„Es gibt Zeiten, da fühlen Sie sich leer, wertlos, Sie sind depressiv, Sie denken an Selbstmord. Und dann lernen Sie einen Mann kennen, einen Mann, der etwas darstellt, eine Persönlichkeit – und wenn dieser Mann sich auf Sie einlässt, dann ist die Leere wie weggeblasen. Sie fangen wieder an zu leben, Sie fühlen sich geliebt, begehrt, akzeptiert. Und plötzlich merkt dieser Mann, dass Sie von ihm mehr wollen, als er bereit ist zu geben, sehr viel mehr, und er zieht sich zurück. Und Sie können nicht loslassen.“
Nach dieser Analyse beginnt eine Höllentour für Bloch, seine Lebensgefährtin Clara und für Svenja Schneider. Denn die Stalkerin stellt nun auch Clara nach. Sie dringt ein in das Privatleben der beiden. Beim großen Fest zu Blochs 60. Geburtstag taucht sie auf, steht plötzlich im Schlafzimmer und stellt sich Clara als ihre Nachfolgerin vor. Es ist ein Teufelskreis. Geht Bloch auf die kranke Frau ein, was er als Mensch und Therapeut tun müsste, interpretiert sie es sofort als Liebeswunsch seinerseits und würde sich ermutigt fühlen. Weist er sie ab, löst er in ihr Aggressionen aus, die sich in weiteren Übergriffen Luft machen. Es ist die Frage, ob sich dieses Dilemma durchbrechen lässt?
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„Verfolgt“ überspringt die Grenze zur physischen Gewalt. Erst danach kann in weiter Ferne Heilung angepeilt werden. Dramaturgisch ist es ein typischer Spät-„Bloch“: Aus einem Symptom wird ein Bedrohungsszenario erstellt, über das Psychologe und Patient schließlich zum Kern des seelischen Problems vordringen. Der psychische Defekt Stalking wird über eine Stunde lang geschickt dramaturgisiert. „Bloch“ geht einen anderen Weg als beispielsweise die großartige US-Serie „In Treatment – Der Therapeut“. Recherche und Handeln VOR Reden und Be-Handeln. Bloch analysiert und spricht wenig, doch wenn, dann ist er in „Verfolgt“ klar und präzise. Es geht schließlich auch um sein Leben und das seiner Partnerin. Wenn Kommissare privatisiert werden, ist das oft peinlich, wenn der Psychologe in den destruktiven Strudel von Gefühlen gerissen wird, kann das dem Fall besondere Intensität geben.
Beim neuen „Bloch“ stimmt so gut wie alles. Ein spannungsdramaturgisch klug ausgetüfteltes Drehbuch. Eine unaufdringliche, ganz auf die Figuren konzentrierte Regie, die auf jegliche Dämonisierung der bedrohlichen Stalkerin verzichtet. Und drei Hauptdarsteller, denen zuzuschauen – trotz des schweren Themas – eine große Freude, ja geradezu eine Offenbarung ist. Die Bündelung aller Handlungsfäden, auch der privaten, in Richtung Fall, macht „Verfolgt“ zu einem besonders in sich geschlossenen Psychodrama. Selbst der D-Plot um Claras Sohn Tommy, der beim Schüleraustausch in Kanada gelandet ist, bespiegelt mit leichtem Augenzwinkern das Überthema des Films: „das nicht loslassen können“, das wiederum kritisch kontrastiert wird von dem Pendant-Muster „verlassen werden“.