„Nichts ist dort, wo es sein soll.“ Nicht in dem Haus, in das die Altenheimbewohnerin Marga eindringt, als ob es noch immer ihr Zuhause wäre. Nicht in ihrem Kopf, aus dem wirre Gedanken, Wut und wahnwitzige Sätze hervorsprudeln: die 70-Jährige leidet unter Alzheimer. Ihre Tochter Sofia, eine ehrgeizige Fernsehjournalistin, holt die kranke Mutter zu sich nach Berlin. Besonders eng war das Verhältnis zwischen den beiden Frauen nie. „Du erkennst mich doch, Mutter, nicht wahr?“, fragt die Tochter. „Ich erkenne Sie“, kommt es entgeistert zurück. Für Sofia, die Deutsch-Lettin, könnte die so ausweglos erscheinende Situation eine Chance sein. Für ihren Film über die Autonomiebewegung in Lettland, wir schreiben das Jahr 1991, könnte sie „eine private Farbe“ noch gut gebrauchen. Außerdem könnte sie endlich mehr über ihre Wurzeln erfahren und vielleicht ihrer Mutter Marga emotional näher kommen. Sie weiß so wenig von ihr, von ihrem Vater Juris und dem Ort ihrer Geburt, von der Besetzung Lettlands durch die Sowjetunion und von der Flucht der Mutter.
„Das Blaue vom Himmel“ ist kein Alzheimer-Drama. In erster Linie ist diese kleine Kino-Koproduktion von Hans Steinbichler eine Mutter-Tochter-Geschichte, ein Melodram über Verdrängung, über die Irrungen der Geschichte und die Wirrungen der Gefühle. Der Film beginnt 1933 in Lettland. Eine junge Liebe, Marga und Juris, zwei Teenager geben sich ein Versprechen, das einer von beiden nicht halten kann. Fortan wechselt die Handlung immer wieder zwischen dem Heute und dem Lettland bis zur russischen Okkupation. Eher als Sofia entschlüsseln sich dem Zuschauer die tragische Schicksalsgeschichte und die biografischen Lügen, die Marga ihr auf den Lebensweg mitgegeben hat. Der historische Erkenntniswert hält sich in Grenzen. Aber auch als „unterhaltsames“ Melodram weiß Steinbichlers Film nicht durchweg zu überzeugen. Weil die Bilder nicht immer viel hergeben, muss die Musik die Emotionen anheizen. Und Hannelore Elsner, eine Schauspielerin, die große Filmauftritte liebt, als Alzheimer-Patientin – das kann auch schnell zu viel werden. Sehr überzeugend in ihrer Tonlage sind dagegen Juliane Köhler und Karoline Herfurth. Man hat den Eindruck, als ob sich Steinbichler nicht entscheiden konnte zwischen Gefühlskino und Gedankenfernsehen. Erst am Ende gibt es einige sehr intensive Szenen, in denen die Zeit still zu stehen scheint, magische Augen-Blicke ohne pathosgeschwängerte Musik, in denen das historische Leiden und der seelische Schmerz spürbar werden. (Text-Stand: 14.3.2013)