbuch, das seine beiden Geschichten parallel und gleichwertig erzählt.
Das in vielen Krimis oft ausufernde Ermittlungskleinklein verlagert Autor Norbert Ehry häufig ins Off. So bleibt ihm Raum, um das Thema nicht nur als Krimi-Effekt auszuschlachten, sondern in seiner Vielschichtigkeit auszuloten, indem er eine gewalttätige Beziehung in seiner typischen Entwicklung bis zum bitteren Ende ablaufen lässt. Clara Hertz ist die Patin für diesen Fall. Den Mord an der lebenslustigen Luxus-Gattin muss deshalb Marion Ahrens zunehmend im Alleingang aufklären. Die Rollenverteilung macht sich gut. So fällt das übliche Geplänkel zwischen den Kommissaren weg. Auch hier: Konzentration auf das Wesentliche.
„Wölfe und Lämmer“ ist einer der bisher stärksten Filme aus der Reihe „Das Duo“. Da stimmen die psychologischen Zwischentöne und selbst das Kurzschließen der beiden Geschichten ist nicht allein dem ästhetischen Zufallsprinzip geschuldet. Wie heißt es doch im Film so schön, als sich Hertz und der gewalttätige Freund von Raffalea zum zweiten Mal zufällig begegnen: Er glaubt scherzhaft an Schicksal. Die Kommissarin ist anderer Meinung: „Schicksal gibt es in London oder Paris – in Lübeck läuft man sich einfach immer wieder über den Weg.“