Bereits nach zwei Fällen ist Dr. Maximilian Bloch zum Therapeuten unseres Vertrauens geworden. Selten kam ein Fernsehheld so nah an die Wahrheit des Menschseins und die Tiefe des Lebens und der Liebe heran wie dieser Psychotherapeut, der sich keiner Methode verschrieben hat, sondern sich ganz nach den Krankheitsbildern seiner Patienten richtet. Dieter Pfaff spielt jenen Spezialisten für seelische Schieflagen, der nichts von Therapiesitzungen in stickigen Räumen hält – auch diesmal wieder mit Leib & Seele und Hang zur Melancholie.
In “Tausendschönchen” hat es Bloch mit einer jungen Frau zu tun, die sich für 13 hält. Dementsprechend ist ihr Verhalten: Kaum etwas kann sie sich länger als ein paar Minuten merken. Den Name Bloch behält sie, auch ein Onkel Ludwig ist jener Laura im Gedächtnis geblieben. Doch weder Angst, noch Hass ist in ihren Worten. An einen klassischen Fall von Kindesmissbrauch glaubt Bloch, dessen Interesse an der Kindfrau zunächst von einer Kollegin missdeutet wird, deshalb nicht. Dennoch: Etwas ganz Schlimmes muss Laura in ihrer Familie widerfahren sein. Und so macht er sich auf die Suche nach Lauras Wurzeln der Kindheit – auf die Gefahr hin, dass die Erinnerung schlimmer sein kann als das Vergessen.
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Nicht nur das Sujet sondern auch die Dramaturgie der Bloch-Reihe fallen aus dem Rahmen des im Fernsehfilm Üblichen. Da wird nicht von Anfang an die finale Rettung anvisiert, sondern das Rätselhafte an den psychischen Fall-Geschichten fixiert. Das entspricht ganz der Arbeitsweise eines Drehbuchautors der guten alten Schule. “Wenn ich einen Film schreibe, weiß ich in aller Regel nicht, wie er ausgeht”, so Peter Märthesheimer und stellt den Regel-Kanon der klassischen Dramaturgie auf den Kopf. “Ich schaffe eine Anfangskonstellation, die neugierig macht, und gehe dann mit Bloch durch den Film, schreite voran in die dunklen Kanäle des Patienten.” Wer psychologische Geschichten mag, der wird gewiss der sanften Linienführung, die dem Blochschen Wesen entspricht, mit Interesse folgen.
Wer solchen Geschichten der Seele eher skeptisch gegenübersteht, der kann sich an Bloch halten. Der zeigt gerade in “Tausendschönchen” den Weg zu einem fast religiösen Männer- und Menschenbild, einem ganz anderen, als man es sonst aus konfliktüberladenen Fernsehfilmen aus den Kampfzonen der Beziehungen gewohnt ist. Fehler macht aber auch er. Bloch ist keine Lichtgestalt, er ist Medium. “Er ist einer, auf dessen Hand man vertrauen kann, der einen sicher durch die Dunkelheit führt, bis irgendwo eine Tür ist, die er aufmacht, und da ist das Licht”, beschreibt Märthesheimer bildstark seinen Bloch. (Text-Stand: Juni 2003)